Tesla geht langsam der Saft aus

Tesla geht langsam der Saft aus
Produktion auf zu geringem Niveau, ein Rückruf und Probleme mit der Belegschaft: Der Elektroautobauer wird zum Opfer eines selbst geschaffenen Hypes.

Leonardo da Vinci. Stephen Hawking. Und jetzt auch Elon Musk. Die Macher der weltumspannenden Science-Fiction-Serie "Star Trek" bauen gern berühmte Vertreter der Menschheitsgeschichte in ihre Drehbücher eine. Nach dem italienischen Universal-Gelehrten und dem ihm Rollstuhl sitzenden Astrophysik-Genie wurde die Ehre jetzt auch dem Technik-Tausendsassa aus Südafrika zuteil.

Musk hat sich zu Lande (Elektroauto Tesla, Hyperloop, Solarzellen) wie auch im Himmel (Weltraumtransporteur SpaceX, Mars-Besiedelung) einen globalen Namen gemacht. In der neuen Star Trek-Serie "Discovery" wird Musk von Raumschiffkapitän Lorca in einem Atemzug mit den Gebrüdern Wright genannt. Delikater Vergleich. Wie einst die Pioniere der Luftfahrt, so hat der 46-jährige Multimilliardär mit schmerzhaften Bruchlandungen zu kämpfen.

Model 3 wo bleibst du?

Sein Kerngeschäft, die vollmundig versprochene Produktion eines erschwinglichen Elektro-Autos für den Massenmarkt (Tesla Model 3), steckt dramatisch im Stau. Laut Schlachtplan sollten Ende September 1500 Fahrzeuge der 35.000 Dollar kostenden 3er-Reihe in der Tesla-Fabrik im kalifornischen Fremont vom Band gerollt sein. Zur Weihnachtszeit, so hatte Musk es ambitioniert verkündet, werde die Stückzahl auf 5000 hochgefahren. Ende 2018 würden 10.000 Autos gefertigt – pro Woche. Tesla ist Opfer eines selbst geschaffenen Hypes. 500.000 Kunden, die jeweils 1000 Dollar für das Mittelklasse-Modell angezahlt haben, müssen möglichst bald befriedigt werden.

Die realen Zahlen sind dagegen ernüchternd. Im dritten Quartal 2017 hat die Musk-Mannschaft nur 260 Exemplare montiert, rechnerisch kaum mehr als vier pro Tag. Über die Ursachen für die "erschreckenden Engpässe" (Los Angeles Times) schweigt sich das Unternehmen aus. Branchen-Insider hören, dass es "an allen Ecken und Enden hapert". Viele Teile müssten in Ermangelung funktionierender Automatisierung von Hand hergestellt werden, berichtet das Wall Street Journal. Andere Quellen wollen von frustrierten Mitarbeitern erfahren haben, dass in den fertig gebauten 3er-Modellen nachträglich Sitze, Batterie und Rück- wie Vorderscheinwerfer ausgetauscht werden mussten. Dazu passt, dass rund 10.000 Autos des entschieden teureren Elektro-SUV Model X just einen Werktstattrückruf erhielten. Grund: Die Fahrersitze kommen ins Schleudern…

Tesla geht langsam der Saft aus
A Tesla charging station is seen in Salt Lake City, Utah, U.S. September 28, 2017. REUTERS/Lucy Nicholson

Mitarbeiter gefeuert

Für das Vertrauen in die Produktzuverlässigkeit sind diese Nachrichten Gift. Entsprechend blank liegen beim Elektroauto-Pionier die Nerven. Wie blank, das mussten gerade nennenswerte Teile der Belegschaft erfahren; die Zahlen reichen von 400 bis 1200. Die Mitarbeiter wurden, wie die Lokalzeitung San José Mercury News schreibt, ohne Angaben von Gründen freigesetzt.

Lapidarer Kommentar des Unternehmens, das seine Öffentlichkeitsarbeit im Prinzip über den ähnlich wie US-Präsident Donald Trump Twitter-süchtigen Chef bewerkstelligen lässt: "mangelnde Leistung". Bei insgesamt über 33.000 Angestellten werde die Effizienz vom Mann am Fließband bis zum mittleren Manager regelmäßig überprüft. Das könne eben hier zur Trennung und dort zu einer Gehaltszulage führen.

