Warum Versicherungen künftig fast nur noch Online abgeschlossen werden
Seit gut zwei Monaten ist Getsafe auf dem österreichischen Markt. Das ist ein reiner Online-Versicherer, seit dem Vorjahr mit eigener Lizenz. Zielgruppe: Junge, die noch kaum versichert sind. Man will die Millennials und die Generation Z ansprechen, alle bis 35. „Ab dem 40. Lebensjahr bleibt das Versicherungsportfolio stabil“, erklärt Getsafe-Gründer Christian Wiens im KURIER-Gespräch.
Wiens hat Getsafe aus eigener Betroffenheit heraus gegründet – einem großen Schaden in seiner Studentenwohnung, der nach dem Auszug bei den Eltern nicht versichert war. Dabei habe er bemerkt, wie unübersichtlich die Papiere sind, die sich bei den Eltern angesammelt hatten. Das alles in einer App zusammenzufassen und in der App auch Versicherungsabschluss und Kontakt mit den Beraterinnen und Beratern zu ermöglichen, das war das Ziel hinter der Gründung.
In Österreich ist das Unternehmen mit einer Haushalts-, einer Hundehaftpflicht- und einer Haftpflicht-Versicherung am Markt. „Niemand will für den Abschluss einer Hundehaftpflichtversicherung mit einem Berater sprechen“, sagt Wiens – auch das war eine Motivation hinter der Gründung.
Österreich als dritter Markt
Seit einigen Monaten ist das Unternehmen lizenziert, also selbst Versicherer. Davor ist das Insurtech (Fachbegriff für Versicherungs-Techunternehmen) als sogenannter Assekuradeur tätig gewesen. In so einem Model ist ein anderer Großversicherer Risikoträger für die Polizzen.
Gegründet wurde Getsafe in Deutschland. Nach dem deutschen war der britische der zweite Markt, in den Getsafe gegangen ist, Österreich ist jetzt der dritte. Bis Ende des Jahres, spätestens 2023, soll Frankreich folgen. Auch Italien steht für das kommende Jahr auf der Expansionsliste. Danach sollen weitere Staaten in Süd- und Osteuropa sowie Skandinavien folgen. Details zu Umsatz oder genauer Kundenzahl in Österreich will Wiens nicht nennen. Es seien „einige Tausend“ Kundinnen und Kunden. Insgesamt sind es rund 370.000 und „über 200“ Mitarbeitende.
Wenig Mitbewerb
Allzu viele Mitbewerber am Markt – mit dem Fokus auf die Jungen – gebe es angesichts der hohen Kosten für ein Insurtech der Art von Getsafe nicht, sagt Wiens. Ein Beispiel ist Lemonade, das von den USA nun auch auf den europäischen Markt gegangen ist. Lemonade ist in den USA börsenotiert – etwas, was Getsafe auch für sich in Deutschland nicht ausschließt.
Zuvor wird es aber kommendes Jahr wohl eine weitere Finanzierungsrunde (Series-C) geben. Erst im Vorjahr wurden so 80 Millionen Euro eingesammelt. Ansonsten seien natürlich auch renommierte Versicherer theoretisch Mitbewerber, sagt Wiens. Allerdings würden die in der Zwickmühle stecken, dass ältere Kundinnen und Kunden ihre Polizzen wie gehabt auf Papier zugeschickt bekommen wollen, die Jungen wollen lieber das Digitale.
Apropos rein digital: Auch der Kontakt mit Expertinnen und Experten bei Getsafe erfolgt via Chat, oder, wenn gewünscht, via Telefon. Auch das Schadenservice bei Getsafe ist komplett digital.
Fokus auf Zielgruppe
Die junge Zielgruppe erreichen will man über Social- Media-Marketing, Partnerschaften (etwa mit Immosuchplattformen) und mitunter auch TV-Werbung. 100.000 Kundinnen und Kunden sollen es in Österreich in den kommenden Jahren werden. Neben der Expansion in verschiedene Märkte soll sich auch die Produktpalette von Getsafe stetig erweitern. Auch im Bereich Lebens- bzw. Krankenversicherung sowie Tierkrankenversicherung will man in Österreich bald Versicherungsprodukte anbieten. „Alles, was wir in Deutschland machen, wollen wir in den anderen Märkten replizieren.“
Ein anderes Geschäftsmodell, wenn auch ebenfalls in der Versicherungsbranche, verfolgt der Online-Versicherungsmakler Clark.
