Unternehmer Zöchling: „Wir bemerken einen neuen Klassenkampf“
Remus-Chef Stephan Zöchling erklärt, warum er sich zivilgesellschaftlich gegen Feindbilder und Sündenböcke engagiert, wie er zur Politik steht, und was er von Russland hält, wo er jahrelang arbeitete
Er sei ein guter Mensch, aber sicher kein Gutmensch, sagt der Remus-Miteigentümer.
KURIER:Warum finanzieren Sie eine überparteiliche Kampagne gegen aggressive Politik unter dem Titel #ZusammenStärker mit Slogans wie „Hass schafft keinen Arbeitsplatz“?
Stephan Zöchling: Uns Unternehmer sorgt, dass die extremen politischen Ränder stärker werden. Das hat man jüngst auch bei den Landtagswahlen in Deutschland gesehen. Das ist eine sehr gefährliche Entwicklung auch für den Wirtschaftsstandort.
„Uns“ ist wer?
Ich glaube, dass ich für viele Unternehmen und mittelständische Betriebe spreche. Wir brauchen Bedingungen, die es uns ermöglichen, gut zu wirtschaften, Arbeitsplätze zu erhalten und Investitionen zu tätigen.
In Wirtschaftskreisen regt man sich aber auch über die herkömmliche Politik auf. Haben Sie nicht klammheimlich manchmal auch den Gedanken: „Alles Trottel, keiner kümmert sich um uns“?
Ich würde das keinesfalls so formulieren, weil wir auch für eine Abrüstung der Worte und eine neue Sachlichkeit eintreten. In den meisten Parteien gibt es ja auch vernünftige Kräfte. Ich bin in regem Austausch mit Leuten aus ÖVP und SPÖ. Ich habe eine solide Gesprächsbasis zu meinem Freund Sepp Schellhorn und zu Beate Meinl-Reisinger (beide Neos). Und am Ende des Tages muss man fragen: Wer kann’s?
Wenden Sie sich auch gegen radikale Tendenzen in Mitte-Parteien?
Wir sprechen uns generell gegen eine Politik der Feindbilder und Sündenböcke aus. Solche Tendenzen gibt es auch bei Mitte-Parteien. Wir bemerken einen neuen Klassenkampf. Beim Vorwurf des „Ausbeuters“ und „Kapitalisten“ übersieht man die vielen sozialen Aktivitäten der Betriebe. Remus unterstützt zum Beispiel seit Jahren den Schulstart für die Mitarbeiter. Am rechten Rand sind immer „die Ausländer“ an allem schuld.
Unterstützen Sie nicht vor allem Schwarz und Pink?
Wir geben bewusst keine Wahlempfehlung ab, sondern warnen, dass das Land Gefahr läuft, in eine Unregierbarkeit zu schlittern und sich wirtschaftlich selbst zu schaden. Eine Festung Österreich kreieren zu wollen, ist genauso schädlich wie die Fantasie, mit immer weniger Arbeit und immer höheren Steuern mehr Wohlstand zu schaffen. Am Ende des Tages machen dann große Investoren einen Bogen um unser Land.
Wie viel Geld kostet Sie diese Kampagne?
Einen substanziellen Betrag. Aber das ist es mir als Unternehmer und Vater von drei Töchtern wert, damit Österreich nach der Wahl nicht mit großem Kopfweh aufwacht.
Zum ausführliche KURIER TV-Gespräch mit Unternehmer Zöchling
Hat nicht auch die herkömmliche Politik versagt, weswegen die Ränder wachsen?
Mit Sicherheit. Es sind keine einfachen Zeiten für Regierungen, aber es sind auch Fehler gemacht worden. In der Sozialpolitik hat man gelegentlich das Gefühl, nicht in einem Sozial-, sondern in einem Asozialstaat zu leben: Jene, die wirklich etwas brauchen, kriegen es nicht – und die, die es nicht unbedingt bräuchten, bekommen es nachgeworfen. Auch in der Wirtschaftspolitik fehlt mir manchmal die Kompetenz. Ich würde mir mehr Minister wünschen, die schon mal Gehälter zahlen mussten.
Warum wagen Wirtschaftsleute nicht den Sprung in die Politik?
Weil Politik ein Beruf ist, den man lernen muss. Davor habe ich Respekt. Auch ich würde keine Woche in der Politik überleben.
Reizt Sie die Politik also gar nicht?
Natürlich reizt sie mich. Reizen oder eine aktive Rolle spielen sind jedoch zweierlei Paar Schuhe. Wenn ich mir außerdem das Wochenprogramm von Politikern anschaue, möchte ich nicht tauschen.
Sie gelten durchaus nicht als Gutmensch, haben zwei Remus-Betriebsräte geklagt.
