Tiefseebergbau: Rest der Welt verhandelt Regeln, USA machen eigene

Ein Umweltschutzaktivist vor dem Explorationsschiff Hidden Gem, mit dem The Mining Company in der Tiefsee Rohstoffe schürfen will.
169 Staaten diskutieren, wie man am Meersboden Mineralien gewinnen sollte. Einigung ist nicht in Sicht, USA machen ihr eigenes Ding.

In der jamaikanischen Hauptstadt Kingston findet dieser Tage das 30. Treffen der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) statt. Am Montag hat die Versammlung von Vertretern aller 169 Mitgliedsstaaten begonnen. Das große gemeinsame Ziel ist es, ein Regelwerk für den Tiefseebergbau zu erstellen. Am Meeresgrund lagern jede Menge Rohstoffe, die für Elektronikgeräte, E-Autos, Medizintechnik und Rüstungsgüter benötigt werden. Das Interesse daran ist entsprechend groß. Viele Staaten und Unternehmen scharren gleichsam in den Startlöchern.

Der ISA-Exekutivrat hat in den vergangenen Wochen einen Entwurf mit 107 Vorschriften für den Abbau von Rohstoffen am Meeresboden in internationalen Gewässern erstellt. Der Entwurf wird in den kommenden Tagen von der Vollversammlung diskutiert. Ein Konsens wird nun aber bereits seit einem Jahrzehnt gesucht. Ob er diesmal gelingt, ist sehr fraglich.

Wissen über die Tiefsee noch sehr unvollständig

Eisen, NIckel, Kobalt, Kupfer und Mangan sind nur einige der Mineralien, die sich am Grund der Ozeane ablagern - entweder am Rand von hydrothermalen Tiefseequellen, an den Spitzen von Unterwassergebirgen oder in so genannten Manganknollen. An letzteren besteht das größte Interesse. Die etwa faustgroßen Klumpen sind reich an Mineralien und liegen wie Feldfrüchte am Meeresboden. Mit ferngesteuerten, fahrbaren Maschinen kann man sie selbst in Wassertiefen von mehreren Tausend Metern ernten und durch Schläuche in die Höhe pumpen.

Über die Existenz von Manganknollen weiß man schon seit den 1870er-Jahren Bescheid. Die Technologie, sie aus der Tiefsee zu holen, wurde aber erst in den vergangenen Jahrzehnten verfeinert. Die Meeresforschung konnte mit der technologischen Entwicklung nicht Schritt halten. Über die Tiefsee weiß die Menschheit bis heute sehr wenig. Aufgrund bisheriger wissenschaftlicher Erkenntnisse scheinen die mineralischen Ablagerungen am Meeresgrund allerdings eine wichtige Rolle in den Ökosystemen einzunehmen. Sie sollen etwa maßgeblich für die Sauerstoffproduktion in absoluter Dunkelheit sein.

Eine Tiefsee-Garnele neben Manganknollen in der Clarion-Clipperton-Zone, einem besonders rohstoffreichen Gebiet im Pazifik.

Eine Tiefsee-Garnele neben Manganknollen in der Clarion-Clipperton-Zone, einem besonders rohstoffreichen Gebiet im Pazifik.

Pro und Contra zum Tiefseebergbau

Befürworter des Tiefseebergbaus betonen stets, dass sich die fantastische Chance ergäbe, Mineralien im Meer ohne jene teilweise schlimmen Auswirkungen auf Umwelt und Menschen zu fördern, die an Land oft auftreten. Es müssten keine Wälder gerodet werden, es würde kein Trinkwasser vergiftet, Menschen müssten nicht mehr in einsturzgefährdeten Minen für einen Hungerlohn arbeiten.

Kritiker entgegnen, die Umweltzerstörung im Meer wäre genauso groß, nur weniger sichtbar. Der Abbau von Manganknollen etwa würde gewaltige Mengen an Sediment aufwirbeln, Lebensräume für viele Jahrzehnte - vielleicht sogar für immer - zerstören und durch massiven Lärm die Kommunikation und Navigation von Walen und Definen stören.

Auch Österreich gegen "Deep Sea Mining"

Der Widerstand gegen Tiefseebergbau wächst. 37 Staaten verlangen ein Moratorium für "Deep Sea Mining". Auch Österreich ist seit einem Jahr in diesem Kreis dabei. Im Pazifik, wo die Konzentration von Manganknollen besonders hoch ist, stellen sich Staaten wie Fiji, Vanuatu oder Neuseeland dagegen. Andere Staaten, wie Tonga, die Cook-Inseln oder Nauru befürworten den Tiefseebergbau dagegen.

USA ziehen Staaten auf ihre Seite

Nauru hat mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen schon genug negative Erfahrungen gemacht. Durch Phosphatabbau wurde Nauru in den 1970er-Jahren schwerreich, Korruption und Verschwendung warfen das Land wieder weit zurück. Die aufgelassenen Phosphatminen hinterließen eine unwirtliche Mondlandschaft. Aus Geldnot nahm Nauru abgeschobene Migranten aus Australien in Lagern auf. Nun locken die USA und das kanadische Unternehmen The Mining Company (TMC) mit Millioneneinnahmen durch Bewilligungen für den Tiefseebergbau.

Der Polymetallic Nodule Collector von The Mining Company soll Manganknollen am Grund der Tiefsee ernten.

Der "Polymetallic Nodule Collector" von The Mining Company soll Manganknollen am Grund der Tiefsee ernten.

Trump sind Regeln egal

Die USA sind kein Mitglied in der ISA, hielten sich die längste Zeit aber deren Regulierungsmaßnahmen. Nun versprechen Unternehmen wie TMC der US-Regierung, durch Tiefseebergbau bei der Versorgung mit Rohstoffen mehr Unabhängigkeit. Donald Trump hat im April eine Durchführungsverordnung unterzeichnet, durch die Tiefseeprojekte rasch genehmigt werden sollen. Der Umweltschutz ist dem US-Präsidenten weniger wichtig.

Statt auf internationale Regeln zu warten, stellen die USA eigene auf. Der US-Rüstungskonzern Lockheed-Martin fühlt sich durch die neue Marschrichtung bestätigt und will nun Tiefseebergbaulizenzen verkaufen, die er seit den 1980er-Jahren besessen, aber nie genutzt hat. China hat das Vorgehen der USA scharf kritisiert. Beim ISA-Treffen in Jamaika wird es offiziell nicht diskutiert, inoffiziell sei es aber der  Elefant im Raum - in dem Kontext eher der Blauwal im Raum.

Große Unternehmen stellen sich dagegen

Mehrere große Unternehmen haben sich unterdessen auf die Seite der Gegner des Tiefseebergbaus geschlagen, darunter auch US-Konzerne wie Apple, Google oder Salesforce. Mehrere europäische Autohersteller, wie Volkswagen, Renault, BMW oder Volvo, setzen sich ebenfalls für ein Moratorium ein.

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