USA galoppieren davon: Euro wird zum Leichtgewicht

Der Euro schwächelt - der Konjunktur tut das gut.
Euro fällt 2015 auf ein 15-Jahrestief, sagen Experten. Bei Anleihen drohen Einbußen.

Auf der Währungsschaukel fällt der Dollar immer stärker ins Gewicht: Die USA erleben eine „kräftige Erholung, über Kontinentaleuropa schwebt ein Fragezeichen“, sagt Iain Lindsay, einer der Strategiechefs für Veranlagungen bei Goldman Sachs Asset Management. Die Konsequenz: In den USA werden die Leitzinsen 2015 steigen – in der Eurozone ganz sicher nicht. Das lenkt die Geldströme über den Atlantik und stärkt den Dollar.

Der Euro könnte dadurch im Laufe des nächsten Jahres auf ein 15-Jahres-Tief von 1,15 Dollar (derzeit knapp über 1,27) sinken, prophezeit Valentin Hofstätter, Analyst bei der Raiffeisen Bank International (RBI). Das ist gut für die Exportwirtschaft, weil europäische Produkte für Abnehmer im Dollarraum billiger werden. Einfuhren werden dagegen teurer – was die Inflation etwas hochdrücken könnte. Wie von EZB-Chef Mario Draghi erhofft.

Im Bann der Zentralbank

Die Finanzmärkte stehen momentan völlig im Bann der Zentralbanken. Die derzeit noch überall tiefen Zinsen hatten zur Folge, dass die Anleger zu riskanteren Papieren griffen. Die jetzt auch kaum noch Ertrag abwerfen, weil die Kurse bereits so hoch gestiegen sind. Ein Beispiel sind hochriskante Unternehmensanleihen. „Die Anleihenkursgewinne in der Eurozone wird man nächstes Jahr wieder hergeben müssen“, warnt Hofstätter. Er rät daher, zu reduzieren oder ganz zu verkaufen.

„Die Ruhe an den Märkten ist trügerisch“, sagt auch Goldman-Sachs-Anleihenprofi Lindsay. Das Zinstief verleitet dazu, Risiken zu unterschätzen. „Da sollten die Alarmglocken läuten.“

Aktien im Plus

An den Börsen lässt sich noch Geld verdienen. Aber: Dass Aktien 20 Prozent oder mehr Rendite abwerfen, sei vorbei. „Wir sprechen jetzt eher von hohen einstelligen oder niedrigen zweistelligen Raten“, sagt Suneil Mahindru, der Chefstratege für globale Aktien bei Goldman Sachs. Kurzfristige Rückschläge müssten dabei einkalkuliert werden.

Zu Geldpolitik und Risiko: Wir erleben historisch niedrige Renditen. Dieses „neue Zeitalter“ wird Investoren noch drei bis fünf Jahre beschäftigen: Wir dürfen die Rendite nicht mehr als Maßstab für die Bewertung von Anleiheportfolien sehen. Die niedrigen Renditen werden begleitet von einer geringen Volatilität. Diese Ruhe ist aber trügerisch, da sich viele Investoren an die Situation „akklimatisiert“ haben. Da sollten die Alarmglocken läuten. Die Fed hat als integralen Bestandteil ihres Wegs zurück zu einer Normalisierung ihrer Richtlinien bewusst begonnen, an den Märkten wieder Risikoprämien zu etablieren. Dies sollte dazu führen, dass die Marktvolatilität wieder auf ein „normales“ Niveau steigt.

Zur Zinswende: Steigende Zinsen, wie sie sich in den USA abzeichnen, gelten zwar traditionell als schlecht für Anleihen-Investoren. Aber steigende Zinsen können auch in attraktive Investmentmöglichkeiten umgemünzt werden, wenn ein flexibler Ansatz verfolgt wird. Abseits von Staatsanleihen lassen sich gute Möglichkeiten finden – etwa bei Unternehmensanleihen, in Schuldtiteln von Schwellenmärkten oder bei Verbriefungen.