Ich bin ein guter Mensch, sicher kein Gutmensch. Gutmenschen wollen Gutes tun mit dem Geld anderer Leute. Was die Betriebsräte betrifft: Wir mussten Personal abbauen wegen einer vom Kunden verlangten Produktverlagerung ins Ausland. Die Betriebsräte sind mit den Gekündigten unter Beteiligung der Arbeiterkammer vor das Arbeitsgericht gezogen. Aber ein 21-jähriger Facharbeiter, der sofort wieder einen Job im Bezirk findet, ist kein sozialer Härtefall. Das haben wir als Rechtsmissbrauch empfunden. 32 von 38 Klagen haben wir gewonnen.
Remus ist auf Auspuffanlagen spezialisiert, E-Autos haben keinen Auspuff. Hat Ihr Geschäft Zukunft?
Ja, denn in der Industrie passiert gerade ein Salto rückwärts, weil es ja auch um Export geht.
Ist so ein Strategiewechsel der Autoindustrie nicht schwierig?
Ja und nein, aber den Verbrennermotor gibt es ja noch, sowie weitere Technologien, die zur CO2-Reduktion beitragen. Bei E-Autos ist sowohl die Entsorgung als auch die Herstellung der Batterien problematisch. Man hätte ja zunächst einmal Kerosin höher besteuern können. Es ist nicht notwendig, um neun Euro nach Barcelona fliegen zu können.
Sie haben sieben Jahre lang in Russland für den Oligarchen Oleg Deripaska und den Industriellen Siegfried Wolf gearbeitet. Manche meinen, Sie seien Strohmann Haselsteiners für Russland-Geschäfte. Ich betrachte es als großes Privileg, mit Hans-Peter Haselsteiner zusammenzuarbeiten und befreundet zu sein. Aber in keiner Funktion bin ich je Strohmann oder Treuhänder gewesen. Ich wüsste auch nicht, wieso er so was brauchen sollte.
Sie haben um kolportierte 240 Millionen Euro die Reste der aufgrund der Sanktionen abgewickelten Sberbank Wien gekauft. Es hätte damit ein letztlich geplatztes Tauschgeschäft gegeben: Die Raiffeisenbank International hätte das Sberbank-Vermögen in Wien bekommen und ihr Geld damit aus Russland rausbekommen.
Die RBI war als Abwicklungsbank involviert. In einer zweiten Transaktion hat die Sberbank Moskau die Aktien an der Strabag-Aktionärin Raspera erworben und wollte diese nach Österreich ausschütten. Damit wäre Deripaska aus der Strabag ausgestiegen, und die RBI hätte Ausschüttungen aus Moskau zurückbekommen. Das wurde jedoch von der EZB untersagt, was widersprüchlich ist, denn die EZB fordert ja europäische Banken auf, sich aus Russland zurückzuziehen. Das wäre eine legale Möglichkeit gewesen.
Haben Sie Kontakt zu Deripaska?
Nein. Zu manchen früheren russischen Kollegen gibt es Kontakt. Diese haben unter den Sanktionen gelitten, sich nun aber neu aufgestellt. Einigen geht es besser als vorher.
Natürlich musste man auf die Aggression Russlands reagieren.
Keine Frage. Insgesamt ist das eine sehr tragische Entwicklung. Ich frage mich, ob die Annexion der Krim und der Ukraine-Krieg vielleicht verhinderbar gewesen wären, wenn die EU in den frühen 2000er-Jahren Russland enger eingebunden hätte. Man hätte russische Rohstoffe gegen europäische Industrie tauschen können. Die wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen hat es gegeben. So landen die Rohstoffe nun in China und in Indien.
Nein. Nach meinem Kenntnisstand haben es selbst Putin nahestehende Oligarchen nicht erwartet. Jetzt wiederum sind sie über die Schwäche Russlands überrascht.
Leider ist keine Lösung des Ukrainekrieges in Sicht.
Ich höre, dass es auf beiden Seiten Versuche gibt, den Krieg bis zum Frühjahr zu beenden. Das wäre jedenfalls begrüßenswert. Danach wird man sehen, wie die Beziehungen Russlands zur westlichen Welt wieder normalisiert werden können – was auch im Interesse Europas wäre. Als sich die Europäer aus Russland zurückzogen, waren sofort die Südamerikaner da, außerdem Delegationen aus Afrika, Indien, China. Europa tut immer so, als wäre es die Welt, aber wir stellen nur sechs Prozent der Weltbevölkerung und sollten nicht glauben, dass wir irgendwo auf der Welt Vorrechte haben.
Die Kampagne Stephan Zöchling hat eine Kampagne gegen das Wachsen radikaler politischer Ränder finanziert und initiiert. Unterstützer sind u. a. Brigitte Ederer, Susanne Riess-Hahn, Elisabeth Gürtler
Das Unternehmen Remus produziert hochwertige Auspuffanlagen und hat weltweit 850 Angestellte. Eigentümer sind Zöchling und Hans-Peter Haselsteiner
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