Tourismusdebatte: Warum wir die deutschen Gäste brauchen
Noch gibt es nur vier Gründe, um in Österreich das Haus zu verlassen. Noch haben Schulen, Hotels und Restaurants geschlossen. Noch ist an Urlaub in und außerhalb Österreichs nicht zu denken. Noch. Denn Ende April – so sich die Zahl der Infektionen auf dem derzeit niedrigen Niveau halten – könnten Schritte gesetzt werden, die mehr Alltagsleben verheißen.
Das bedeutet auch, an Sommerferien denken zu dürfen. Zumindest stellt das Tourismusministerin Elisabeth Köstinger in Aussicht. Sie hat in einem Interview mit der Presse am Sonntag mit dem Vorschlag aufhorchen lassen, die Grenzen zu Deutschland wieder zu öffnen. „Die Einschränkung der Reisefreiheit wird uns in den nächsten Monaten noch erhalten bleiben. Wenn Länder aber auch auf einem sehr guten und positiven Weg sind, wie beispielsweise Deutschland, dann gibt es durchaus auch die Möglichkeit, dass man sich bilateral einigt“, sagte Köstinger.
Wie realistisch ist der Urlaub an einem heimischen See? Wie wahrscheinlich ein Strandurlaub? Und warum sind die deutschen Gäste so wichtig? Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Wie wichtig sind Urlauber aus dem Ausland in der Sommersaison?
Sehr wichtig, da 70 Prozent der Gästenächtigungen ohne sie wegfallen würden. Der mit Abstand wichtigste Herkunftsmarkt ist Deutschland mit einem Nächtigungsanteil von 37 Prozent.
Wären alle Bundesländer gleichermaßen stark betroffen?
„Nein, es gibt ein starkes Ost-West-Gefälle“, sagt Jürgen Weiß, Tourismusexperte der Statistik Austria. 80 Prozent der Nächtigungen deutscher Urlauber entfallen auf die Bundesländer Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten. In Tirol hängen 55 Prozent der Gästenächtigungen an deutschen Urlaubern. Zum Vergleich: „Im Burgenland entfallen 75 Prozent aller Nächtigungen auf Gäste aus dem Inland, in Vorarlberg sind es nur zwölf Prozent“, rechnet Weiß vor.
Wie viel Geld würde Österreich verlieren, wenn keine Gäste mehr nach Österreich reisen?
„2019 haben ausländische Gäste 20,5 Milliarden Euro in Österreich ausgegeben“, sagt Weiß. Knapp die Hälfte davon – 9, 2 Milliarden – kamen von deutschen Gästen.
Können wir das Ausbleiben deutscher Gäste nicht dadurch kompensieren, dass wir selbst mehr Urlaub im eigenen Land machen?
Das wird schwierig. Die Österreicher sind mit einem Nächtigungsanteil von 30 Prozent in der Sommersaison (im Winter 22 Prozent) schon jetzt der zweitwichtigste Herkunftsmarkt. Zudem bezweifeln Experten, dass die Urlaubslust heuer besonders groß sein wird. Grund dafür sind unter anderem Unsicherheiten am Jobmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen steigt, jene der Menschen in Kurzarbeit ebenso. Dazu kommt, dass viele jetzt ihre Urlaubstage abbauen (müssen) und im Sommer vielleicht gar keine Zeit für Reisen haben werden.
Wie viele Nächte verbringen die Österreicher traditionell im Ausland?
37 Millionen Nächte, rechnet Oliver Fritz von Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) vor. Beliebte Destinationen wie Italien oder Spanien dürften heuer aber infolge der Coronakrise stark leiden. Fritz: „Wenn wir uns von diesem Umsatzkuchen ein Stück abholen können, bringt das schon viel.“
Was sagt eigentlich das Gesundheitsministerium zum Vorschlag, die Grenzen nach Deutschland wieder zu öffnen?
Der Wunsch der Tourismuswirtschaft ist dort freilich nachvollziehbar. Wann es so weit kommt, wird aber von der Entwicklung der Corona-Zahlen in Österreich und international abhängen, heißt es aus dem Ministerium. Es werde zu gegebener Zeit die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen prüfen.
Derzeit sind die Hotels in Österreich ja noch geschlossen. Wann sperren sie überhaupt wieder auf?
Die Politik will Ende April einen Stufenplan zur Wiedereröffnung der Betriebe präsentieren. Aller Voraussicht nach werden als erstes Selbstversorgerappartements eröffnen. Wie Hotels mit Frühstücksbuffets umgehen, ist noch nicht endgültig geklärt. Um nicht zu viele Personen zugleich am Buffet zu haben, wird etwa an gestaffelte Frühstückszeiten nachgedacht. Hoteliersvertreter fürchten, dass Buffets überhaupt verboten werden. Für sie würde das mehr Personalaufwand bedeuten, was angesichts der schlechten Buchungslage für viele wirtschaftlich nicht leistbar sein wird. Zudem ist auch nicht geklärt, wann ausländische Mitarbeiter wieder einreisen dürfen.
Wäre es schlimm, wenn einige Hotels zusperren müssten?
Selbst über die Frage, ob Österreich nicht zu viele Tourismusbetriebe hat, wird in Expertengruppen bereits diskutiert. Es geht darum, Hoteliers einen Ausstieg zu ermöglichen, ohne dabei (aufgrund der hohen Verkehrswerte der Betriebe und der damit verbundenen Steuerzahlungen) in den Privatkonkurs zu schlittern.
Was ist für Freibäder geplant?
Wann und unter welchen Bedingungen die Bäder und andere Tourismusbetriebe wieder aufsperren dürfen, wird frühestens Ende des Monats präsentiert.
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