Arbeiter vermuten Schikane dahinter. "Ich hatte einen Gewerkschafts-Aufkleber auf meiner Wasserflasche", sagt Mike Williams. Über "mangelnde Sicherheitsvorkehrungen und den enormen Arbeitsstress zu reden", habe der Konzernleitung wahrscheinlich nicht gefallen, so seine Vermutung.

Aktie im Höhenflug

Bisher hat die Börse die erneute Hiobsbotschaft nicht wirklich sanktioniert. Der Wert des Unternehmens, an dem sich weltweit Autobauer in der Elektromobilität orientieren, hat binnen der vergangenen zwölf Monate um fast 80 Prozent zugelegt. Mit 60 Mrd. Dollar ist das Zukunftsversprechen von der Mobilität aus der Steckdose mehr wert als zum Beispiel Ford. Aber wie lange noch?

Der Glanz, den Tesla mit seinen in kleiner Stückzahl für solvente E-Mobilitätsfans hergestellten Model S-Flitzern erzeugt hat, verblasst allmählich. Elon Musk weiß, dass der Sonderstatus seines Unternehmens volatil ist. Ist das Image erst hinreichend ramponiert, könnten Anleger das Weite suchen. Um den Sprung in den Massenmarkt zu schaffen und das E-Auto vor der aufgerüttelten Konkurrenz zu verankern, muss das Model 3 "möglichst schnell und möglichst reibungslos funktionieren", sagen Fachleute der US-Autobibel Kelley Blue Book.

Analysten erklärten schon im Sommer dieser Zeitung, dass Musk sich "verzettelt und überfordert, weil er permanent auf verschiedenen Hochzeiten tanzen will". Die Anforderungen, die es bei SpaceX gebe, ein Weltraum-Unternehmen, das Musk schon bald Richtung Mars starten lassen will, seien eben völlig andere als bei seinem jüngsten "Spielzeug" Neuralink. Eine Firma, die Computer mit menschlichen Gehirnen verbindet, bevor die "Künstliche Intelligenz von Robotern" (für Musk eine Horrorvorstellung) die Macht ergreift.

Welche Konsequenzen Musk aus der prekären Lage rund um das Model 3 zieht, wird erst zum Jahreswechsel klarer. Bis dahin tritt der Boss etwas kürzer. Die Präsentation des elektrisch betrieben Lkw (Arbeitstitel: Selmi) ist um einen Monat verschoben. Musk bündelt alle Kräfte für das Model 3.

Der US-Elektroautobauer Tesla hat sich einem Bericht des "Wall Street Journal" zufolge mit der chinesischen Führung auf ein eigenes Werk in Shanghai geeinigt. Tesla habe die Genehmigung erhalten, in der Freihandelszone der ostchinesischen Industriemetropole Shanghai eine Fabrik zu bauen, berichtete das Blatt am Montag unter Berufung auf informierte Kreise.

Tesla müsse aber weiterhin eine Importsteuer in Höhe von 25 Prozent zahlen, heißt es in dem Bericht. Ein eigenes Werk in China würde Tesla eine Spitzenposition auf dem weltweit größten Markt für E-Autos verschaffen. Tesla wollte den Bericht gegenüber AFP nicht kommentieren. Das Unternehmen verwies aber auf seine Presseerklärung vom Juni - darin heißt es, Tesla arbeite mit der Stadtverwaltung von Shanghai an der Möglichkeit, ein Werk in der Region zu errichten, um so den chinesischen Markt bedienen zu können. Bis Ende des Jahres werde das Unternehmen "mehr" mitteilen können.

Der chinesische Markt sei ein "wichtiges Ziel" für Tesla, erklärte der Autobauer im Sommer. Derzeit würden "mehrere mögliche Produktionsstandorte weltweit geprüft".

China treibt den Bau von E-Autos voran. Ab 2019 führt die Volksrepublik eine Quote ein: Die Autohersteller im Land müssen dann zehn Prozent ihrer Verkäufe mit Elektro- oder Hybridautos machen. Ab 2020 steigt diese Quote auf zwölf Prozent. Die ausländischen Autohersteller können diese Quote derzeit nicht erfüllen und versuchen deshalb zusammen mit ihren chinesischen Partnerunternehmen den Anteil von E-Autos kräftig zu erhöhen.

Tesla produziert derzeit im kalifornischen Fremont drei Modelle, nämlich S, X und 3. In diesem Jahr sollen dort insgesamt 100.000 Fahrzeuge gefertigt werden. 2020 will das Unternehmen eine Million Elektroautos produzieren.

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