Warum das Geld in Tel Aviv fließt

In Israel gibt es 6500 Tech-Firmen, jährlich kommen 1500 Start-ups dazu
Israel ist das Dorado der Start-ups. Es gibt viel Geld für riskante Geschäfte und viel Wissen.

Die Menschen, die in Moshe Sarfatys Büro in Tel Aviv kommen, wollen letztlich alle dasselbe: Geld.

Der breitschultrige ehemalige Investmentbanker hat den israelischen Venture-Capital-Fonds Krypton gegründet. Er macht aus Ideen Geld. Das gelingt aber selten. "Wir haben eine Erfolgsquote von fünf Prozent, das hält keine andere Branche aus." Sarfaty grinst. Mit den verbleibenden fünf Prozent macht er deutlich mehr Millionen als er verliert. So wie viele andere Venture Capital Fonds auch, von denen es – gemessen an der Bevölkerungszahl – in keinem Land so viele gibt wie in Israel.

Eldorado der Start-ups

Israel ist neben dem kalifornischen Silicon Valley das Dorado der Start-up-Szene. Nur Korea steckt noch mehr Geld in Forschung und Entwicklung, nirgends gibt es so viele Wissenschaftler und Entwickler, so viele Business Angels und Inkubatoren wie in Israel – zumindest gemessen an der Einwohnerzahl. Diese gleicht jener von Österreich, womit die Liste der Gemeinsamkeiten auch schon wieder zu Ende ist, fanden einige Start-up-Gründer aus Österreich, die sich mit einer Delegation der Neos die Szene in Israel angesehen haben.

Geschenkt wird Gründern auch in Israel nichts. "Ich bin gerade sehr beschäftigt. Kann ich dich ein anderes Mal ignorieren?" steht auf dem Bildschirm hinter Sarfaty. An diese Art von Humor und Direktheit muss man sich in Israel gewöhnen. Es geht zu wie am Bahnhof, ein Kommen und Gehen. Sarfaty sucht keine Firma, die ihm zehn Prozent Rendite bringt, er will eine Cash Cow. Einen Überflieger, so etwas wie das nächste Google.

Sarfaty erzählt von seinem Swimmingpool-Test: Schwimmt da jemand? Wenn nicht, fehlt das Interesse für den Pool, also die Geschäftsidee. Ist ein Michael Phelps im Becken, also jemand, der die Szene dominiert, gibt es nichts zu gewinnen. Es ist immer schwer einzuschätzen, ob Konsumenten eine Innovation kaufen werden. Fix sind nur die hohen Marketingkosten. Investoren brauchen Chuzpe. Diese scheint in Israel verbreitet.

Keine Komfortzone

"Als meine Tochter auf die Welt gekommen ist, hat sie vom Staat zuerst eine ID-Nummer und dann eine Gasmaske bekommen. In diesem Umfeld wird man robust", macht Hochschulprofessor Eyal Benjamin klar, dass es in Israel keine Komfortzone gibt. Benjamin ist erst seit ein paar Jahren Professor für Entrepreneurship. Zuvor hat er selbst Firmen gegründet und im Venture-Capital-Bereich gearbeitet. Karrieren in Israel verlaufen nicht so linear wie bei uns. Dass man auch auf die Nase fällt, gehört dazu. Vieles ist unsicher, Israelis sind es gewohnt zu improvisieren, mehrere Bälle in der Luft zu halten.

Aufbruch als Notlösung

Als um 1990 eine Million Migranten aus Russland nach Israel kamen, fehlte vor allem eines: Arbeit. Und Geld, um Jobs zu schaffen. Daher versprach die Regierung 1993 ausländischen Investoren, ihre Investitionen in Israel aufzustocken. Der Hebel funktionierte, Venture Capital floss plötzlich nach Israel.

Dazu kommt die enge Verknüpfung von Unis, Geldgebern und jenen, die neue Technologien zur Marktreife bzw. an die richtige Stelle bringen – also an Großkonzerne, bringen. Wie Yissum.

1964 gegründet, um das geistige Eigentum der Hebrew University zu schützen und zu Geld zu machen, hat Yissum schon mehr als 9300 Patente angemeldet. Als ein Gründer erzählt, dass er ein Patent in Österreich angemeldet hat, zieht Yissum-Managerin Dana Gavish-Fridman ungläubig die Augenbraue hoch: "Nur für Österreich?" Israelis denken international, ihr Heimmarkt ist zu klein, zu isoliert.

Yissum vermarktet Wissen von Unis. "Man kann die beste Idee haben und trotzdem nichts verdienen", sagt Dana. Das Uni-Spin-off kümmert sich daher speziell um rechtliche Dinge, wie die Gestaltung von Lizenzverträgen. "Wir arbeiten nicht wie eine Uni, sondern wie ein Hightech-Unternehmen", betont Dana. Die Entscheidungsträger kommen fast ausschließlich aus der Wirtschaft. Die Unternehmer sind oft der Link zur Industrie, den die Forscher brauchen. So wie andere staatliche Stellen oder auch die israelische Innovationsbehörde.

Aus Sicht von Thomas Schranz, Gründer der Tech-Firma Blossom, fehlt es in Österreich an Angeboten wie jenem von Yissum. "Es gibt niemanden an der Uni, der dir hilft, deine Idee zu vermarkten oder dir eine Verbindung zu Konzernen herstellt. Es geht immer nur um die Gewährung des nächsten Stipendiums", sagt er.

"Israel zeigt, dass Start-ups ein Jobmotor im großen Stil sein können", fühlt sich Matthias Strolz, Vorsitzender der Neos, bestätigt. Er stellt nach israelischem Vorbild Ausschreibungen für Inkubatoren zur Debatte. "Die Einbindung der Old Economy als Sparring-Partner wäre charmant." Seiner Meinung nach sollten Entscheidungen über Fördergelder auch mehr von Managern als von Beamten gefällt werden. Zudem steht ein unabhängiger Innovationsstaatssekretär auf seiner Wunschliste.

Schattenseiten

Auch wenn Israel Hightech exportiert, profitieren zwei Drittel der Bevölkerung nicht davon, sagt der Politiker Erel Margalit. Das Leben in Israel ist teuer, viele haben mehrere Jobs oder gehen ins Ausland. Allein in Berlin arbeiten 90.000 Israelis, in ihrem Heimatland fehlen 10.000 Fachkräfte. Die Reise erfolgte auf Einladung der Neos.

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