Ungarns „innovative“ Bankbürden

Ungarns „innovative“ Bankbürden
Bank-Austria-Osteuropachef Papa: Finanzsektor musste bisher 3,6 Milliarden Euro schlucken

KURIER: Sie haben oft betont, die Bank Austria habe in keinem einzigen Quartal Geld verloren. Seit Ende 2012 stimmt das nicht mehr. Ein Alarmsignal?
Gianni Franco Papa: Wir haben immer gesagt, dass wir als Gruppe jedes Jahr Gewinn erwirtschaftet haben, und das stimmt unverändert. Im Geschäft in Zentral- und Osteuropa (CEE) inklusive Türkei, für das ich zuständig bin, haben wir auch in keinem einzigen Quartal Geld verloren. 2012 betrug der Nettogewinn der Osteuropa-Division 1350 Millionen Euro.

Einige Länder der Region stecken in der Rezession. Sogar solide Länder wie Polen oder Slowakei schwächeln. Kreditausfallsraten nehmen zu. Wie gehen sich da Gewinne aus?
Weil wir gut sind. (lacht) Ernsthaft: 2012 endete schwächer als vorhergesagt. Sechs Länder waren in Rezession, für die Tschechische Republik kam das überraschend. Uns hilft, dass wir breit diversifiziert sind. CEE ist kein uniformer Block, wir sind in 16 Ländern, die sich sehr unterschiedlich entwickeln.

Ungarns Regierung kritisiert die hohen Gewinne der Banken. Die Margen in Osteuropa sind tatsächlich höher. Zahlen Kunden dort mehr für Kredite?
Nein, definitiv nicht. Ich will aber eines unterstreichen: Es ist nichts falsch daran, mit ordentlichen Geschäften Gewinne zu machen. Nur mit gesunden Banken kann sich die Wirtschaft entwickeln. Was passiert, wenn die Banken Verluste machen, sehen wir in vielen Ländern.

Wie erklären Sie die Gewinne?
Ein Grund ist die höhere Effizienz. Die osteuropäischen Märkte sind jung, alle Banken haben auf schlanke Strukturen und moderne Technologie geachtet. Das senkt Kosten. Die Idee, Kunden und Unternehmen in Osteuropa müssen unverhältnismäßig mehr zahlen als Westeuropäer, ist falsch. Der Preis reflektiert höhere Kosten für Liquidität, für Länder- und Kundenrisiko. Die Zeit, als aus aller Welt Geld in die Region geflossen ist und Risiken ausgeblendet waren, ist vorbei.

Ungarn hat Maßnahmen angekündigt, die für die Banken erneut teuer werden könnten. Sind die Banken in diese Verhandlungen eingebunden?
Der ungarische Banken-Verband spricht laufend mit der Regierung. Es ist aber schwer vorherzusagen, was Premierminister Orbán und seine Regierung planen. In den letzten Jahren waren sie sehr innovativ.

Ist innovativ ein Euphemismus?
Sagen wir so: Die Ungarn nehmen Probleme sehr innovativ in Angriff. Dann und wann wird etwas angekündigt. Nächstes Jahr sind Wahlen, auch das spielt eine Rolle. Aber hier wird mit dem Feuer gespielt. Ungarn wird schon sehr skeptisch gesehen, es wird weniger investiert. Den Preis zahlen multinationale Unternehmen – nicht nur Banken, auch Telekom und Handel.

Wie sehr war die Bank Austria in Ungarn bisher betroffen?
Die Banken-Sondersteuer hätte 2013 um die Hälfte sinken sollen, das wurde nicht eingehalten. Das Programm, das ungarischen Kunden ermöglicht, Fremdwährungskredite mit Abschlag zurückzuzahlen, hat uns weniger betroffen als andere. Wir haben Schweizer-Franken-Kredite im Wert von 500 Millionen Euro, das ist nicht so viel. Stärker trifft uns wegen der vielen Geschäftskunden die Finanztransaktionssteuer FTT. Die Einnahmen für den Staat blieben aber hinter den Erwartungen zurück, weil die Kunden die Zahl der Transaktionen reduziert haben. Deshalb gibt es eine FTT2: Der Betrag von Jänner bis Mai wird einfach für den Rest des Jahres um 208 Prozent erhöht.

