Die größten Stinker unter den Automarken

Die Schummelei bei Verbrauch und Abgasen zieht sich quer durch alle Anbieter.

In der Affäre um gefälschte Abgaswerte steht Verursacher Volkswagen natürlich im Mittelpunkt der Kritik. Doch die Schummelei zieht sich, wie berichtet, quer durch alle Anbieter. Um bis zu 40 Prozent liegen die Verbrauchswerte über den offiziellen Angaben. Nun schießt die Arbeiterkammer (AK) nach. Laut einer gestern, Dienstag, veröffentlichten Studie, basierend auf Daten des deutschen Umweltbundesamts, gibt es die größten Abweichungen bei den Marken Dacia, Nissan und Hyundai. Sie liegen bei Verbrauch und CO2-Ausstoß um bis zu 37 Prozent über den offiziellen Angaben (siehe Grafik).

Im Durchschnitt sind sie bei den 30 Modellen, die 2013 (letzte verfügbare Daten) am häufigsten in Österreich neu zugelassen wurden, um 27 Prozent darüber. Im Jahr 2000 waren es nur sieben Prozent. "Ein weiterer Anstieg 2014 und 2015 zeichnet sich bereits ab", heißt es in dem Papier.

Vom VW-Konzern wollte sich niemand zu den Zahlen äußern, ebenso wenig Dacia. Ein Vertreter eines Herstellers ging mit dem Bundesumweltamt hart ins Gericht, da es bei den Daten nur auf die Webseite spritmonitor.de zurückgreift. Dort geben Autofahrer ihre Verbrauchsdaten an. "Das ist Facebook für Autofahrer und hat keinen wissenschaftlichen Wert."

Peugeot-Sprecher Christoph Stummvoll verteidigt die offiziellen Abgas-Tests. "Sie sind normiert, so sind die Ergebnisse vergleichbar." Aber natürlich handle es sich um Laborwerte, die sich von der Realität unterscheiden, da Kriterien wie Wetter, Beladung, Fahrverhalten usw. kaum Berücksichtigung finden können. Ein neues Testverfahren, das spätestens 2020 zum Einsatz kommt, soll aber länger als die bisherigen 20 Minuten dauern und auch realistischer ablaufen.

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Die heimischen Autoimporteure gehen davon aus, dass das Niveau des Schadstoffausstoßes für die Kunden nicht so wichtig sei. "Die Käufer wollen vor allem zwischen den verschiedenen Marken vergleichen", sagt Sprecher Felix Clary. Ob im Vergleich zum offiziellen Messergebnis zehn Prozent mehr verbraucht werde, sei da "nicht so wichtig".

Druck

Die EU macht jedenfalls Druck auf VW. "Wir erwarten, dass VW die Situation erklärt. Die Kommission will Fakten und zum Grund der Sache vorstoßen", sagte eine Sprecherin. Bei einem Treffen von Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska und VW-Markenchef Herbert Diess drängte die Politikerin auf Zahlen zu den Auswirkungen der manipulierten Abgastests.

Der frühere VW-Konzernchef Bernd Pischetsrieder und der frühere VW-Markenchef Wolfgang Bernhard hatten nach eigenen Angaben keinerlei Kenntnis vom Einbau der Manipulationssoftware, teilten die Manager mit.

Zu den Manipulationen hat der Verein für Konsumenteninformation (VKI) in der Vorwoche eine Sammelaktion gestartet. Seither haben sich bereits 2600 VW-Besitzer gemeldet. „So einen Zuspruch gab es noch nie“, sagte VKI-Rechtschef Peter Kolba.

Von den weltweit insgesamt elf Millionen VW-Dieselfahrzeugen mit manipulierter Software sind in Österreich 363.400 unterwegs. Das teilte Generalimporteur Porsche Holding am Dienstagabend mit. Nach Modellen aufgegliedert sind das: 180.500 Pkw der Marke VW, 72.500 Audi, 54.300 Skoda, 31.700 Seat und 24.400 VW-Nutzfahrzeuge.

