Strategie für die Integration von Flüchtlingen dringend nötig

WIFO-Chef Karl Aiginger (li.) und IHS-Experte Helmut Hofer.
Wirtschaftsforscher fordern Plan für Asylanten, sonst nimmt die Arbeitslosigkeit zu.

"Österreich ist weiter auf der Kriechspur." So beschreibt Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), das Schneckentempo der heimischen Wirtschaft, das heuer ein Wachstum von gerade einmal 0,7 Prozent schaffen wird. Die Aussichten bessern sich allerdings, auch durch die Steuerreform. Diese wird höhere Konsumausgaben erlauben und das Wirtschaftswachstum ankurbeln (siehe Grafik).

Sogar im Kriechgang schafft die heimische Wirtschaft neue Arbeitsplätze. Das WIFO rechnet heuer mit einem Anstieg der aktiv Beschäftigten um 30.000 und im kommenden Jahr von 33.000. Das klingt gut, reicht aber nicht für alle, die auf den Arbeitsmarkt drängen. Die Arbeitslosenrate wird daher von 8,4 Prozent im Vorjahr auf 9,2 Prozent heuer und auf 9,7 Prozent im kommenden Jahr steigen. "Und da sind Flüchtlinge noch gar nicht mitgerechnet", sagt Aiginger. Laut Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS) sei nicht abschätzbar, wie viele der Flüchtlinge in Österreich bleiben, wie viele noch kommen und wie viele ein Asyl bewilligt bekommen.

Strategie für die Integration von Flüchtlingen dringend nötig

In Sachen Flüchtlingen fordern die Experten von der Politik mehrere Dinge ein. Zum einen müssten die Asylverfahren viel rascher abgewickelt werden, um zu sehen, wer bleiben kann. Vor allem aber müsse eine durchdachte Strategie her. Bei früheren Migrationsbewegungen aus Osteuropa habe die Faustregel gegolten: Ein Zuwanderer mehr bedeute rund 0,3 Arbeitslose mehr, lautet Hofers Kalkulation. Hieße das im Umkehrschluss, dass ein Drittel der Asylberechtigten arbeitslos bliebe? "Wenn man es geschickt macht, kann die Auswirkung auf die Arbeitslosenrate auch nahe Null sein", sagt Aiginger. Im günstigsten Fall können von 30.000 Flüchtlingen, die Österreich im kommenden Jahr aufnehmen werde, ein Drittel als Facharbeiter und zwei Drittel im Bereich persönlicher Dienstleistungen Jobs finden. "Man muss sich auch bei der Gewerbeordnung etwas überlegen", fordert IHS-Experte Hofer. So könnten sich Flüchtlinge leichter selbstständig machen.

Die Hunderten Millionen Euro, die Österreich in Sachen Asyl schultert, "werden die Steuerreform nicht gefährden", ist Aiginger überzeugt. Er kann sich andere Einsparungen vorstellen, etwa bei Dienstwagen.

Defizit-Disput

Stichwort Budget: Bei einer Debatte mit dem Fiskalrat, der die Einhaltung der Finanzregeln überwacht, klagte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) über die große Bandbreite von Prognosen und Ratschlägen, die ihm Experten vorlegen. "Wem sollen wir glauben? Wir akzeptieren nur die Europäische Kommission", betonte Schelling. Der Grund: "Sie ist es, die uns strafen kann." Wenn Österreich die EU-Budgetvorgaben verfehle, könne das bis zu 660 Millionen Euro kosten. Ein Zugeständnis würde er sich allerdings wünschen: Die Kosten durch die Flüchtlingskrise sollten als (humanitäre) Katastrophe ausgeklammert werden dürfen.

Schelling und der Fiskalrat waren zuletzt sehr unterschiedlicher Meinung, ob Österreich 2016 das strukturelle Nulldefizit (bei dem krisenbedingte Ausgaben ausgeklammert sind) erreicht. "Warten Sie doch ab, bis es ein Budget für 2016 gibt", forderte Schelling. "Das ist unserer Job: Wir sind ein Frühwarnsystem", konterte Fiskalrat-Chef Bernhard Felderer.

Kommentare