Wie hoch sind dadurch die Gesamtkosten in Ungarn?
Der ungarische Bankenverband schätzt die Kosten der Regierungsmaßnahmen seit 2010 für den Sektor auf rund 3,6 Milliarden Euro. Wir können diese Belastungen besser verdauen als andere. Unsere Bank ist in Ungarn eine der wenigen, die Gewinne macht.

Auch in Kroatien droht nach einem Gerichtsurteil die Zwangsumwandlung von Fremdwährungskrediten. Die BA-Tochter Zagrebačka banka ist mit 26 Prozent Marktanteil die größte Bank. Wie teuer würde das?
Wir haben ein Kreditportfolio in Schweizer Franken von etwa 700 Millionen Euro. Kein wirklich großer Anteil – wir sind damit als Letzte eingestiegen und haben als Erste aufgehört. Einige Banken vergeben übrigens seit Anfang 2013 wieder Frankenkredite.

Auch österreichische Banken?
Nein, keine österreichischen.

Welchen Verlust würde die Zwangskonvertierung der Frankenkredite verursachen?
Das Urteil hat 160 Seiten und ist sehr komplex. Es geht nicht nur um Währungskurse, sondern um fixe und flexible Zinskonditionen und so weiter. Ich möchte nicht vorgreifen: Alle Banken haben das Urteil beeinsprucht.

Wie hoch ist das gesamte Fremdwährungsrisiko der Bank?
Sofort nach der Fusion mit der Bank Austria 2005 hat unsere Gruppe die Vergabe von Fremdwährungskrediten eingestellt. Italiens Banken hatten 1993 sehr schlechte Erfahrungen mit Hypothekenkrediten in Ecu (dem Euro-Vorläufer, Anm.) gemacht, als die Lira stark abwertete. Unser Anteil an Krediten in Schweizer Franken ist deshalb recht klein: 2 Prozent, ein Bruchteil unseres Kredit-Portfolios von 74 Milliarden Euro (etwa1,5 Mrd. Euro). Bei dem Thema wird oft übersehen: Vor 10 oder 15 Jahren wäre es für Banken praktisch unmöglich gewesen, langfristige Kredite in lokalen Währungen zu vergeben. Dafür waren die Finanzmärkte noch gar nicht entwickelt.

Was sehen jetzt Ihre Pläne in Kroatien und Ungarn aus?
Wir sind in Kroatien der größte Player, eine weitere Expansion wäre schwer möglich. In Ungarn beobachten wir die Situation genau. Wir würden die Wirtschaft gerne besser mit Krediten unterstützen. Dafür braucht es aber zwei – auch die Regierung.

Die Vergangenheit holt die Banken ein: Nicht nur in Kroatien kündigen sich Verluste bei Fremdwährungskrediten an. Auch in Ungarn droht Ungemach: Wirtschaftsminister Mihaly Varga hat den Auftrag, Hypothekenkredite in Schweizer Franken „so rasch wie möglich“ vom Markt zu nehmen. Das solle keine Jahre dauern, sagte er zum Finanzportal Portfolio. Nächste Woche wird mit den Banken über die Lastenteilung verhandelt. Der Staat könne freilich keine hohen Kosten schultern, sonst würde man ein EU-Defizitverfahren riskieren. Die Regierung in Budapest bestätigte dem KURIER die Pläne, nannte aber keine Details. Schlimmstenfalls bleiben die Banken auf Ausfällen in Milliarden-Euro-Höhe sitzen. Auf Ungarns Bevölkerung lasten hohe Schulden: Mitte 2010 hatten die Haushalte Fremdwährungskredite von umgerechnet 26 Mrd. Euro ausständig, 90 Prozent davon in Schweizer Franken. Hypothekenkredite machten 19 Mrd. Euro aus. Weil die Landeswährung Forint in den letzten fünf Jahren gut 40 Prozent Wert zum Franken verloren hat, können sich viele Ungarn die Raten nicht mehr leisten. Tausende haben ihr Haus verloren. Vor zwei Jahren mussten die Banken erstmals Kredite tauschen und Verluste hinnehmen. Das nächste Drohszenario: Varga will auch Forint-Kreditnehmer entlasten – sie dürften nicht schlechter gestellt sein. Neben dem ungarischen Marktführer OTP und der belgischen KBC sind Erste Group, BayernLB, Raiffeisen und Bank Austria in Ungarn prominent vertreten.

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