Swoboda: „Stern von Orbán ist im Sinken“

Swoboda: „Stern von Orbán ist im Sinken“
Europas Chef der Sozialdemokraten kritisiert Ungarns „autoritäre Führung“. Und: Griechenland werde von der EU „erpresst“.

Europa-Abgeordneter und Fraktionschef der Sozialdemokraten, Hannes Swoboda, wird von der ungarischen Regierungspartei Fidesz beschuldigt, Ungarn „mit grundlosen, hinterhältigen Lügen verleumdet“ zu haben. Sein eben beendeter Besuch in Budapest wird als „politischer Angriff der internationalen Linken auf Ungarn“ bewertet.

KURIER: Herr Abgeordneter, was sagen Sie dazu?

Hannes Swoboda: Wenn man die Regierung oder Premier Orbán kritisiert, wird das als Kritik gegen das ganze Land gewertet. Mir ist bei meinem Besuch aufgefallen, dass die Medienvertreter extreme Angst haben. Mit wenigen Ausnahmen gibt es in Ungarn keine Debatte mehr.

Was kann man auf EU-Ebene dagegen tun?

Die Europäische Volkspartei, deren Mitglied Fidesz ist, müsste eine Trennlinie zu Orbán ziehen. Die EVP schützt Orbán nach wie vor. Die EU-Kommission hat eine klare Stellungnahme zu Ungarn abgegeben. Das Parlament wird diese Woche eine Resolution verabschieden, wo wir die Kommission auffordern, genau zu kontrollieren, ob Gesetze, die EU-Recht widersprechen, geändert werden. Als letzte Konsequenz bietet Artikel 7 des EU-Vertrages zwei Optionen: ein Monitoring oder ein Sanktionsverfahren. Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt. Das würde nur als Verschwörung ausgenützt werden.

Ungarn hat drei Vertragsverletzungsverfahren der Kommission am Hals. Bis 17. Februar muss es reagieren. Ist Ihnen dazu etwas bekannt?

Vizepremier Navracsics hat sich bezüglich der Antworten sehr ambivalent und vage geäußert. Das ist das Typische an der Regierung. Sie hat Gesetze beschlossen im Bewusstsein, dass sie nicht konform mit EU-Recht sind. Orbán weiß, dass er sie korrigieren muss, benützt aber diese Auseinandersetzung, um zu zeigen, wie er Ungarn gegen den unberechtigten Einfluss von außen verteidigt. Er stellt sich als Retter Ungarns dar. Das ist das übliche System eines autoritären Führers. Es ist dasselbe, was Mubarak und Ben Ali gemacht haben. Der Stern von Orbán ist im Sinken, die rechtsradikale Partei Jobbik gewinnt an Zustimmung.

Kommen wir zu Griechenland: Wird das Parlament das Sparpaket annehmen?

Es wird die Zustimmung geben, nicht aus Überzeugung, sondern weil alles andere noch schlimmer wäre. Griechenland wird von der EU und vom Internationalen Währungsfonds erpresst. Die Experten, die niemandem gegenüber politisch verantwortlich sind, schlagen Maßnahmen vor, die ineffektiv und kontraproduktiv sind. Sie verstärken die Rezession und verschärfen die sozialen Spannungen.

Warum? Griechenland hat bisher Reformen nicht oder kaum umgesetzt.

Die Reformen gehen zu langsam vor sich. In Griechenland muss es Strukturreformen, Liberalisierung und Marktöffnung geben. Das Land hat noch immer die größte Flotte, sie muss wettbewerbsfähiger werden. Es gibt nicht nur Oliven oder den Tourismus, sondern auch eine pharmazeutische Industrie und Solar-Energie, die gefördert gehören. Bei Steuern gibt es Einnahmen, im besonderen durch die Grundsteuer. Leider verlangt die EU nicht, die höheren Einkommen und Vermögen zu belasten. Und leider gibt es keinen Auftrag der Staats- und Regierungschefs an die EU-Kommission, mit der Schweiz ein generelles Steuerabkommen für Bankeinlagen für alle EU-Staaten abzuschließen. Die EU hätte Möglichkeiten, Druck auf die Schweiz auszuüben.

In April sollen Wahlen in Griechenland stattfinden. Sind diese eine Chance oder ein Hindernis für Reformen?

Die Wahlen gehören aufgeschoben wie in Italien, jetzt sind sie sinnlos. Wahlen bedeuten heillose Versprechungen. Extreme Parteien von links und rechts würden gewinnen. Griechenland muss zuerst die Voraussetzungen schaffen, Hilfsgelder effizient einsetzen zu können, es braucht auch ausländische Investoren. Für das öffentliche Eigentum sollte eine Treuhandgesellschaft geschaffen werden, die die Privatisierung durchführt. Wenn man nur den Mindestlohn kürzt, hat das keinen Effekt auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit.

Viele Ökonomen fordern die Rückkehr zur Drachme. Ist das ein probates Mittel?

Das wäre eine Katastrophe für Griechenland und die EU. Die hohen Schulden bleiben in Euro bestehen. Dann kann Griechenland gar nichts mehr zahlen. Die Ansteckungsgefahr auf andere Schuldenländer wäre groß.

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