Wenn zu viele Touristen zur Belastung werden
Es spielt sich ab in der Begegnungszone des Touristen-Hotspots Hallstatt. Wie schon in den vergangenen Jahren, sind die Gassen auch heuer wieder verstopft mit Besuchern, die zu Fuß die idyllische Ortschaft in Oberösterreich erkunden wollen. „Die Situation ist seit Jahren unverändert. Es sind einfach zu viele Tagestouristen da“, klagt Bürgermeister Alexander Scheutz (SPÖ). Er schätzt, dass täglich zwischen 5.000 und 7.000 Gäste nach Hallstatt kommen. Die 740 Einwohner des Ortes seien aufgrund der Situation „an der Grenze der Belastbarkeit“, sagt Scheutz im Gespräch mit dem KURIER.
Auch an anderen Orten in Europa führt der Massentourismus zum Unmut der ansässigen Bevölkerung. In Barcelona etwa gingen demonstrierende Bewohner erst kürzlich mit Spritzpistolen gegen Urlauber vor und versuchten, diese aus Restaurants zu vertreiben. Die Aktion reihte sich in eine Serie von Protesten ein, die im Frühjahr dieses Jahres auf den Kanarischen Inseln stattfanden und bei denen Zehntausende Menschen auf die Straßen gingen. Auch in Hallstatt gab es im Vorjahr bereits Demonstrationen der Einwohner.
Quantität statt Qualität
Das Problem mit dem Massentourismus ist die übermäßige Nutzung des öffentlichen Raums durch die Besucher. So werden etwa Natur- und Kultureinrichtungen oder auch für Besucher interessante Straßen und Plätze übermäßig stark frequentiert. Eine Folge sind hohe Verkehrs- und Umweltbelastungen. „Der Erlebnisraum der Gäste ist der Lebensraum der Bevölkerung“, sagt Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) dem KURIER. Als „warnende Beispiele“, die in der Vergangenheit „mehr auf die Quantität der Touristen anstatt auf die Qualität“ geachtet hätten, nennt sie die Städte Dubrovnik oder Venedig. In Letzterer wurde erst kürzlich die maximale Größe für Reisegruppen beschränkt (siehe Bericht rechts).
Große Mengen an Reisenden brächten laut Kraus-Winkler auch Infrastruktur und Raumplanung durcheinander, wenn es in Stadtvierteln mehr Urlaubsgäste als Einheimische gibt. „Dann sind beispielsweise Kindergärten dort, wo keine Einheimischen mehr wohnen“, meint Kraus-Winkler dazu und nennt als Beispiele Madrid oder Mallorca. Eine Ursache dafür sei die unregulierte Kurzzeitvermietung über Plattformen wie Airbnb, die auch die Mieten in den betroffenen Gegenden ansteigen lassen.
Um das Problem einzudämmen, laufen auf Bundesebene gerade die Vorbereitungen für ein nationales Beherbergungsregister, in dem sich alle Anbieter künftig registrieren müssen. In Wien gelten seit kurzem strengere Regeln für die Kurzzeitvermietung. Wer über Plattformen vermietet, darf dies nur noch höchstens für 90 Tage im Jahr tun. Eine darüber hinaus gehende Gesamtvermietdauer bedarf einer Genehmigung.
