Stresstest: ÖVAG fehlen 865 Millionen Euro Kapital

Kein Durchkommen: Das Volksbanken-Spitzeninstitut ÖVAG scheitert erneut am Stresstest.
Alle anderen Österreich-Banken bestehen. Insgesamt 25 "Durchfaller" im Euroraum.

Die ganz großen Überraschungen sind ausgeblieben: Am Sonntag, um Punkt 12 Uhr, veröffentlichte die Europäische Zentralbank (EZB) die Resultate des umfassendsten Bankenchecks aller Zeiten.

Den österreichischen Wackelkandidaten hat es dabei tatsächlich erwischt: Wie schon beim Stresstest 2011 ist die Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG) durchgerasselt. Sie erreicht im (simulierten) Szenario eines dramatischen Wirtschaftseinbruchs nur 2,06 Prozent Kern-Kapitalquote anstatt der von der EZB vorgeschriebenen 5,5 Prozent. Somit fehlen nach den EZB-Vorgaben im Jahr 2016 fast 865 Millionen Euro. Allerdings würde die ÖVAG derzeit die gültigen regulatorischen Anforderungen erfüllen, erklärt die Finanzmarktaufsicht (FMA).

Wie es weitergeht

Jetzt muss die ÖVAG innerhalb von zwei Wochen erklären, wie sie diese Lücke füllen will, und einen Kapitalplan zur EZB nach Frankfurt schicken. Stopfen muss sie das Loch dann innerhalb von neun Monate. Da sich die Probleme bereits abgezeichnet hatten, gibt es Pläne, die faulen Kredite und Wertpapiere des Spitzeninstitutes des Volksbanken-Sektors in eine "Bad Bank" auszulagern. Das verringert den Kapitalbedarf. Zudem muss sich der gesamte Sektor neu aufstellen: Das werde derzeit "intensiv zwischen den Eigentümern, der Bank und der Aufsicht diskutiert", erklären FMA und OeNB.

Die anderen Österreicher

Insgesamt mussten sich sechs österreichische Institute dem Test stellen - neben der ÖVAG die Erste Group, Raiffeisen Zentralbank, Raiffeisenlandesbank (RLB) Niederösterreich-Wien, RLB Oberösterreich und die BAWAG PSK. Sie alle haben bestanden. Die Bank Austria nahm nur als Teil ihrer italienischen Mutter UniCredit teil. Diese hat den Test mit einer Kernkapitalquote von 6,79 Prozent im Stressszenario ebenfalls bestanden.

Stresstest: ÖVAG fehlen 865 Millionen Euro Kapital
Zwei heimische Banken hatten ihre Kapitalpolster schon im Laufe des Jahres 2014 aufgestockt - zu spät, um noch im Stresstest berücksichtigt zu werden. Die Raiffeisen Bank International (RBI) hatte sich im Jänner 2014 ganze 2,78 Milliarden Euro über eine Kapitalerhöhung geholt, die BAWAG PSK hat im März um 125 Millionen Euro aufgestockt.

Unterdurchschnittliche Quoten

Dass die heimischen Institute im Bilanzcheck und Stresstest in der unteren Hälfte der Rangliste der europäischen Banken gelandet sind, erklärt die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) damit, dass die Kredite in Osteuropa als höheres Risiko gewertet wurden. Zudem hatte sich das Stressszenario für Osteuropa "gewaschen", wie Aufseher schon vor dem Test erklärt hatte. Über die Jahre 2014 bis 2016 wurde dort ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um kumuliert 10 Prozent simuliert.

25 Banken insgesamt gescheitert

Insgesamt sind 25 Banken durchgefallen - 9 aus Italien, 3 aus Griechenland, 3 aus Zypern, 2 aus Belgien, 2 aus Slowenien und je eine aus Frankreich, Österreich, Deutschland, Irland, Spanien und Portugal. In Summe benötigen sie 25 Milliarden Euro. 12 Banken haben ihre Lücken in der Zwischenzeit gefüllt, die übrigen 13 Banken müssen der EZB innerhalb von zwei Wochen Kapitalpläne vorlegen.

