Trump öffnet den Chinesen unfreiwillig Türen

Kündigung des Asien-Handelspaktes TPP stellt den bisherigen Außenseiter China ins Zentrum. Und stärkt somit Peking.

Überraschend war der Schritt nicht: Im Wahlkampf war Trumps Ankündigung, den USA-Asien-Handelspakt TPP (Trans-Pazifische Partnerschaft) gleich am ersten Tag seiner Amtszeit aufzukündigen, ein viel bejubelter Dauerbrenner. Zwölf Pazifik-Anrainerstaaten hatten den Vertrag unterzeichnet, in Kraft getreten war er aber noch nicht. Und wird er mit dem Austritt der USA auch nicht. Vorerst zumindest. Denn die verbliebenen elf Staaten – darunter Japan, Australien, Neuseeland oder auch Kanada und Mexiko – überlegen, den Pakt zu retten.

Und das könnte ausgerechnet den bisherigen TPP-Außenseiter China prominent ins Spiel bringen. Australiens Ministerpräsident Malcolm Turnbull betonte, man wolle auch ohne die USA weitermachen. Die Amerikaner machen aber etwa 60 Prozent des Wirtschaftsvolumens der TPP-Unterzeichner aus. Ohne ein wirkliches Schwergewicht wäre die Wirkung der Handelserleichterungen zu vernachlässigen. Turnbull brachte deshalb die andere große Regionalmacht ins Spiel: Schließlich könne doch auch China bei TPP mitwirken.

Ironie der Geschichte

Damit hätte Trump unfreiwillig seinem größten Gegenspieler auf der Welthandelsbühne die Tür geöffnet. Denn Vorgänger Barack Obama wollte mit TPP die chinesische Handelsmacht im asiatischen Raum begrenzen. Die Idee war, wichtige Wirtschaftspartner im Vorhof Chinas enger an die USA zu binden. Und gleichzeitig sollten mit TPP westliche Standards für den Handel festgeschrieben werden, die auch für China zu gelten hätten, wenn die Volksrepublik dem Bündnis später beigetreten wäre. Die USA wollten ihre Standards setzen, bevor es die Chinesen tun, lautete Obamas Credo. Mit Trumps Rückzieher ist diese Idee gescheitert.

Die offene Frage ist, ob China überhaupt willens ist, anstelle der USA in Verhandlungen über TPP zu treten. Weil sie bei TPP ausgeschlossen waren, verfolgten die Chinesen bisher nämlich die Strategie, ein eigenes Abkommen zu schmieden. Bei den Verhandlungen zu RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership, also umfassende regionale Wirtschaftspartnerschaft) waren neben China auch Indien, Japan, Südkorea, Neuseeland und zehn südostasiatische ASEAN-Staaten wie Indonesien, Philippinen und Thailand beteiligt. Und in RCEP spielen Regulierungen wie Arbeitsrechte, soziale oder Umweltstandards so gut wie gar keine Rolle.

EU mahnt Japan zur Eile

Neue Chancen wittert auch die EU-Kommission. Bisher waren die Europäer bei ihren Handelsabkommen gegenüber den USA stets einen Schritt hintennach. Das könnte sich jetzt aber mit dem TPP-Scheitern ändern - vorausgesetzt, die EU-Verhandler schaffen es, die geplanten Abkommen mit Japan, Australien oder Neuseeland auch tatsächlich abzuschließen. Am weitesten fortgeschritten ist der geplante Vertrag mit Japan, der eigentlich heuer abgeschlossen werden sollte. Allerdings brachte ein Treffen der Verhandler im Dezember 2016 kaum Fortschritte. Es spießt sich am Marktzugang, die Japaner zögern, EU-Lebensmittel ins Land zu lassen.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström rief ihren japanischen Kollegen Fumio Kishida in einem mit 20. Jänner datierten Brief auf, die politischen Hürden rasch zu beseitigen. Die Schwedin drückt dabei ordentlich auf die Tube: Noch vor dem offiziellen Brüssel-Besuch von Premiere Shinzo Abe im März soll ein Treffen zustandekommen, um Kompromisse auszuloten.

