Versandhändler Michael Otto: „Apple regt mich wahnsinnig auf“
Michael Otto ist Aufsichtsratschef der familieneigenen Otto-Group, zu der 30 Unternehmen (von Otto Versand über Hermes bis Manufactum) gehören. Der 79-Jährige ist unter anderem Mitglied des Club of Rome und hat früh auf das Thema Nachhaltigkeit gesetzt.
KURIER: Otto will in Österreich bis 2030 doppelt so schnell wachsen wie der Markt. Wäre es für den Planeten nicht besser, wenn wir einfach mal weniger konsumieren?
Michael Otto: Wir brauchen nicht Wachstum über Quantität, sondern über Qualität. Das heißt, Kleidung muss länger getragen werden, Technik recycling- und reparaturfähig werden. Wir sind hier ständig mit Lieferanten im Clinch.
Zum Beispiel?
Apple regt mich wahnsinnig auf. Wenn der Akku des iPhones kaputt ist, muss man das ganze Handy wegwerfen, weil es so verklebt ist, dass man den Akku nicht tauschen kann. Schlicht, weil Apple neue Geräte verkaufen und Kasse machen will, obwohl der Konzern ohnehin Gewinne ohne Ende schreibt. Eine Sauerei. Aber wir können es nicht ändern, am Ende ist es Apple egal, wenn wir uns aufregen.
Michael Otto
Der 79-Jährige ist Aufsichtsratschef des Familienimperiums Otto Group. Zur Handels- und Dienstleistungsgruppe zählen 30 Firmen, darunter die Versandhändler Otto oder Quelle, das Handelshaus Manufactum, der Paketdienstleister Hermes oder die Hanseatic Bank. Michael Otto gehört zu den reichsten Deutschen
16,1 Milliarden Euro
setzte die Otto Group zuletzt um, davon 12,1 Mrd. im Onlinehandel. Die Gruppe zählt 44.000 Beschäftigte
Einer der größten Umweltverschmutzer der Welt ist die Textilindustrie. Die Färbung der Kleidung verpestet ganze Flüsse. Können sie da auch nur hilflos zusehen?
Nach dem Baumwollanbau ist der Färbeprozess in der Textilindustrie der wasserintensivste Prozess. Ich fahre nächste Woche nach Thailand und nach Vietnam, um mir einen neuen Färbeprozess anzusehen, der ohne Wasser auskommt. Wir arbeiten hier mit einer Firma zusammen. Deren Teile werden in einem ersten Schritt teurer sein, die Mehrkosten tragen wir und geben sie nicht an den Konsumenten weiter.
Sie sagen, über kurz oder lang werden Unternehmen die nicht nachhaltig produzieren, vom Markt verschwinden. Ist das in Zeiten der schwindenden Kaufkraft nicht ein Wunschdenken?
Ja, in den nächsten Jahren realistisch gesehen leider schon. Aber auf Dauer bin ich überzeugt davon. Dafür wird schon allein das Lieferkettengesetz sorgen, das übrigens auch Branchen betrifft, die sich bisher gar nicht um die Standards entlang der Wertschöpfungskette gekümmert haben. Die Autoindustrie, zum Beispiel.
Der Versandhandel ist mit seinen Verpackungsmaterialien und Retouren auch nicht gerade eine Entlastung der Umwelt ...
Er schneidet besser ab, als der stationäre Handel. Zu diesem Ergebnis kommen alle Studien, ob von St. Gallen oder dem MIT. Der CO2-Ausstoß ist demnach um ein Drittel geringer, die Retouren miteingerechnet.
Diese Rechnung müssen Sie erklären ...
Man kann sich unsere optimierten Routenpläne vorstellen wie Busfahrten, die auch vom CO2-Abdruck günstiger sind, als wenn jeder mit dem eigenen Auto losfährt. Außerdem brauchen wir weniger Energie, etwa für Beleuchtung oder Heizung.
Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt, dass die Klimakrise zu Klimakriegen führen wird. Können Sie das ausführen?
Wir erleben derzeit eine zunehmende Wüstenbildung, in Afrika wie auch in China. Darfur im Sudan, zum Beispiel. Der Krieg dort ist ein Klimakrieg. Die Nomaden konnten dort mit ihren Schafherden nicht mehr auf die Weide gehen, weil sich dort Wüsten gebildet hatten. Sie sind also weiter in den Westen gezogen, wo die Bauernvölker waren, die das natürlich nicht so gut gefunden haben. Nur ein Beispiel, wie es zu Kriegen kommt. Ähnliches sehen wir beim Aralsee, wo Wasser für den Baumwollanbau entnommen wird. Kein Wunder, dass dann Flüsse versickern und es im Umland zu Unruhen kommt.
Einen Krieg haben wir direkt vor der Haustür. Wie sehr macht Ihnen das Sorgen?
Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch erlebe, dass wir in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg noch mal Krieg haben. Wir müssen alles tun, um die Ukraine zu unterstützen, dass dieser Krieg zumindest nicht von Russland gewonnen wird. Sonst kommt als nächstes Georgien, Moldau ...
Währenddessen gehen bei uns die Wogen hoch, weil kommenden Winter die Heizschwammerl aus bleiben sollen. Geht es uns zu gut?
Ich glaube, man darf sich als Gesellschaft nicht spalten lassen. Das ist ja genau das, was Putin erreichen möchte.
Der Krieg führte zur Energiekrise. Atomkraftwerke sollen jetzt doch nicht abgeschaltet werden. Ein Rückschritt für die Ökobewegung, der Sie angehören?
Der Krieg führt natürlich momentan dazu, dass wir im Klimaschutz gewisse Rückschritte machen. Es ist natürlich schlimm, zu sehen, wie viele Kohlekraftwerke jetzt wieder angeworfen werden. Der Atomausstieg, zumindest in Deutschland, ist nicht reversibel. Laufzeitverlängerungen in Deutschland sind mit Blick auf die Alternativen – Stichwort Kohlekraft – abzuwägen. Aber wir erleben natürlich derzeit generell eine Wiederbelebung der Kernenergie, etwa in England, Osteuropa, China. Fürs Klima ist es okay, für die nachhaltige Entsorgungsproblematik nicht. Hier kann nur nachhaltige Energie die Lösung sein.
Deren Ausbau noch dauert ...
... und natürlich viel kostet. Aber später kostet die Wind- und Solarenergie keinen Cent mehr als heute fossile Energie. Wenn man sieht, dass man heute in Nordafrika oder Saudi-Arabien die Kilowattstunde für einen Cent produzieren kann, kann man sich vorstellen, dass grüner Wasserstoff für die produzierende Industrie durchaus machbar ist.
Machen wir uns abhängig vom nächsten Despoten?
Wir dürfen nicht den gleichen Fehler machen und wieder nur bei einem Abnehmer, wie Saudi-Arabien, kaufen.
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