VW-Aufsichtsrat zieht Sitzung auf heutigen Montagabend vor

Vorstandschef Diess und Aufsichtsratschef Pötsch angeklagt
AR-Chef Pötsch soll am Wochenende mit wichtigsten Akteuren die Frage einer Verlängerung von Konzernchef Diess erörtert haben.

Im Machtkampf bei Volkswagen hat der Aufsichtsrat seine für diese Woche geplante Sitzung vorgezogen. Das Gremium solle bereits am Montagabend zusammenkommen, um eine Lösung im Konflikt über eine vorzeitige Vertragsverlängerung von Konzernchef Herbert Diess zu finden, sagte eine mit den Beratungen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Eine andere Person bestätigte das Treffen.

Einer der Insider sagte, Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch habe am Wochenende weitere Gespräche mit den wichtigsten Akteuren geführt. Von Volkswagen war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Ursprünglich sollte der Aufsichtsrat erst am Donnerstag erneut tagen.

Das Kontrollgremium hatte vergangene Woche erst eine geplante Sitzung auf Mittwochabend vorgezogen, um einen Ausweg aus der Führungskrise zu finden. Das Treffen wurde jedoch nach kurzer Zeit vertagt, weil sich keine Annäherung abzeichnete.

Insidern zufolge beharrte Konzernchef Diess auf einer vorzeitigen Verlängerung seines bis 2023 laufenden Vertrages und verknüpft dies mit Forderungen bei der Besetzung und dem Zuschnitt von Vorstandsressorts. Große Teile des Aufsichtsrates fühlten sich dadurch erpresst. Kritisiert wurde, dass der höchste Angestellte des Konzerns dem Kontrollrat Vorgaben machen wolle.

"Er will alles oder nichts", sagte eine Person mit Kenntnis der Beratungen.

Der 62-Jährige Diess hat mehrfach klargemacht, dass er die aus seiner Sicht verkrusteten Strukturen in Wolfsburg aufbrechen und Volkswagen flexibler machen wolle, um in der Transformation der Branche zu bestehen. Wiederholt kam es dabei zum Streit mit Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh, aus dessen Sicht Diess selbstherrlich agiert. Audi-Betriebsratschef Peter Mosch sagte der "Augsburger Allgemeinen" vergangene Woche indes, er rechne damit, dass Diess zu Kompromissen bereit sei. "Niemand will, dass Diess aufhört." Es gebe auf Arbeitnehmerseite keine Forderungen, dass der Volkswagen-Chef frühzeitig gehen solle. "Wir wollen mit Diess die nächsten Jahre weiterarbeiten", sagte Mosch, der auch im Aufsichtsrat von Volkswagen sitzt. Eine vorzeitige Vertragsverlängerung stehe jedoch nicht zur Debatte.

Diess war Anfang Juni knapp einer Entlassung entgangen, nachdem er dem Aufsichtsratspräsidium bei einer Managementtagung "Straftaten" vorgeworfen hatte. Damals war sein Wunsch nach einem neuen Vertrag durch einen Magazinbericht öffentlich geworden. In der Folge musste sich Diess beim Aufsichtsrat entschuldigen, verlor aber die Verantwortung für die Hauptmarke VW, die er bis dahin neben seinen Aufgaben als Konzernchef leitete.

Konzernkenner vermuten, dass er dies als Entmachtung empfand und daher nun umso stärker auf eine Vertragsverlängerung als Vertrauensvotum dafür dringt, dass der Aufsichtsrat ihn beim Umbau unterstützt. Dabei geht es auch um weitere Einsparungen.

Der frühere BMW-Manager war Mitte 2015 - wenige Wochen vor der Aufdeckung des Dieselskandals durch die US-Umweltbehörden - zu Volkswagen gekommen und treibt seither den Wechsel in die Elektromobilität voran. Unter seiner Leitung als Markenchef entstand der Elektrobaukasten MEB, auf dem die von VW entwickelten ID-Modelle basieren, mit denen die Wolfsburger an Tesla vorbeiziehen und zum größten E-Autobauer aufsteigen wollen. Experten rechnen schon im kommenden Jahr damit.

Der Aufsichtsrat hatte Diess erst jüngst mit einem Riesen-Budget von 73 Milliarden Euro für Zukunftsinvestitionen ausgestattet. Davon steckt der weltgrößte Autobauer bis 2025 allein 35 Milliarden Euro in neue E-Autos und die Umrüstung der Werke.

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