Rupprechter führt Energieallianz gegen Merkel an
Es handelt sich diesmal nicht um Flüchtlinge und trotzdem bahnt sich ein Zwist zwischen Österreich und Deutschland an. Denn Andrä Rupprechter spricht im Gespräch mit dem deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel das aus, was sich derzeit viele Minister, die in ihren Ländern mit den Agenden Umwelt und Klima zu tun haben, denken: "Deutschland produziert zu viel billigen Strom."
Der Österreicher führt derzeit Gespräche in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten, um gegen Angela Merkel eine Energieallianz zu schmieden. Denn die Bundeskanzlerin, die in Deutschland den Umstieg auf erneuerbare Energie in den vergangenen Jahren immer mehr forciert hat, sorgt bei den Nachbarländern und der Europäischen Union für Kritik. Durch den billigen Kohlestrom, den Deutschland produziert, schaffen die Nachbarländer ihre Energiewende nicht, schreibt Der Spiegel.
Billigstrom aus Deutschland sorgt für Verluste
"Die Richtung der deutschen Energiewende ist falsch", wird Rupprechter zitiert. Mit dem Billigstrom rechne sich eine Investition in Wasserkraft oder Windkraft ohne staatliche Hilfe nicht mehr. Vor allem Sturmtiefs wie "Heini" im November des Vorjahres würden den Umstieg auf erneuerbare Energien torpedieren. Wenn sie mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 170 Stundenkilometern über Norddeutschland hinwegfegen, liefern die deutschen Windräder so viel Energie, wie ganz Berlin an 20 Tagen benötigt. Der nicht benötigte Strom verhält sich ähnlich wie Wasser und sucht sich den geringsten Widerstand. Den findet er in solchen Fällen in den Stromnetzen der Nachbarn: Dänemark, Niederlande, Polen, Tschechien - und Österreich. Doch deren Systeme sind nicht für derartige Strommassen ausgelegt und weil die Kohleproduktion an solchen Tagen einfach weiterläuft, drückt die deutsche Überproduktion die Strompreise europaweit deutlich nach unten. Die heimischen Kraftwerke machen Verluste.
"Jean-Claude Juncker will Europa zum Vorreiter bei erneuerbaren Energien machen. Ich nehme ihn beim Wort. Derzeit sind wir davon noch weit entfernt."
In Polen "wehrt" man sich schon dagegen. An der Grenze zu Deutschland hat die Regierung den Stromfluss mit sogenannten Phasenschiebertransformatoren blockiert. Österreich hingegen will mit neuen Regelungen gegen die schmutzige Energie aus dem Nachbarland wehren. Übrigens wird in Deutschland mit einem Anteil von 24 Prozent Braunkohle und 18 Prozent Steinkohle deutlich mehr Strom aus Kohle als aus regenerativen Energien (30 Prozent) produziert. Das stößt dem österreichischen Umweltminister sauer auf. "Deutschland muss raus aus der Kohle, und zwar ziemlich schnell", sagt er.
Wie? EU-Länder sollen verpflichtet werden, "spürbare" Abgaben auf den Ausstoß an Kohlendioxid zu erheben, um bei der Kohleproduktion die Bremse zu ziehen. Das würde die Großhandelspreise verteuern und so den Betrieb von Wind-, Sonnen und Wasserkraftwerken wieder attraktiver machen.
Energiewende ohne Absprache "war ein großer Fehler"
Und hier möchte Rupprechter weiter ansetzen, und zwar mit einem entsprechenden Protokoll, das alle EU-Staaten verpflichtet, erneuerbare Energie zu fördern. "Jean-Claude Juncker will Europa zum Vorreiter bei erneuerbaren Energien machen. Ich nehme ihn beim Wort. Derzeit sind wir davon noch weit entfernt", sagt er zum Spiegel. "Spätestens wenn Österreich 2018 den Ratsvorsitz in der EU innehat, wollen wir Nägel mit Köpfen machen." Gespräche mit Bulgarien und Rumänien, die vor und nach Österreich die Ratspräsidentschaft innehaben, laufen bereits.
Besonders pikant ist, dass Europa die Klimaschutzziele, die im Pariser Klimaschutzvertrag festgesetzt sind, verfehlt, weil Deutschland weiterhin auf Kohle setzt. "Bundeskanzlerin Merkel hat das Wort von der Dekarbonisierung beim G-7-Gipfel in Elmau selbst geprägt. Sie sollte es jetzt auch ernst nehmen und die Bedingungen dafür schaffen", sagt Rupprechter.
Unterstützung bekommt er vom Chef der Abgeordneten von CDU und CSU im Europaparlament, Herbert Reul. "Die Entscheidung, die Energiewende zu machen, ohne vorher mit den europäischen Nachbarn zu reden, war ein großer Fehler."
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