Charmeoffensive von China

Auch China verliert keine Zeit, um in die US-Fußstapfen zu treten. In Davos gab Präsident Xi Jinping jedenfalls bereits eine Art Empfehlungsschreiben ab, dass China die neue globale Führungskraft in Sachen Freihandel werden will. Die Globalisierung sei nicht verantwortlich für die Probleme der Welt wie Flüchtlingskrise, Armut oder die Einkommenskluft in manchen Ländern. Im Gegenteil: Wenn es dem Handel und der Weltwirtschaft schlechter ginge, werde es umso schwerer, dieUngleichheit zu bekämpfen. Und: „Ob es Ihnen gefällt oder nicht, dem globalen Ozean der Globalisierung entkommt man nicht“, sagte Xi, offenkundig auf Trump gemünzt.

China habe vor 25 Jahren selbst Zweifel gehabt, ob es der Welthandelsorganisation WTO beitreten solle, sagte Xi. Man habe Lehrgeld gezahlt, die Entscheidung sei aber richtig gewesen. Die negativen Begleiterscheinungen müssten durch bessere Aufsicht und Regulierung politisch beantwortet werden, so Xi. Das sollte offenkundig jene Kritiker beeindrucken, die China vorwerfen, den freien Handel nur in Sonntagsreden zu befürworten – und in Wahrheit eine ebenso protektionistische und egoistische Agenda zu betreiben, wie sie Trump jetzt vorschwebt.

Japan hofft noch

So ganz hat sich Japan noch nicht mit dem Ausscheren der USA abgefunden. Laut der Nachrichtenagentur Jiji Press hofft die Regierung in Tokio, Trump noch zu einem Umdenken bewegen zu können. Finanzminister Taro Aso kündigte an, in Washington um Verständnis für die „strategische und wirtschaftliche Bedeutung“ von TPP zu werben. Und Außenminister Fumio Kishida wurde mit den Worten zitiert, dass schließlich auch die USA nach dem Krieg sehr vom freien Handel profitiert hätten.

Das galt bisher eigentlich als unumstößliche wirtschaftlichpolitische Doktrin der Republikaner in den USA. Dann kam Trump.

Trump öffnet den Chinesen unfreiwillig Türen

Bei der Fülle der Akronyme in Sachen Freihandel kann man leicht den Überblick verlieren. So darf TPP trotz der Ähnlichkeit nicht mit dem umstrittenen EU-USA-Handelspakt TTIP verwechselt werden. Die Gemeinsamkeiten: An beiden Abkommen sollten die USA beteiligt sein. Und beide sind spätestens mit dem Amtsantritt von Trump so gut wie obsolet geworden. Der Unterschied: Sie betreffen unterschiedliche Weltregionen bzw. Weltmeere: TTIP ist das Trans-Atlantik-Abkommen, TPP das Trans-Pazifikabkommen.

Was genau ist TPP?

Nach sieben Jahren Verhandlung hatten die USA 2016 mit elf Handelspartnern rund um den Pazifik die Schaffung der größten Freihandelszone der Welt vereinbart. Der Vertrag über die Transpazifische Partnerschaft (TPP) wurde im Februar 2016 in Auckland unterzeichnet, wurde aber zwischenzeitig nur von Japan ratifiziert.

Vertragspartner sollten die USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, Mexiko, Chile, Peru, Vietnam, Malaysia, Brunei und Singapur sein. Namentlich China ist nicht dabei. Die TPP-Länder repräsentieren 800 Millionen Menschen und 40 Prozent der Weltwirtschaft.

In der Vertragszone sollten fast alle Zoll- und Importschranken fallen, die Urheber- und Markenrechte geschützt und Mindeststandards für Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte festgeschrieben werden. Das Abkommen regelt auch Dienstleistungen und Finanzgeschäfte.

Kritikern gehen die Mindeststandards nicht weit genug. Sie argumentieren, das Abkommen sei auf Profitmaximierung multinationaler Unternehmen ausgelegt und die Armen blieben auf der Strecke. Zudem erlaube das Konfliktregelungsverfahren den Konzernen, Staaten am üblichen Rechtsweg vorbei in einem Drittland zu.

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