EBA-Test ohne Durchfaller

Zusätzlich zum EZB-Test hat die gesamteuropäische Bankenaufsichtsbehörde EBA (London) noch weitere Banken außerhalb des Euroraums überprüft. Sämtliche Banken außerhalb der Währungsunion haben diesen Stresstest bestanden.

Österreich: Das Scheitern der ÖVAG ist keine Überraschung. Die Bank musste bereits 2012 aufgefangen werden. Die Republik Österreich ist seither mit 43,3 Prozent beteiligt. Die übrigen Anteile halten die Volksbanken Holding (51,6 Prozent), DZ Bank AG (3,8 Prozent), Raiffeisen Zentralbank (0,9 Prozent) und Sonstige (0,4 Prozent).

Deutschland: Erwischt hat es letztlich nur die Münchener Hyp. Sie hatte Ende 2013 eine Kapitallücke von 229 Millionen Euro. In der Zwischenzeit hat sie 408 Millionen Euro an frischem Kapital eingesammelt. Die Commerzbank und die HSH Nordbank, die öfters als Wackelkandidaten genannt wurden, bestanden die Prüfung ohne gröbere Probleme.

Griechenland: Gescheitert sind am Stresstest die National Bank of Greece, die Piraeus Bank und die Eurobank.

Italien: Die Großen wie UniCredit oder Intesa Sanpaolo bestanden den Test. Dafür hat es gleich neun mittelgroße Banken erwischt. Wie erwartet wurde die kriselnde Banca Monte dei Paschi ein Opfer der Überprüfung. Sie hat mit 2,11 Milliarden Euro zugleich den größten Kapitalbedarf aller Banken. Probleme haben in Italien auch die Banca Carige, Veneto Banca, Banco Popolare, Banca Popolare di Milano, Banca Popolare di Vicenza, Banca Popolare dell'Emilia Romagna, Banca Popolare di Sondrio und Credito Valtellinese.

Belgien: Ein Sonderfall ist die Dexia, die bereits abgewickelt wird - sie schafft es nicht, die erforderlichen Kapitalhürden zu erreichen. Die AXA Bank Europe hat ihren Kapitalbedarf zwischenzeitig bereits geschlossen.

Irland: Die permanent tsb-Bank erreicht die Hürde ebenfalls nicht, sie hat im Stressfall eine Lücke von 850 Millionen Euro.

Zypern: Die zypriotischen "Durchfaller" sind die Cooperative Central Bank, Bank of Cyprus und die Hellenic Bank.

Slowenien: Durchgefallen sind die Nova Ljubljanska banka und die Nova Kreditna Banka Maribor. Ihr verbleibender Kapitalbedarf ist mit 30 Millionen Euro überschaubar.

Frankreich: Die großen französischen Häuser wie BNP Paribas oder Societe Generale hatten keine Probleme. Dafür kam die wenig bekannte C.R.H. Caisse de Refinancement de l'Habitat unter die Räder. Sie hat ihre Kapitallücke aber schon geschlossen.

Spanien: Auf die Hörner genommen wurden die Liberbank. Sie hat aber schon ausreichend Kapital aufgenommen.

Portugal: Die Banco Comercial Portugues bestand das Krisenszenario nicht und benötigt beachtliche 1,15 Milliarden Euro frisches Kapital.

ÖVAG-Generaldirektor Stephan Koren: „Dieses Ergebnis kam nicht unerwartet. Der Vorstand ÖVAG hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass in den nächsten Jahren zusätzlicher Eigenmittelbedarf für den Volksbanken-Verbund entstehen wird. Dies wurde durch den EZB-Stresstest bestätigt. Die Österreichische Volksbanken-AG wird nun im Dialog mit den Behörden die bereits Anfang Oktober erstmals präsentierten Pläne zur Restrukturierung des Volksbanken-Verbunds detailliert ausarbeiten. Ziel ist es, Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft des neustrukturierten Volksbanken-Verbunds zu schaffen. In den vergangenen beiden Jahren ist es in hohem Maße gelungen, Altlasten erfolgreich abzubauen. Mit der Teilung und der freiwilligen Abwicklung der ÖVAG gehen wir jetzt einen neuen Weg, der den völligen Abbau und die Schließung der Bank ohne neue Belastung der Steuerzahler ermöglichen sollte. Mit der Restrukturierung schaffen wir die Voraussetzungen für einen zukunftsfähigen neuen Volksbanken-Verbund, der sich auf sein Kerngeschäft, die Betreuung von Privat- und Firmenkunden, konzentrieren kann.“

OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny: „Die Ergebnisse liegen im Rahmen unserer Erwartungen. Auch die Zahlen für die ÖVAG kommen nicht überraschend. Insgesamt zeigt sich aber, dass Österreichs Banken in den vergangenen Jahren krisenfester geworden sind.“

FMA-Vorstand Helmut Ettl: „Das Comprehensive Assessment (die EZB-Überprüfung, Anm.) bestätigt, wie wichtig und richtungsweisend die Strategie der nationalen Aufsicht war, die Eigenkapitalbasis der österreichischen Banken über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus zu stärken. Und zwar sowohl was die Höhe des Eigenkapitals, als auch die Verlusttragfähigkeit der Eigenkapitalbestandteile betrifft.“

FMA-Vorstand Klaus Kumpfmüller: „Das Ergebnis zeigt aber auch, wie wichtig es ist, dass die Restrukturierung bei den Österreichischen Volksbanken rasch und konsequent umgesetzt wird.“

OeNB-Vize-Gouverneur Mag. Andreas Ittner: „Die heutigen Zahlen bedeuten nicht, dass man nun zufrieden sein kann. Die Banken müssen weitere Maßnahmen treffen, um die Eigenkapitalbasis und die Ertragskraft zu stärken.“

Walter Rothensteiner, Generaldirektor der RZB: „Die Ergebnisse des Stresstests belegen das robuste Geschäftsmodell der RZB, denn gerade für unseren Heimmarkt Zentral- und Osteuropa galten im Vergleich zu anderen europäischen Regionen sehr harte Stressszenarien. Ebenfalls zufrieden sind wir, dass die Resultate des AQR die Werthaltigkeit unserer Bilanz nochmals unterstreichen.“

Andreas Treichl, CEO der Erste Group: „Obwohl die Überprüfung durch die EZB und EBA nicht zuletzt wegen der harten Stress-Szenarien für unsere CEE-Länder sehr anspruchsvoll war, haben wir sowohl den AQR (Bilanzcheck, Anm.) als auch den Stress-Test sehr gut bestanden. Das Ergebnis beweist, dass unsere Gruppe ausreichend kapitalisiert ist und wir in CEE (Osteuropa) auf das richtige Geschäftsmodell gesetzt haben. Wir stehen auf einem soliden Fundament um unsere Ziele 2015 und darüber hinaus umzusetzen.“

RLB NÖ-Wien Generaldirektor Klaus Buchleitner: „Das Comprehensive Assessment der EZB war ein sehr intensiver und aufwendiger Prozess, der wesentliche Erkenntnisse und Fortschritte im Hinblick auf die Weiterentwicklung des europäischen Bankwesens gebracht hat. Unsere Resultate zeigen, dass die RLB NÖ-Wien selbst unter den schwierigen Bedingungen der Stresstests mehr als ausreichende Kapitalquoten aufweist. Die Ergebnisse unterstreichen die solide Geschäftspolitik der RLB NÖ-Wien.“

EZB-Vizepräsident Vitor Constancio: "Diese bislang nicht dagewesene tiefgehende Prüfung der Bilanzen der Großbanken wird das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Bankensektor stärken. Dies sollte auch dazu beitragen, dass die Banken wieder mehr Kredite vergeben und so der Konjunktur helfen."

