Sightseeing mit der Stadtmineurin

Sightseeing mit der Stadtmineurin
In jeder Stadt steckt viel kostbares Metall. Altmetall-Händler haben einen Blick dafür.

Das Herz der Wienerstadt ist mitnichten aus Gold, es ist aus Bronze, aus Kupfer, aus Nirosta-Stahl und aus Eisen. Zumindest bekommt man diesen Eindruck, wenn man mit der Altmetall-Expertin und Recycling-Spezialistin Brigitte Kranner eine Runde über den Ring dreht.

Am Volksgarten bleibt sie stehen und schätzt den Zaun mit Kennerblick: „Zugegeben, Eisen ist nicht Kupfer, da liegt der Tonnenpreis derzeit bei rund 6000 Euro. Aber immerhin ist der aktuelle Kilopreis 10 Cent.“ In einer Nische des Zauns ist ein Julius-Raab-Denkmal aus Bronze eingelassen. Kranners Expertise: „3 Euro pro Kilo, aber wir wollen ja niemand auf falsche Gedanken bringen.“ Der reine Materialwert liegt zwischen 1000 und 1500 Euro.

Knapp und wertvoll

Sightseeing mit der Stadtmineurin
Rohstoffe sind ein knappes Gut in Europa. Der Energieaufwand bei ihrer Gewinnung ist beträchtlich. So rückt die Stadt mit ihrer metallhältigen Infrastruktur ins Blickfeld. Mittlerweile nimmt Metallrecycling – mit einem Modewort Urban Mining genannt – einen wichtigen Platz bei der Metallgewinnung ein (www.urbanmining.at). Sauber getrennter Kupferschrott hat den gleichen Wert wie neu aus Erz produziertes Kupfer. Beim Recycling von Aluminiumschrott werden nur fünf Prozent jener Energie verbraucht, die man für die Gewinnung aus Bauxit aufwendet.

„Das Eisenlager der Stadt wächst ständig an. Jeder von uns vergrößert das Depot pro Jahr um etwa 240 kg, ohne daran einen Gedanken zu verschwenden“, erläutert Kranner. Jeder Wiener sitzt auf 200 kg Kupfer, das meiste davon sieht man nicht, weil es in der Wand verlegt oder von Plastik umhüllt ist. Wer sich etwa eine neues Familienauto anschafft, verfügt damit über 0,98 t Eisen. In einem Einfamilienhaus sind 10 Tonnen Eisen verbaut. Dieser Vorrat ist auf Jahrzehnte gebunden. „Aber irgendwann wird er wieder verfügbar und dann ist es gut, wenn wir schon jetzt genaue Aufzeichnungen über diese Mengen führen.“

Brigitte Kranner ist gelernte Volks- und Hauptschullehrerin, die einen Altmetallhändler in 3. Generation geheiratet hat. „Ich hab’ mir geschworen, nie in einen Familienbetrieb einzusteigen.“ Fünf Ehejahre lang hielt der Vorsatz. Als die EDV-Umstellung der Firma anstand, war ihr Organisationstalent gefragt, und seitdem ist sie dem Charme des Schrottplatzes verfallen. Als Geschäftsführerin kann sie heute auf ihre pädagogische Erfahrung zurückgreifen. „Arbeiter müssen immer beschäftigt werden.“

Sightseeing mit der Stadtmineurin
Urban Mining, Brigitte Kranner
Die Chefin hat unten angefangen. „Ich hab Altmetall sortiert, bis ich die verschiedenen Farben und Formen unterscheiden konnte.“ Am Abend erinnerte neben aufgerissenen Handflächen der süßliche Geruch des Kupferstaubs an ihr Tagwerk.

Illegal und weg

Illegaler Müllexport ist heute ein Problem für Europas Industrie. Alleine aus Deutschland werden nach Schätzungen mehr als 150.000 Tonnen gebrauchter Elektro- und Elektronikgeräte nach Afrika und Asien ausgeführt, angeblich, um sie dort zu reparieren. Kühlschränke, Faxgeräte, Drucker, Telefone und Bügeleisen landen auf Müllhalden in Ghana und Nigeria. Die darin enthaltenen Metalle sind Milliarden wert. Sie werden von Kindern händisch zerlegt. Kupfer, Stahl, Aluminium, Eisen und Gold werden nach Asien weiter verkauft. Die begehrtesten Rohstoffe gehen aber verloren – die Seltenen Erden, die in Afrika nicht zurückgewonnen werden können. Nach Auswegen wird gesucht (siehe unten).Seltene Erden sind in Kranners Geschäft kein Thema, Kupferkabel schon: Selten, aber doch, sind sie dick. Dann sind sie von der Telekom – und verdächtig.

