Alte Klischees und der "Glücksfall Wurst"

Typisches Bild: Asiatische Gruppe auf Europa-Tour. In China ist Wien aber auch Honeymoon-Destination.
Mit Mozart und Sissi nach Asien und mit Conchita Wurst zur Tourismusmesse nach Berlin.

Die Touristiker wissen, wo die Musik spielt. In Asien, wo sich immer mehr Menschen einen Urlaub leisten. Dagegen sind große Zuwächse bei Gästen aus Osteuropa schon "gegessen", sagt Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung, auf der ITB, der größten Tourismusmesse der Welt. Diese geht diese Woche in Berlin über die Bühne. Österreich will nun also neue Gäste aus Asien umgarnen – mit alten Klischees wie Mozart und Sissi. Aber auch mit der hohen Lebensqualität in Österreich. Angesichts der schlechten Luft in Städten wie Peking ein Verkaufsargument.

Am leichtesten erreicht man Asiaten aber über Kunst, im speziellen Musik, sind sich alle auf der ITB einig. Mozart und "The Sound of Music" lauten die Stichworte. Davon kann das Land Salzburg mit jährlich 350.000 asiatischen Gästen ein Lied singen. "Ausgabefreudig" seien die Japaner, Chinesen und Koreaner, verweist Salzburg-Land-Tourismus-Chef Leo Bauernberger auf klingende Kassen in der Getreidegasse. Wegen der Natur kommen die wenigsten. Und geht dann doch einmal eine asiatische Reisegruppe wandern, muss man etwa die doppelte Zeit für die Wegstrecke einrechnen, "weil sie dauernd stehen bleiben und fotografieren", so Bauernberger.

Bali oder Wien

Norbert Kettner, Chef des Wien Tourismus, profitiert vom Sissi-Kult und davon, dass Wien in China als romantische Stadt gilt. Chinesische Reiseveranstalter hätten Wien sogar als zweitbeste Adresse für Hochzeitsreisen gereiht (nach Bali). Kein Zufall also, dass Wien über die chinesische Version von Youtube das chinesische Traumpaar gesucht hat. Immerhin 1,3 Mio. Zugriffe gab es und 270 Paare, die einen Wien-Urlaub gewinnen wollten.

Werbung ist in China überhaupt nur online möglich, etwa über Positionierungen auf Webseiten von Fluglinien. Diese übernehmen übrigens immer öfter auch den Job von Reisebüros – weil sie damit besser verdienen als mit dem bloßen Verkauf der Tickets. Wien ist schon mit vielen asiatischen Veranstaltern im Geschäft, hat 2014 um 26 Prozent mehr Südkoreaner und Taiwaner in die Stadt geholt. Zum Vergleich: Österreichweit hat sich die Zahl der asiatischen Gäste zwar auf 1,6 Millionen im Jahr verdoppelt – allerdings im Zeitraum 1995 bis 2015.

"Bis 2020 könnten wir den Anteil der Asiaten an den Ankünften von derzeit 4 auf 7 Prozent nahezu verdoppeln", sagt Stolba. In absoluten Zahlen wären das laut Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner 1,2 Millionen Touristen zusätzlich.

"Glücksfall" Wurst

Abseits von Asien will Österreich sein Mozart- und Sissi-Image abstreifen. Für Kettner ist Conchita Wurst "ein Glücksfall". Er hat die Songcontest-Gewinnerin zur ITB nach Berlin mitgenommen. Der Berliner Morgenpost ist Frau Wurst eine ganze Seite wert. Vom Urlaubsland Österreich ist dabei aber nicht die Rede, sondern von den 700 Euro teuren Schuhen, die Conchita in Berlin bei der Präsentation ihre Buches trug.

Mitterlehner rechnet damit, dass der Song Contest zusätzliche Umsätze in der Höhe von 26,5 Millionen Euro und langfristige Effekte bringt. Die Journalisten, die vom Wettbewerb berichten, sollen jedenfalls neue Bilder von Österreich in die Welt tragen. Unter anderem werden sie zum Bungeejumping auf den Donauturm eingeladen.

Die Verkehrsbüro-Gruppe ist mit den Ruefa-Reisebüros, den Austria-Trend-Hotels, einer Beteiligung an Motel One und Eurotours der größte Tourismuskonzern Österreichs. Generaldirektor Harald Nograsek über das Bettenangebot beim Song Contest in Wien, den Ärger über neue Konkurrenz von Airbnb und Hellas-Urlauber.