Online-Makler
Clark ist reiner Makler, vermittelt und verwaltet also Versicherungen, versichert aber nicht selbst. Clark wirbt damit, dass alle Versicherungen kompakt in der App beieinander seien. Wechselt man mit bestehenden Versicherungen zu Clark, wechseln die Polizzen weg vom bisherigen Makler bzw. Kundenbetreuer oder Kundenbetreuerin. Die Polizzen werden von Clark verwaltet – die Versicherungsgesellschaft im Hintergrund ist aber weiter für die Kundinnen und Kunden da.
Clark richtet sich an die Zielgruppe der „digital Affinen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren“, sagt Österreich-Chef Philip Steiner. Das wurde nicht zuletzt beim Markteintritt in Österreich auch durch intensive Influencer-Werbung auf Instagram deutlich. 25.000 Kundinnen und Kunden gibt es laut eigenen Angaben in Österreich, die Zahl der verkauften Produkte liegt bei 2.500. „In Österreich bekommt man die Provision erst, wenn man den Vertrag vermittelt bekommt.“ Erst wenn über Clark eine Versicherung abgeschlossen wird, gibt es also Provision für Clark. Aktuell arbeiten 12 Personen bei Clark in Österreich. In den kommenden vier Jahren sollen es 30 werden. Bei den Kundinnen und Kunden sei „eine sechsstellige Anzahl die Zielsetzung“.
Ehrgeizige Ziele
Wo viele Menschen noch unterversichert sind? Bisher sei die Berufsunfähigkeitsversicherung wenig beachtet. „Die Krankenversicherung ist in aller Munde, die Altersvorsorge wird gerne verdrängt, und die Berufsunfähigkeitsversicherung hat man nicht am Schirm“, so Steiner. Clark hat sich jedenfalls ehrgeizige Ziele gesetzt: Europas größter Makler zu werden.
Auf online setzen beim Versicherungsabschluss zwar auch die in Österreich größten Versicherer Generali, Wiener Städtische und Uniqa. Allerdings deutlich verhaltener als die Newcomer in diesem Business. Zwar können manche Produkte online abgeschlossen werden.
Die Generali nennt auf Nachfrage des KURIER „Haushaltsversicherungen sowie kurzfristige Auslandskrankenversicherung (für Studierende)“, die online abgeschlossen werden können. Via App ist auch noch ein „tageweiser Sofortschutz für Freizeit-Unfälle“ möglich.
Bei der Uniqa ist der Online-Abschluss für die „Reise-, Haushalts- und Rechtsschutzversicherung“ möglich.
Auch bei der Wiener Städtischen stünden „Versicherungen, die wenig Erklärungsbedarf haben“ im Fokus. Beispielsweise „Reiseversicherungen, Haushalts- und Unfallversicherungen für junge Menschen bis 27 Jahre, private Krankenversicherungen nach Unfällen oder diverse Versicherungen aus dem Nischen- und Freizeitbereich wie Drohnen- oder E-Bike-Versicherungen“, heißt es da. Klein- und Mittelunternehmen (KMU) können außerdem eine Cyber Protect-Versicherung online abschließen.
Einig sind sich die drei großen, vor allem analogen Versicherer: Gewisse Themen wie die Pensions- oder Gesundheitsvorsorgen bzw. die Absicherung des Lebens sind komplex und bedürfen einer Beratung. „Auch bei komplexeren Sachversicherungen wünschen sich Kund:innen den persönlichen Kontakt“, heißt es etwa von der Uniqa. Auch die Generali wolle jene Services anbieten, die jeweils am passendsten sind – „das heißt sowohl physisch, hybrid sowie rein digital“.
Die Wiener Städtische will weiterhin „die Beratung anbieten, die von Kundenseite gewünscht ist“. In einzelnen Sparten wie der Reiseversicherung sehe man, dass die Nachfrage bei diesem reinen Onlineprodukt gut ist. „Insgesamt rechnen wir beim Online-Abschluss weiterhin mit jährlichen Wachstumsraten im zweistelligen Prozent-Bereich.“
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