Tourismusakzeptanz
Um herauszufinden, ob sich der Massentourismus in einer Region oder Ortschaft negativ auswirkt, setzt Kraus-Winkler darauf, auf die Stimmung in der Bevölkerung zu hören. Seit 2020 werden jährlich etwa 2.500 Menschen befragt, um die Tourismusakzeptanz auf Bundesländer- und regionaler Ebene zu messen. Diese Erhebung sei bewährt, „um die Einstellung der Bevölkerung langfristig zu messen und negativen Entwicklungen frühzeitig zu begegnen“, sagt die Staatssekretärin. Der Fremdenverkehr sei zwar in vielen abgelegenen Regionen ein „Wohlstandsbringer und Wirtschaftsmotor“, dennoch: „Ohne die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung hat der Tourismus keine Zukunft.“
Wird die Einstellung der Einheimischen gegenüber Urlaubsgästen schlechter, gibt es Möglichkeiten, dem Massentourismus entgegenzutreten, wie etwa Zeitslots für Besuchergruppen, Eintrittsgebühren oder Kapazitätsbeschränkungen. Mit Broschüren, Austauschplattformen für die regionalen Vertreter und einem „Informations- und Monitoringsystem“ will Kraus-Winkler Ländern und Gemeinden Unterstützung bieten. Konkrete Maßnahmen – wie etwa die gezielte Lenkung von Besucherströmen durch eine Ortschaft – müssten aber auf regionaler Ebene erfolgen, heißt es.
„Langfristig zielführend“
Hierfür können etwa Anreizsysteme eingeführt werden: Wien bewirbt etwa gezielt andere Bezirke als die Innere Stadt, um die Konzentration von Reisegruppen dort zu verhindern. „Langfristig zielführend“ nennt Kraus-Winkler auch digitale Möglichkeiten, um Ströme an Urlaubern zu entzerren und zu lenken. So nutzen etwa aktuell bereits fünf Pilotregionen anonymisierte Mobilfunkdaten, um zu sehen, wie sich Reisegruppen durch die Regionen bewegen.
Mario Pulker, Obmann des WKÖ-Fachverbandes Gastronomie, ist ebenfalls mit den Problemen des Massentourismus vertraut. Er nennt Dürnstein in der Wachau als Beispiel. Dort wurden Maßnahmen zur Regulierung der großen Urlaubermengen erfolgreich umgesetzt. Gemeinsam mit dem Tourismusverband wurden etwa Zeitslots für Besucherschiffe eingeführt, die am Donauufer anlegen.
Außerdem gehen die Gäste heute nicht mehr alleine durch Dürnstein, sondern werden von Reiseführern auf verschiedenen Routen durch den Ort geführt, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Gleichzeitig wird so sichergestellt, dass die Besucher die Grenzen der Einheimischen respektieren. „Wenn sie alleine unterwegs sind, glauben manche Besucher, dass der ganze Ort ein Museum ist und gehen sogar in Privathäuser hinein“, sagt Pulker.
Massentourismus stößt auf Gegenwehr
Spanien steuert erneut auf ein Rekordjahr im Tourismus zu. Bereits 2023 besuchten 85 Millionen Urlauber das Land – dieses Jahr sollen es noch mehr werden. Damit ist Spanien das am zweithäufigsten besuchte Land der Welt (nach Frankreich).
Die vielen Touristen sind zwar positiv für das Wirtschaftswachstum, viele Einheimische freuen sich aber gar nicht über den Ansturm an Gästen aus dem Ausland. Bereits im Frühjahr demonstrierten auf Teneriffa 55.000 Menschen gegen den Massentourismus. Gefordert wurde etwa die Einführung einer Umweltsteuer für Touristen sowie Maßnahmen zur Eindämmung von Kurzzeitvermietungen.
In Barcelona setzten die Einwohner auf unkonventionellen Protest: Anfang Juli bespritzten Tourismusgegner ausländische Besucher mit Wasserpistolen, um ihrem Ärger Luft zu machen. Auch in der spanischen Großstadt ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ein Problem, das von Plattformen wie Airbnb verschärft wird.
In Venedig setzt man bereits auf neue Maßnahmen: Von Reiseführen begleitete Touristengruppen dürfen nur noch maximal 25 Personen umfassen. Auch die Verwendung von Lautsprechern wird verboten. Die im April testweise eingeführten Gebühren für Tagesbesucher sollen zumindest an bestimmten Tagen wiedereingeführt werden. Wer sich den neuen Anordnungen widersetzt, muss mit Strafen bis zu 500 Euro rechnen.
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