Byron Haynes, CEO der BAWAG P.S.K: „Angesichts der äußerst erfreulichen AQR und Stresstest-Ergebnisse der BAWAG P.S.K. können wir zurecht mit Stolz auf eine umfassende, ehrgeizige und erfolgreiche Neuausrichtung der Bank zurückblicken, die wir auch 2014 fortgesetzt haben. Wir sind stolz auf die Ergebnisse und werden uns weiterhin auf ein kapitaleffizientes Geschäftsmodell mit niedrigem Risikoprofil konzentrieren. Das Angebot wettbewerbsfähiger, transparenter, einfacher Produkte und Dienstleistungen für unsere Kunden wird die Kernstrategie der BAWAG P.S.K. bleiben.“

Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ: Die Europäische Zentralbank hat uns bei diesem Test, der nach höchsten internationalen Standards durchgeführt wurde, ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Die nun vorliegenden Ergebnisse dieses intensiven Gesundheitschecks unterstreichen die Stabilität der Raiffeisenlandesbank OÖ - und auch die solide Ausrichtung. Die Raiffeisenlandesbank OÖ übertrifft die geforderten Kernkapitalquoten bei allen angewandten Rechenszenarien deutlich."

Öst. Finanzministerium: "Die Ergebnisse des europäischen Stresstests belegen, dass der österreichische Bankensektor stabil aufgestellt ist. Es gibt aber keinen Grund, sich zurückzulehnen. Die bisherigen Anstrengungen müssen fortgesetzt werden, um künftigen Herausforderungen zu begegnen und Österreichs Finanzsektor im internationalen Wettbewerb stabil zu halten."

Max Anderl, Analyst der UBS: „Es sind viele Informationen, die detailliert angeschaut werden müssen - sowohl bei der Einschätzung der Qualität der Vermögenswerte als auch beim Stresstest. Aber der erste Eindruck ist, dass es wenig Überraschungen gab. Wir erwarteten einen harten und daher glaubwürdigeren Test. Von daher war nicht davon auszugehen, dass alle 130 Institutionen gut abschneiden würden. Wie erwartet, fielen 25 Institutionen durch. Tatsächlich bezieht sich das Dokument auf viele der 'üblichen Verdächtigen', in den angegeben Bereichen vor allem in Griechenland, Portugal und Italien.“

Erik Nielsen, Chef-Volkswirt bei Unicredit: „Es gibt zu viele Entscheidungsträger die glauben, dass allein die Veröffentlichung des AQR und der Stresstests für eine Erhöhung der Kreditvergabe der Banken an den privaten Sektor sorgen wird, der dann irgendwie die Erholung auslösen wird. Aber das ist extrem unwahrscheinlich. Bei weitem der größte Teil des 'Kreditvergabeproblems' ist ein Nachfrageproblem. Die Kreditvergabe an den Unternehmenssektor hinkt in der Eurozone immer sechs bis neun Monate hinter dem BIP hinterher, und ich sehe keinen Grund, warum dies diesmal wesentlich anders sein sollte. Die Annahme, dass die Kreditvergabe irgendwie dem BIP vorangehen könnte, ist eine Illusion und ich weiß nicht, wie das irgendwie in die Diskussion gekommen ist.“

130 europäische Banken wurden überprüft. Zuerst wurde das Bankgeschäft gecheckt - etwa auf die Qualität der Kreditportfolios. Dann kam der Stresstest. In diesem mussten die Institute belegen, dass sie in einer angenommenen schweren Wirtschaftskrise genügend Kapital haben, um nicht in die Pleite zu rutschen.

2 Wochen nach Bekanntgabe der Testergebnisse müssen jene Banken, bei denen Kapitallöcher entdeckt wurden, bekannt geben, wie sie diese Löcher stopfen wollen.

6 Monate haben Institute Zeit, Probleme, die im ersten Teil der Überprüfung, dem Bilanz-Check (Asset Quality Review) - aufgetaucht sind, zu lösen.

9 Monate Zeit haben Banken, die durch den Stresstest gefallen sind, um sich nötiges frisches Kapital zu besorgen.

100.000 Euro macht die Einlagensicherung pro Kopf und Bank aus. Bis zu diesem Betrag kann Spareinlagen nichts passieren, auch wenn die Bank durch den Test gefallen ist. Sparguthaben über diese Grenze hinaus könnten bei einer eventuellen Bankenrettung herangezogen werden. (dpa/ck)

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