Streik mitten im Aufschwung? Heavy Metall in der Industrie

Streik mitten im Aufschwung? Heavy Metall in der Industrie
In der Metallindustrie liegen die Nerven blank. Dabei ist die Ertragslage sehr gut, Lohnforderung und -angebot liegen nicht mehr unüberbrückbar auseinander

Den vierteljährlichen Konjunkturumfragen der Industriellenvereinigung (IV) wird üblicherweise nur dann größere Aufmerksamkeit zuteil, wenn gerade Herbst ist und die Lohnverhandlungen laufen. Spitzen sich diese zu und wird sogar gestreikt, wie von Dienstag bis Donnerstag kommende Woche, dann rücken Wohl und Weh der Betriebe, wie auch die Anliegen der Beschäftigten ganz schnell in den Fokus der Berichterstattung.

Im Namen der IV hat am Donnerstag ihr Generalsekretär Christoph Neumayer einen "Appell der Vernunft" an die Arbeitnehmerseite gerichtet. Ja, die Konjunktur laufe wirklich gut und stabil, doch der Aufschwung sei kein Selbstläufer. Es gelte "viele Störfaktoren" – von den Rohstoff- und Energiepreisen bis zum Fachkräftemangel – zu berücksichtigen. Energie-intensiven Betrieben müsse tatsächlich geholfen werden, teils sei dort die Situation sogar existenzbedrohend.

Das Arbeitgeberangebot sei in diesem Lichte inklusive höheren Lehrlingsentgelten und Schichtzulagen schon bei ordentlichen 3,2 Prozent gelegen und damit ohnehin klar über den öffentlich diskutierten 2,75 Prozent. Folglich meint Neumayer: "Runter vom Gas. Man muss das Gesamtpaket sehen. Es gibt keinen Grund, in Warnstreiks oder noch schärfere Maßnahmen zu gehen."

Drei Tage Streik

Die Gewerkschaft sieht das wenig überraschend anders.

Nach 14 Stunden wurden die Verhandlungen Mittwochnacht abgebrochen und die jetzigen Warnstreiks (Donnerstag und Freitag) beschlossen bzw. der dreitägige befristete Streik für kommende Woche angekündigt.

Denn, so die Arbeitnehmervertreter: Der IV-Konjunkturbericht bestätige ja, dass der Industriemotor brummt. Daher sei die Höhe der Forderung "goldrichtig". Es herrsche darüber eine "große Geschlossenheit" unter den Belegschaften. Ein Lohnplus um 4,5 Prozent und vor allem auch wieder ein gemeinsamer Kollektivvertrag für alle Metallsparten (wie bis 2012 üblich) bleibe ganz klar das Verhandlungsziel.

Halb voll oder halb leer?

Was stimmt also jetzt? Ist der Aufschwung weiter voll im Gange oder reißt er schon wieder ab? Macht Corona nicht ohnehin allen Planungen und Erwartungen einen Strich durch die Rechnung?

Geht es also um den "gerechten Anteil" an der überraschend kräftigen wirtschaftlichen Erholung im Jahr 2021? Oder mehr um die Sorgen und erhöhte Vorsicht der Wirtschaft, weil sich die Aussichten für 2022 wieder eintrüben? Mitsamt Energiepreis-Explosion, Lieferkettenchaos, Materialmangel, nicht zu findenden Fachkräften etc.

Beides lässt sich argumentieren, das macht die Verhandlungen freilich nicht einfacher.

Glaubt man den fast 400 von der IV befragten Betrieben (mit 260.000 Beschäftigten) so zeigt sich: Das Konjunkturbarometer (siehe Grafik) ist wegen der etwas schlechteren Einschätzung der aktuellen Geschäftslage das erste Mal seit fünf Quartalen leicht gesunken. Der Plafond der Hochkonjunktur sei erreicht, die wirtschaftliche Situation nähere sich 2022 wieder einer Normalsituation, so die Interpretation von IV-Ökonom Christian Helmenstein.

Er sagt aber dazu und das greift die Gewerkschaft natürlich erfreut auf: Die Auftrags- und vor allem Ertragslage der Industrie sei nach wie vor großartig. Was aber aufgrund der Vollauslastung der Betriebe nur logisch sei. Würde Österreichs Industrie bei derart vollen Auftragsbüchern nicht ordentlich verdienen, müsste man sich um den Standort ernsthaft Sorgen machen.

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