Verbund-Chef erwartet "so etwas wie kriegswirtschaftliche Maßnahmen"

Verbund-Chef erwartet "so etwas wie kriegswirtschaftliche Maßnahmen"
Energiewirtschaft sieht sich "am Pranger". Eingriff in die Märkte zeitlich begrenzt notwendig. Vorschläge der EU-Kommission "jedenfalls zu wenig".

Die "multiple Krise" mit Klimawandel, Krieg, Inflation, Pandemiefolgen und einer drohenden Rezession wird nach Ansicht von Oesterreichs-Energie-Präsident und Verbund-Chef Michael Strugl massive Auswirkungen auf die Wirtschaft und insbesondere auf die Energiewirtschaft haben. "Wir werden so etwas wie kriegswirtschaftliche Maßnahmen erleben", sagte Strugl am Mittwochnachmittag beim "Oesterreichs Energie Kongress 2022".

So wie am Höhepunkt der Pandemie die Emotionen hochgegangen seien, "welche Anfeindungen es beispielsweise gegeben hat gegen die, die eigentlich am meisten getan haben um diese Krise zu bewältigen - das Gesundheitspersonal -, wie die auch unter Druck gesetzt wurden und das System an den Pranger gestellt wurde", so erlebe derzeit die Energiebranche etwas Ähnliches. Heute seien es "die Unternehmen der Energiewirtschaft, die am Pranger sind - die Politik sowieso".

Strompreisbremse "vernünftig"

Die Energieunternehmen hätten mitgeholfen Entlastung zu ermöglichen, etwa durch Abschalteverzichte oder durch zusätzliche Mittel um Energiearmut zu bekämpfen, sagte Strugl. "Letztlich ist auch diese Strompreisbremse etwas grundsätzlich Vernünftiges, den Menschen einen Grundbedarf zu stützen und erst darüber hinaus wieder den Markt wirken zu lassen. Das heißt auch für unsere Unternehmen einen enormen Aufwand in der Administration dieser Maßnahmen." Wie die Gesundheit eigne sich auch die Energie nicht "für politisches Spiel, nicht für Populismus, nicht für ideologische Streitereien". Man brauche auf europäischer Ebene und national einen Schulterschluss zwischen Regierung und Opposition, Bund, Ländern und Gemeinden sowie Sozialpartnern, um die Energieversorgung zu sichern.

Die Strommarkt-Liberalisierung habe durch den Wettbewerbsmarkt viele Vorteile für die Konsumenten und die Wirtschaft gebracht und die Preise sinken lassen. "Heute haben wir Krieg. Heute gehen wir in eine völlig andere Situation. Und daher wird es auch notwendig sein, in diese Märkte zu intervenieren", sagte Strugl. Das müsse mit Umsicht und zeitlich begrenzt erfolgen, "aber es wird notwendig werden".

Problemdruck

Man habe Verständnis dafür, dass das auf europäischer Ebene noch schwieriger sei als national. "Aber angesichts dieses Problemdrucks ist das, was bis jetzt am Tisch der Europäischen Kommission liegt, aus unserer Sicht jedenfalls zu wenig." Es werde nicht die Ursache adressiert, sondern das Symptom. Gewinnabschöpfungen bei Unternehmen müssten erst in jedem Land umgesetzt werden und man brauche einen Mechanismus, wie dieses Geld umverteilt wird. "Bis dieses Geld bei denen ankommt, die es wirklich brauchen, wird Zeit vergehen. Zeit, die vielleicht manche Unternehmen gar nicht mehr haben."

Deshalb habe die Energiebranche Vorschläge gemacht, wie man im Großhandelsmarkt europäisch koordiniert sowohl die Mengen als auch den Preis temporär in einem zweistufigen Verfahren begrenzen kann. Auch das werde Zeit brauchen. Die EU-Kommission wolle aber erst im nächsten Jahr Vorschläge für eine große Marktreform machen. "Bis man sich auf ein neues Modell geeinigt hat und bis das dann tatsächlich implementiert ist wird es, ich wage zu sagen, Jahre dauern."

Planungssicherheit gefordert

Die Energiewirtschaft brauche Planungssicherheit. "Diese Volatilitäten machen uns große Schwierigkeiten, und der aktuelle Vorschlag der Kommission lässt die Preise wie sie sind - mit diesen großen Preisausschlägen, mit diesen Großhandelspreisen, die die Industrie bezahlen muss und mit den Margin Calls, die für den börslichen Handel dann erforderlich sind."

Längerfristig brauche man einen großflächigen europäischen Ausbau von erneuerbarer Erzeugung, von Netzen und von Speichern. "Wir müssen unsere Kapazität fast verdreifachen, um eine doppelte Strommenge 2040 möglich zu machen." Die Energieunternehmen seien bereit, 46 Mrd. Euro bis 2030 zu investieren - 28 Mrd. Euro für Erzeugung und Speicher und weitere 18 Mrd. Euro für den Ausbau der Netze. Dafür brauche man Flächen, um die Projekte zu entwickeln, schnelle Verfahren und die Investitionsfähigkeit der Unternehmen, "damit wir dieses Geld auch investieren können, damit es uns nicht vorher oder im Zuge einer Abschöpfung dann genommen wird."

Speichern als Hauptaufgabe

Peter Weinelt, Obmann des Fachverbands der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmungen, sieht für seinen Sektor eine der Hauptaufgaben bei der Energiewende, Überschussenergie zu speichern. Das Potential dafür sei groß, sagte Weinelt in einer Diskussionsrunde beim Kongress. "Österreich hat Gasspeicherkapazitäten, die es erlauben sehr große Mengen Gas zu speichern." Die Herausforderung sei es, gemeinsam ein System zu entwickeln, um Produktionsüberschüssen Energie aus Wind, Sonne und Wasser in grünes Gas umzuwandeln. "Der Startschuss dafür ist bereits gefallen."

Von der Notwendigkeit, die einzelnen Erzeugungsformen in ein systemdienliches Verhältnis zu bringen, sprach auch die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, Barbara Schmidt, und erörterte das anhand von Photovoltaik und Windenergie: "Die beiden Erzeugungsformen ergänzen sich perfekt, deshalb müssen wir sie gleichzeitig und überall ausbauen." Darauf zu setzen, Windräder zunächst dort zu bauen, wo es keine Widerstände gibt und den Ausbau anderorts auf später zu verschieben, werde sich nicht ausgehen.

"Braucht Investitionen"

Diskutiert wurde auch die Finanzierung der anstehenden Energiewendeprojekte. In diesem Zusammenhang wandte sich IHS-Direktor Klaus Neusser gegen eine Besteuerung von sogenannten Übergewinnen. Wer Gewinne übermäßig besteuere, senke Anreize für Investitionen: "Die Energiewirtschaft braucht aber Investitionen, um die Energiewende zu schaffen."

Die Steuern auf Übergewinne zweckzuwidmen, wie das die Europäische Kommission vorhat, um Bürger zu entlasten, hält Neusser ebenfalls für keine gute Idee. Außerdem sei die Erwartung, mit der Steuer 140 Milliarden Euro einzunehmen, völlig überzogen. "Nach ersten Schätzungen kann man sagen, dass es viel weniger sein wird. Denn natürlich versuchen Unternehmen in einer solchen Situation ihre Gewinne zu reduzieren."

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