In jedem Mobiltelefon stecken etwa 9 Gramm Kupfer, 4 Gramm Kobalt, 250 mg Silber und 24 Milligramm Gold. Dazu kommen 9 mg Palladium. Ganz zu schweigen von den weniger bekannten Metallen Tantal, Neodym, Indium oder Yttrium. In Summe stecken in allen Mobiltelefonen der Welt 1750 Tonnen Silber, 168 Tonnen Gold, 63 Tonnen Palladium.

Für Unternehmer ein profitables Geschäft – für Umweltschützer der Weg, die Vergiftung der Erde und des Wassers zu vermeiden.

Vor allem die großen Rohstoff-Reserven Grönlands stehen seit einiger Zeit im Visier.

Auch bei uns lagern wahre Schätze an Alt-Handys in Schubladen: Die Österreicher horten geschätzte sechs Millionen Mobiltelefone. Das Recycling der Seltenen Erden und strategischen Metalle steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. „Mit den bekannten technischen Verfahren können wir aus dem Elektroschrott Kupfer und Gold zurückgewinnen“, sagt Kerstin Kuchta, die an der TU Hamburg-Harburg forscht. In einer Tonne Handy-Schrott stecken bis zu 300 Gramm Gold. Für die Seltenen Erden gibt es noch kein ausgereiftes Verfahren, um die Stoffe in großem Stil zurückzugewinnen.

Das könnte in fünf bis zehn Jahren soweit sein, schätzt die Wissenschaftlerin. „Die Erkenntnis, dass diese Rohstoffe knapp und kostbar sind, ist in der Industrie angekommen“. Kuchta beobachtet, dass sich die Anstrengungen von Wissenschaft und Wirtschaft deutlich verbessert hätten.

Chinas Quasimonopol

Jährlich werden etwa 130.000 Tonnen Seltene Erden produziert, fast ausschließlich in China. In anderen Ländern sind durchaus Vorkommen vorhanden, sie wurden bisher aber noch nicht gefördert. „China macht den Markt immer mehr zu“, sagt die Forscherin. Als Seltene Erden werden 17 chemische Elemente bezeichnet, die für die Industrie wertvolle Eigenschaften besitzen. Sie werden benötigt, um Computer, Mobiltelefone, Batterien oder Flachbildschirme zu bauen.

Allein in Deutschland könnten 100 bis 500 Tonnen durch Recycling zurückgewonnen werden. „Das sind kleine Mengen, aber auch damit ließe sich der Markt etwas entspannen.“ Die Miniaturisierung der Elektronik schreite weiter voran, sodass auch geringere Mengen Seltener Erden benötigt würden.

In den elektronischen Geräten sind nicht nur wertvolle Materialien verbaut, sondern auch giftige Stoffe. Die verschiedenen Stoffe zu trennen und aufzuarbeiten ist technisch sehr anspruchsvoll. Um das Recycling zu erleichtern, sollte nach Expertenansicht bereits bei der Konstruktion neuer Geräte auf die mögliche Wiederverwendung der Wertstoffe geachtet werden.

Boom-Branche. „Sprechen Sie mit mir über Umsätze und Sie zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht“, sagt Brigitte Kranner. Ein bemerkenswerter Aufstieg für eine Berufssparte, die man durchaus als derb beschreiben könnte. Kranner spricht lieber von „bodenständig“

„Schrotthändler ist ein Job mit Zukunft“, berichtet die deutsche Wochenzeitung Die Zeit. Der Altmetall-Tandler von früher, der mit seinem Fuhrwerk herumgefahren ist und „Hadern, Fetzen, altes Eisen“ ausgerufen hat, ist nur noch Erinnerung. Die Metall-Branche wird dominiert von großen Recycling-Unternehmern, die Altmetall aufkaufen und damit große Umsätze erwirtschaften.

Metalle auseinanderzuhalten ist nicht so einfach, wie man glaubt. Die Schrott-Teiler müssen die Eigenarten des Materials kennen, Farbunterschiede allein reichen nicht. Einige Metalle unterscheidet man anhand der Funkenfarbe, andere durch ihre magnetischen Eigenschaften. Altmetallhändlerin Kranner hält einen kleinen Magneten an eines der Geländer vor dem Parlament. „So kann ich Eisen von Nicht-Eisen trennen.“

Wichtiges Indiz ist natürlich auch das Gewicht. Aluminium ist leicht, Blei dagegen sehr schwer. Kranner: „Wenn Blei auf dem Boden aufschlägt, dann klingt das so wie der lateinische Name: Plumbum.“

Kommentare