Zum Unterschied USA - Europa: In den USA und Großbritannien sehen wir eine kräftige Erholung, über Kontinentaleuropa schwebt ein Fragezeichen. Dieses Auseinanderklaffen im wirtschaftlichen Erfolg führt zu sehr interessanten Möglichkeiten für Investitionen in Bezug auf relative Werte, sowohl in den Anleihe- als auch in den Währungsmärkten. Aber wir glauben, dass die Märkte einen generell pessimistischen Blick auf Europa haben, während sie die Stärke und Nachhaltigkeit der Erholung in den USA nicht vollständig einpreisen.

Zu Europas Banken: Auch unter europäischen Bankanleihen gibt es attraktive Opportunitäten. Es gibt sehr gut geführte Banken, die ihre Kapitalstruktur in den vergangenen Jahren kräftig erhöht haben, durch eine Kombination aus regulatorischen Schuldverschreibungen, Kapitalerhöhungen und einbehaltenen Gewinnen. Insgesamt haben Europas Banken ihre Bilanzen in den letzten Jahren mit 400 Milliarden Euro zusätzlichem Kapital gestärkt. Dank des Bilanzchecks (Asset Quality Review) der EZB sind wir der Ansicht, dass der anstehende Stresstest die Gesundung des europäischen Banksystems zeigen wird. Danach wird die Bankenbranche, unter mithilfe des TLTRO (zweckgebundene Langzeitkredite der EZB), zu seinem Kerngeschäft der Kreditvergabe an Privatpersonen und Unternehmen zurückkehren.

Zur Aktienbewertung: Es stimmt, die Aktienkurse haben eine kräftige Rally hinter sich, aber die Unternehmen sind langfristig betrachtet nicht überbewertet. Allerdings hatten sich die Anleger an 20 Prozent und mehr Rendite gewöhnt – das ist vorbei, wir sprechen jetzt eher von hohen einstelligen oder niedrigen zweistelligen Raten. In diesem Zinsumfeld ist das immer noch sehr ordentlich.

Allerdings muss man sich auf kurzfristige Rückschläge gefasst machen. Wir sehen eine Zwei-Drittel-Chance, dass es in einem Jahr zu einem Rückgang der Aktienkurse von 5 Prozent oder mehr kommt und eine Drittel-Chance, dass dieser 10 Prozent oder höher ausfällt. Die Historie zeigt, dass 1994 und 2004 – also in Jahren, wo die Zinsen gestiegen sind – die US-Märkte um 8 Prozent eingebrochen sind. Allerdings waren die Folgejahre, also 1994 bis 2000 und 2000 bis 2007 außerordentliche gute Zeiträume für Aktieninvestments. Also: Die Erträge fallen geringer aus, die Schwankungen nehmen zu. Der langfristige Ausblick bleibt aber positiv.

Zum Ausblick für Europa: In Europa haben die Unternehmen ihre Kosten gesenkt, aber dadurch kann man die Gewinne nicht auf Dauer steigern. Dazu braucht es höhere Umsätze und somit Wachstum. In den USA sehen wir das schon, und das wird auch Europa helfen. Schwächt sich der Euro noch weiter ab, so sollte man das auch beim Wachstum in Europa sehen – mit ungefähr sechs bis zwölf Monaten Verzögerung.

Über irrationale Märkte und den Online-Hype: Vereinzelt lassen sich Anzeichen von Übertreibung erkennen. Weil so viel Geld in die Aktienmärkte geflossen ist, wird es generell schwieriger, attraktiv bewertete Unternehmen zu finden. Börsengänge wie jener von Alibaba sehen aber ganz anders aus als die Internet-IPOs von 1999 oder 2000. Das waren Unternehmen, die überhaupt keine Gewinne geschrieben haben. Alibaba hat alleine in einem Quartal zwei Milliarden Dollar verdient. Wesentlich sind zwei Fragen: Gehören die Unternehmen in fünf Jahren noch zu den Gewinnern? Und: Funktioniert das Geschäftsmodell, wenn Finanzierungen teurer werden?

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