KURIER: Die Verkehrsbüro-Gruppe hat rund 20 Hotels in Wien. Wird der Song Contest die Kassen klingen lassen?

Harald Nograsek: In Wien gibt es 65.000 Gästebetten, ich denke nicht, dass der Song Contest mit vielleicht 6000 Übernachtungen alles auf den Kopf stellen wird. Mai ist generell Hochsaison in der Hotellerie.

Wird er wenigstens nachhaltige Effekte bringen?

Vielleicht. Zumindest könnte er helfen, Wien modern zu präsentieren und ein Stück weit vom Mozartkugel-Image wegzubringen.

Hotels haben mit Airbnb eine neue Konkurrenz bekommen. Spüren Sie das schon in Wien?

Noch nicht, aber ich sag immer "wehret den Anfängen". Was da passiert, finde ich nicht okay. Das ist nichts anderes als Pfuscharbeit.

Ein Pfusch?

Ja, die Anbieter auf Airbnb zahlen möglicherweise keine Steuern, keine Ortstaxe, müssen sich an keine Brandschutzbestimmungen und Auflagen halten. Das ist kein fairer Wettbewerb. Egal, ob jemand auf Airbnb ein Zimmer anbietet oder im großen Stil 100 Zimmer auf die Plattform stellt – es müssen für alle die gleichen Regeln gelten.

Von San Francisco bis Amsterdam müssen Airbnb-Nutzer nun doch Steuern zahlen ...

Jaja, genau. Ich frag mich nur, wer das kontrolliert. Was kommt als Nächstes? Eine Plattform, auf der Fliesenleger Schwarzarbeit offiziell zum Dumpingpreis anbieten?

Apropos Preis: den Familien bleibt am Ende des Monats weniger Geld in der Haushaltskasse. Merken Sie das bei den Buchungen?

Ja, Familien reisen im Juli und im August – da sind die Buchungen seit Jahren leicht rückläufig. Wir können das in der Nebensaison wettmachen. Da reisen dann die Pensionisten und Doppelverdiener. Allerdings verreisen sie immer kürzer.

Ägypten hat sich seit der Revolution nicht mehr von den Einbrüchen im Tourismus erholt. Sehen Sie erste Anzeichen für einen Aufschwung?

Es erholt sich langsam, aber man muss sagen, dass etwa das Geschäft mit Flusskreuzfahrten am Nil brachliegt. Badeurlaub in Hurghada ist jedoch wieder ganzjährig gefragt. Derzeit haben wir um ein Drittel mehr Ägypten-Buchungen als vor einem Jahr, wir liegen aber noch immer 40 Prozent unter dem Niveau von 2010. Vielleicht profitieren sie jetzt aber davon, dass wegen Unruhen weniger Leute in die Türkei wollen.

Die Türkei ist heuer nicht so gut gebucht?

Wir liegen 3, 4 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Vertreiben die Proteste in Athen noch Hellas-Urlauber?

Nein. Auf den Inseln ist ja von den Protesten auch nichts zu spüren. Wir haben heuer ein Buchungsplus von 15,4 Prozent gegenüber 2014.

Diese Woche geht in Berlin die ITB, die größte Tourismusmesse der Welt, über die Bühne. Sind Sie dort?

Ich nicht, aber viele unserer Mitarbeiter. Vor allem für die IT ist es wichtig, dort zu sein. Technische Neuerungen entscheiden, wer in der Vermarktung schneller ist und ins Geschäft kommt. Unser Geschäft ist immer mehr Technik-getrieben.

Ist die Pauschalreise nach wie vor ein Renner?

Vor allem Familien mögen Pauschalreisen, am liebsten all-inclusive. Sie wollen nicht rechnen müssen, wenn das Kind das dritte Eis und die vierte Cola an einem Tag haben will. Jene, die nicht so aufs Geld schauen müssen, reisen immer lieber in kleinen Gruppen. Dafür sind sie auch bereit zu zahlen.

Wie viele Reisen werden überhaupt noch übers Reisebüro gebucht?

Nur rund 15 Prozent. Dieser Anteil hat sich nicht gravierend geändert.

Werden Sie weiter an all Ihren aktuell 115 Ruefa-Reisebüros festhalten?

Ja. Viele kleine Reisebüros geben auf. Wir bekommen im Jahr rund zehn Angebote, Mitbewerber zu übernehmen und optimieren laufend unser Standortnetz.

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