"Volkswagen soll die Marke Seat aufgeben"

Die schlechte Produktivität bei VW ist ein Riesen-Problem
Laut dem deutschem Auto-Papst Ferdinand Dudenhöffer sollte Volkswagen künftig voll auf die Marke Skoda setzen.

Auf der Hauptversammlung des Volkswagen-Konzerns (610.000 Mitarbeiter) am Mittwoch in Hannover wird dem Management um Matthias Müller und dem Aufsichtsrat ein Sturm der Entrüstung entgegenwehen. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), ein Verein von Aktionären, wird eine unabhängige Sonderprüfung verlangen, um die Schuldfrage in der Diesel-Affäre aufzuklären. Auch wenn diesem Antrag nur geringe Erfolgschancen eingeräumt werden, so wird diese Sitzung so gemütlich werden wie ein Picknick bei Hagelschauer. Aber auch andere Aktionäre werden der Führung wegen der späten Bekanntgabe der Abgas-Manipulationen durch eine Schummelsoftware die Leviten lesen.

Indes hat VW-Chef Müller schon vergangene Woche einen radikalen Umbau des Wolfsburger Autoherstellers angekündigt. Doch bei VW muss an sehr vielen Schrauben gedreht werden. Unterm Strich werden durch die Neuaufstellung des Konzerns viele Arbeitsplätze wackeln – vor allem außerhalb Deutschlands. Laut dem deutschen Auto-Papst Ferdinand Dudenhöffer, er gilt als einer der besten Kenner des Volkswagen-Konzerns, sollten unter anderem die italienische Motorrad-Marke Ducati verkauft und die spanische Automarke Seat geopfert werden.

"Volkswagen soll die Marke Seat aufgeben"
Bremen/ ARCHIV: Ferdinand Dudenhoeffer, Professor im Fachgebiet Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universitaet Duisburg-Essen, in Bremen beim Symposium "Mobilitaet der Zukunft - Realitaet und Vision" (Foto vom 30.10.10). Automobilexperte Ferdinand Dudenhoeffer fordert weitgehende Massnahmen zur Bevorzugung von Elektroautos. "Die Kommunen sollten darueber nachdenken, ob in den Innenstaedten kuenftig Elektroautos Vorrang haben sollten. Freie Fahrt auf Busspuren, besondere Parkplatzangebote oder Umweltzonen nur fuer Fahrzeuge mit Elektroantrieb und Foerderung von Elektro-Car-Sharing - das waere der richtige Weg", sagte Dudenhoeffer der "Passauer Neuen Presse" (Dienstagausgabe vom 02.10.12). Er warnte vor einem Ende der Elektrofahrzeug-Technologie. "Wir erleben gerade den Tod des Elektroautos. Wenn es so weitergeht, werden wir das Elektroauto schon in wenigen Jahren im Museum sehen." (zu dapd-Text) Foto: Focke Strangmann/dapd
"Die Synergien zwischen einem Auto und einem Motorrad sind genauso groß wie zwischen einem Flugzeug und einem U-Boot. Und es stellt sich auch die Frage, braucht man die Marke Seat wirklich", sagt Professor Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen, zum KURIER. "Seat hat Vertriebskosten, da läuft man weg und weint. Man könnte stattdessen in den Seat-Werken Skodas bauen." Nachsatz: "Die Verluste, die Seat dem Konzern eingebracht hat, kann man bis zum Ende der Welt nicht mehr verdienen."

Skoda in die USA

Auch würde VW durch das Auflassen der Marke Seat viel Geld im Marketing einsparen. Der Autobauer Seat beschäftigt 14.000 Mitarbeiter in drei Werken in Spanien und setzte 2015 rund 8,6 Milliarden Euro um.

VW vom US-Markt nehmen

Dudenhöffer rät den Wolfsburgern auch, die Marke VW vom US-Markt zu nehmen. "VW hat in den USA seit Jahren einen Marktanteil unter zwei Prozent. Dann haben sie dort eine Fabrik hingebaut und das hat auch nichts geholfen", sagt der Professor. "Dann kommt noch der Schummel-Diesel dazu, damit ist die Marke ganz kaputt." Nachsatz: "Jetzt kann ich eine kaputte Marke hochpäppeln, das kostet mich aber mehr, als wenn ich eine unverbrauchte Marke wie Skoda auf den US-Markt bringe." Vor allem die SUV-Modelle von Skoda könnten in Amerika punkten. Demnächst kommt der neue SUV Skoda Kodiaq auf den Markt, den dem US-Autogeschmack entsprechen wird.

Erste gute Schritte

Im Werk in Chattanooga im Bundesstaat Tennessee ließen sich "wunderschöne Skodas produzieren". Derzeit sei das Werk nur zu 40 Prozent ausgelastet. Dass VW-Boss Müller die Sparte Komponenten und Zulieferung, die 67.000 Mitarbeiter an 26 Standorten auf fünf Kontinenten beschäftigt, in einem Unternehmen bündeln will, hält der Experte für zielführend. "Der Schritt, das Komponenten- und Zuliefergeschäft unter einen Hut zu bringen, das schließt später nicht aus, dass dieser Kram verselbstständigt wird", sagt Dudenhöffer zum KURIER. Oder anders gesagt: VW könnte diese Sparte irgendwann dann ganz aus dem Konzern ausgliedern.

Mobilität und E-Autos

Auch den Einstieg der Wolfsburger ins Carsharing-Geschäft hält der Autoexperte für eine wichtige Entscheidung in Richtung Mobilität; wie auch das 265 Millionen Euro teure Investment in den Uber-Konkurrenten und Fahrten-Dienstleister Gett. Zugleich lobt der Auto-Papst Müllers Pläne, die Produktion von E-Autos zur Kernaufgabe zu machen. "Elektro-Autos zu bauen, wäre unter der Führung von Ferdinand Piech und Martin Winterkorn nie gegangen", sagt Dudenhöffer. "Jetzt überlegt man bei VW sogar, ein Batteriewerk in Salzgitter zu errichten." Detail am Rande: Die Mitbewerber BMW und Daimler/Mercedes haben mit ihren erfolgreichen Carsharing-Marken DriveNow und Car2go einen meilenweiten Vorsprung vor dem Carsharing-Neuling aus Wolfsburg.

Schlechte Produktivität

Doch vieles liegt in Wolfsburg noch im Argen. Die Produktivität der Marke VW ist schlecht. Laut Dudenhöffer machte VW 2015 pro Pkw 475 Euro Gewinn. Zum Vergleich: Bei Ford betrug der Gewinn 1191 Euro und bei Toyota 1862 Euro. Bei VW kostet ein Mitarbeiter 7249 Euro im Monat, bei Audi 6641 und bei Skoda nur 2330 Euro.

"Volkswagen soll die Marke Seat aufgeben"

Weitere Ermittlungen

Indes hat die deutsche Finanzaufsicht Bafin weitere (ehemalige) VW-Vorstände bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Ursprünglich ist vor allem Ex-VW-Chef Martin Winterkorn ins Visier der Justiz geraten. Der Verdacht: Marktmanipulation. Die Anklagebehörde geht dem Verdacht nach, dass die VW-Bosse die Abgasaffäre "möglicherweise bewusst verspätet eingestanden haben, um den Aktienkurs zu manipulieren".

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