All diese Fahrzeuge bestimmter Baujahre sind mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Der Aktionsplan von Volkswagen sieht nun vor, dass der Konzern im Oktober den zuständigen Behörden die technischen Maßnahmen und Lösungen vorstellen. Die Kunden werden in den nächsten Wochen und Monaten darüber informiert. Alle Konzernmarken werden nationale Internetseiten schalten, über die sich die Kunden sich auf dem Laufenden halten können. Das Abgasverhalten der Autos wird dann nachgebessert, heißt es.

Sprich: Es wird zu einer Rückrufaktion auf Kosten von VW kommen. Bis dahin sind die Fahrzeuge technisch sicher und fahrbereit, wird betont.

Auch in Frankreich sind einem Medienbericht zufolge möglicherweise mehr als 900.000 Autos vom VW-Abgasskandal betroffen. Das berichtet der französische Sender TF1 am Dienstag. Darunter seien VW-, Audi- und Skoda-Modelle. Bei VW in Frankreich war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

VW hatte vor gut einer Woche zugegeben, Abgaswerte von Diesel-Fahrzeugen in den USA mit einer Software manipuliert zu haben. Insgesamt sind nach Konzernangaben weltweit bis zu elf Millionen Fahrzeuge betroffen. Seither kommen immer neue Details über das Ausmaß der Affäre ans Licht. Gegen den wegen der Affäre zurückgetretenen VW-Chef Martin Winterkorn ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen Betrugsverdachts.

Die größten Stinker unter den Automarken

Die Arbeitnehmervertreter der VW-Tochter Audi gehen auf Distanz zur Konzernmutter. "Es handelt sich bei der Abgas-Affäre um einen grob fahrlässigen Fehler einiger weniger, der einem unternehmerischen Eigentor gleicht", hieß es in einem Brief des Gesamtbetriebsrates an die Mitarbeiter. "Es ist aber nicht das Versagen eines ganzen Konzerns, wie es in der Öffentlichkeit gerade diskutiert wird." Zu keinem Zeitpunkt sei die Sicherheit der Kunden in Gefahr gewesen. Dennoch lehrten die Vorfälle, dass die Unternehmenskultur neu durchdacht werden müsse – "hin zu Offenheit, Transparenz und gegenseitigem Vertrauen, weg von starren Hierarchien". Deshalb sei es jetzt wichtig, das Führungsleitbild bei Audi weiter voranzutreiben.

VW hatte eingeräumt, dass weltweit bis zu elf Millionen Autos von den Abgas-Manipulationen betroffen sein könnten. Bei Audi sind 2,1 Millionen Fahrzeuge betroffen, bei Skoda sind es 1,2 Millionen.

Kaufen oder auf weitere Kursrückgänge warten? Das ist die große Frage für Anleger, die die jüngste Kursentwicklung der VW-Aktie beobachten. Der Absturz um rund 30 Prozent seit Bekanntwerden des Abgas-Skandals hat die Titel auf ein interessantes Einstiegsniveau gebracht, glaubt ein Teil der Investoren. Sie haben schon zugekauft. Am Dienstagnachmittag notierten die Titel bei 96,16 Euro. Aktien-Analysten sind vorsichtiger. Sie rechnen mit weiteren Verlusten. Die Erste Group etwa gibt für VW eine Verkaufsempfehlung. Begründet wird das nicht nur mit der Unsicherheit über die tatsächliche Belastung des Konzerns mit Bußgeldern und Nachrüstungen der Fahrzeuge, sondern auch mit der Rufschädigung. Das könnte dazu führen, dass die Umsätze weniger steigen als erwartet. Auch die Experten der Deutschen Bank bleiben skeptisch. Die Auswirkungen des Skandals auf die Geschäfte von VW sowie auf die Autopreise und die Kosten seien schwer abschätzbar, schreiben die Analysten. Sie hatten VW bis vor zehn Tagen zum Kauf empfohlen; die Erwartungen beruhten vor allem auf Kostensenkungen. Diese stünden nun in Frage.

Schoellerbank-Vorstand Heinz Mayer rät ebenfalls von der Aktie ab. Sie habe noch Potenzial nach unten, schließlich sei sie jahrelang weit unter 100 Euro gelegen. Generell seien Autotitel zu konjunkturabhängig und nichts für Anleger, die Stabilität suchen.

Negativ für die VW-Aktie ist auch, dass sie nach den Abgastests aus einigen Indizes für ökologische Unternehmen geflogen ist.

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