VW-Chef Müller: Kein Verkauf von Ducati und Seat

Weniger gut läuft es mit Seat. Die spanische Tochter (seit 1986 im Konzern) schrieb in den vergangenen Jahren Verluste. Vertrieb- und Marketingexperte Jürgen Stackmann soll das Steuer herumreissen.
Konzernchef antwortet auf die Überlegungen des deutschen Autopapstes Ferdinand Dudenhöffer im Mittwoch-KURIER.

Dieser Bericht in der Mittwochausgabe des KURIER und auf KURIER online hat beim Volkswagen-Konzern in Wolfsburg wie eine Bombe eingeschlagen. Professor Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen, und einer der besten Kenner des deutschen Autobauers, hat dem KURIER seine Ideen zum Umbau des VW-Konzern offenbart. Es ging dabei vor allem auch um die Motorrad-Marke Ducati und die spanische Automarke Seat, die beide VW gehören.

"Die Synergien zwischen einem Auto und einem Motorrad sind genauso groß wie zwischen einem Flugzeug und einem U-Boot. Und es stellt sich auch die Frage, braucht man die Marke Seat wirklich", sagte Professor Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen, zum KURIER. "Seat hat Vertriebskosten, da läuft man weg und weint. Man könnte stattdessen in den Seat-Werken Skodas bauen." Nachsatz: "Die Verluste, die Seat dem Konzern eingebracht hat, kann man bis zum Ende der Welt nicht mehr verdienen."

Müller hat andere Ansicht

Die Aufregung über diese Aussagen dürfte in Wolfsburg und am Seat-Stammsitz im spanischen Martorell groß gewesen sein. Sonst hätte sich VW-Chef Matthias Müller nicht bemüßigt gefühlt, im deutschen Magazin auto, motor und sport, diese Aussagen zu kommentieren. „Zur Mobilität gehören auch Zweiräder. Ich kenne keine Überlegung im Unternehmen, Ducati zu verkaufen“, sagte Müller dem Magazin. Auch die spanische Tochter Seat bleibe Teil des VW-Konzerns. „Seat hat sich in den vergangenen fünf Jahren stetig nach oben entwickelt.“ Immer wieder hatte es Spekulationen gegeben, der Konzern könne wegen der hohen Kosten für die Bewältigung der Abgaskrise Unternehmensteile zu Geld machen. „Ich rede weniger vom Verkauf von Marken als eher vom Zukauf“, machte Müller in dem Interview deutlich.

Mini-Dividende

Indes sind die Aktionäre der Volkswagen AG bei der ordentlichen Hauptversammlung am Mittwoch dem Vorschlag des Vorstands und Aufsichtsrats gefolgt und haben mit einer Mehrheit von 99,98 Prozent beschlossen, eine Dividende von 11 Euro-Cent Euro je Stammaktie und 17 Euro-Cent je Vorzugsaktie zu zahlen. 2014 betrugen die Dividenden noch 4,90 bzw. 4,86 Euro. Damit werden rund 67,5 Millionen Euro ausgeschüttet. Die Stammaktionäre entlasteten die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats zudem für das Geschäftsjahr 2015 bei einer Präsenz von 93,69 Prozent.

Pötsch für fünf Jahre AR-Chef

Zudem wurde der Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Dieter Pötsch nach seiner gerichtlichen Ersatzbestellung durch das Amtsgericht Braunschweig im Oktober 2015 durch die stimmberechtigten Anteilseigner in das Gremium gewählt.

Ingenieurin aus Katar

Die Versammlung berief weiterhin Dr. Hessa al Jaber in den Aufsichtsrat. Sie vertritt künftig in dem Gremium die Qatar Investment Authority (QIA) und übernimmt das Mandat von Akbar al Baker, Minister of State und Group Chief Executive of Qatar Airways, der sein Amt mit Beendigung der Hauptversammlung niedergelegt hat. Hessa al Jaber ist Ingenieurin und vertritt als erste Frau den Staat Katar als Aufsichtsrätin in einem internationalen Konzern.

Familien-Silber

Des Weiteren wurden die schedische Bankerin Annika Falkengren, Präsidentin und Vorstandsvorsitzende der schwedischen SEB AB, sowie die Unternehmerin Dr. Louise Kiesling, Nichte von Ferdinand Piech und Enkelin von Ferdinand Porsche, für eine volle Amtszeit in den Aufsichtsrat gewählt. Beide gehören dem Gremium bereits an. Mit Hessa al Jaber, Annika Falkengren und Louise Kiesling sind drei der zehn Anteilseigner-Sitze im Kontrollgremium von Frauen besetzt.

Stimmenthaltung des Landes Niedersachsen

Das Land Niedersachsen ist mit seinem 20-Prozent-Anteil an Volkswagen der zweitgrößte Aktionär und hatte sich aber beim Abstimmen auf der Hauptversammlung bei zwei Managern seiner Stimmen enthalten: Niedersachsen verweigerte den Vertrauensbeweis für den in der Affäre zurückgetretenen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und den amtierenden VW-Markenchef Herbert Diess. Am Montag war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen möglicher Marktmanipulation gegen Winterkorn und Diess ermittelt. Bei beiden besteht der Anfangsverdacht, die Finanzwelt zu spät über die Dimension und die möglichen finanziellen Risiken der Abgaskrise informiert zu haben.

Neutrale Rolle bei der Aufarbeitung

Der VW-Großaktionär hat seine Enthaltungen bei der Entlastung der Konzernvorstände mit einer neutralen Rolle in der Aufarbeitung der Abgas-Affäre begründet. „Niedersachsen möchte im derzeitigen Verfahrensstand nicht auch nur den geringsten Anschein erwecken, sich in der Frage der laufenden Ermittlungsverfahren zu positionieren“, teilte eine Sprecherin der Landesregierung in der Nacht zu Donnerstag mit. „Das ist alleine Sache der Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls später der Gerichte.“ Der endgültige Abschluss der Ermittlungen bleibe abzuwarten, es gelte die Unschuldsvermutung, „vorschnelle Schlussfolgerungen verbieten sich“.

Kein Misstrauensvotum?

Die Enthaltung des Großaktionärs Niedersachsen bei der Entlastung des VW-Vorstands ist aus Sicht von Wirtschaftsminister Olaf Lies kein Misstrauensvotum. „Nein, das ist es nicht“, sagt der SPD-Politiker am Donnerstag vor der vertraulichen Unterrichtung eines Landtagsausschusses in Hannover über die VW-Hauptversammlung vom Mittwoch. Das Land habe dort vielmehr aus Respekt vor den Behörden gehandelt.

Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt, deute auf noch offene Fragen bei der Aufarbeitung der Abgas-Affäre hin. „Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet - dafür wird sie ihre Gründe haben“, sagte Aufsichtsratsmitglied Lies. Inhaltlich lägen der rot-grünen Landesregierung jedoch keine neuen Informationen vor: „Es gibt aber auch keine Erkenntnisse, die gegen eine Entlastung sprechen - insofern haben wir uns enthalten.“ Lies deutete an, dass eine Verschiebung der Entscheidung eine weitere Option gewesen wäre.

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