Telekom Austria: Wie es mit den Funktürmen weitergeht
Hinter den Kulissen haben die Verhandlungen längst schon begonnen. Es geht um die strategischen Weichenstellungen für die Zukunft der teilstaatlichen A1 Telekom Austria, heimisches Großunternehmen und Schwergewicht an der Wiener Börse.
Im Zentrum stehen die insgesamt 15.000 Mobilfunktürme der Telekom-Gruppe, davon 7.900 in Österreich. In Zeiten wie diesen hat kritische Infrastruktur, und dazu gehören die Sendemasten zweifellos, noch eine ganz andere Bedeutung bekommen. Ganz Europa sorgt sich seit Beginn des Ukraine-Krieges um die Infrastruktur.
Die Verantwortlichen geben sich nach außen hin zugeknöpft, zu heikel sind die Gespräche. Der KURIER konnte aber aus gut informierten Quellen die Grundzüge des Deals in Erfahrung bringen.
Die mexikanischen Mehrheitseigentümer, der Konzern des Milliardärs Carlos Slim, wollen die Türme seit langem in eine eigene Tower-Gesellschaft ausgliedern. Um die Sendemasten entweder zu verkaufen oder in die konzerneigene, börsenotierte Tower-Gesellschaft Sitio Latinoamerica als wertvolles Asset einzubringen, befürchten Kritiker und Belegschaft. Der Wert der Türme wird auf zwei bis vier Milliarden Euro geschätzt. Sind die Masten erst einmal draußen, muss die Telekom dafür Miete zahlen, bis zu 270 Millionen Euro im Jahr, wird kolportiert.
International üblich
Die Ausgliederung der Funktürme, die für Mobilfunknetze unerlässlich sind, ist international mittlerweile üblich. Die Tower-Companys gelten als kritische Infrastruktur. Sie sind wesentlich mehr wert als Netzbetreiber und für den Kapitalmarkt attraktiver.
Die Gründe für die Ausgliederung sind vielfältig. Funktürme wurden verkauft, weil Telekom-Unternehmen überschuldet sind oder weil dringend Kapital zum Investieren, etwa in 5G oder Glasfaser, benötigt wird.
Das gilt nicht für die kapitalmäßig gut aufgestellte Telekom Austria (TA). Allerdings könnte man höhere Erträge aus den Türmen lukrieren, wenn man auch Mitbewerber gegen Entgelt drauf lassen würde. Das wäre bei einer ausgegliederten Gesellschaft einfacher, meinen die Befürworter. Die nationalen A1-Gesellschaften haben beinahe alle schon Tower-Companys gegründet. Geplant ist eine große Schwester-Gesellschaft neben der Telekom mit derselben Aktionärsstruktur. Wie man aus gut informierten Kreisen hört, soll es dann zwei Aktien geben. Ob auch die Towers an die Börse gehen, ist noch offen.
Zustimmung nötig
Für die Ausgliederung brauchen die Mexikaner allerdings die Zustimmung der Staatsholding ÖBAG. Doch Republik und ÖBAG bestehen darauf, dass die Tower Companys nicht verkauft werden.
„Der Aufsichtsrat wird keinem Verkauf der passiven Infrastruktur zustimmen“, betont ÖBAG-Aufsichtsratschef Günther Ofner gegenüber dem KURIER. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sprach sich schon im KURIER-Interview gegen den Ausverkauf kritischer Infrastruktur aus.
Die ÖBAG knüpft ihre Zustimmung zu den Towers an eine Verlängerung bzw. einen neuen Syndikatsvertrag mit America Movil, wissen Insider. ÖBAG-Chefin Edith Hlawati, die 2014 bereits den ersten Vertrag verhandelte, lässt dazu ausrichten: „Wenn es zu einer Strukturänderung der Telekom kommt, dann möchte ich einen stabilen, langfristigen Partner haben.“ Eine klare Ansage.
Österreich-Paket
Die Mexikaner haben seit 2014 die Mehrheit an der TA, sie sind die Chefs, ob es Österreich passt oder nicht. Slim denkt angeblich nicht daran, wieder auszusteigen. Als 28-Prozent-Aktionär hat die ÖBAG kaum Rechte, nicht einmal auf einen Aufsichtsrat oder Informationsrechte. Sie kann nur strukturverändernde Beschlüsse in der Hauptversammlung verhindern. Derzeit stellt die ÖBAG zwei Aufsichtsräte, Vorsitzende des Gremiums ist Edith Hlawati.
Der Syndikatsvertrag, der 2024 ausläuft und vor Oktober 2023 verlängert werden muss, ermöglicht der ÖBAG mehr Mitsprache. Die Aufwärmrunden über ein neues Österreich-Paket im Syndikat haben beide Seiten schon absolviert.
Vorstand
Die Eckpunkte: Die TA bleibt an der Börse, es gibt weiterhin einen gewissen Arbeitsplatzschutz für die Beamten im Konzern und Bestand für Sicherheitsnetze wie den Behördenfunk. America Movil verpflichtet sich zum Ausbau der Infrastruktur auf europäischem Standard. Freilich eine äußerst vage und nicht einklagbare Formulierung. Slim hatte beim Einstieg in Österreich angekündigt, er wolle seine neue Tochter als Brückenkopf für Zukäufe nutzen und die Telekom Austria zu einem großen Anbieter in Europa ausbauen, der bei der Konsolidierung aktiv mitspielt. Darauf wartet man in Österreich immer noch.
Österreich fordert weiterhin die Nominierung des Konzern-CEOs. Anfang September 2023 laufen die Verträge aller drei Holding-Vorstände aus. Der starke Mann ist Alejandro Plater. Der wenig empathische Argentinier ist „nur“ Chief Operating Officer, aber der Vertreter von America Movil. Wird spannend, ob CEO Thomas Arnoldner verlängert wird, er macht gute Arbeit und hat das Vertrauen der Belegschaft, gilt aber als Kurz-Mann.
- „Österreich-Aktie“
Die Telekom Austria (TA) ist das Negativbeispiel für einen schleichenden Ausverkauf. 1998 entsteht die 100-prozentig staatliche Telekom Austria (TA) aus der Trennung von Post, Telekom und Postbus. 2000 unter Schüssel/Grasser Teilprivatisierung, Börsegang in Wien und New York, 25,8 Prozent Streubesitz. Emissionskurs der „Österreich-Aktie“ 9 Euro. Einstieg der Telekom Italia, geht 2002 hinaus. Beteiligung von Swisscom platzt
- China, Russland
Investor Pecik kauft 20 Prozent über Optionen. TA ist Sanierungsfall, mit dem vierfachen Ebitda verschuldet, Dividenden auf Pump. Turbulente Käufersuche für Pecik-Anteile, SPÖ favorisiert China Mobile, russische MTS auch im Gespräch. ÖIAG-Chef Beyrer findet America Movil, Pecik verkauft. Mexikaner machen Übernahmeangebot und Kapitalerhöhung, ab 2014 Mehrheit, ÖBAG 28,4 Prozent, Sanierung
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