Strafzölle: EU und China drohen mit Gegenmaßnahmen

Mexiko und Kanada zunächst von Zöllen ausgenommen. IWF warnt vor Vergeltungsspirale. Südkorea fordert Ausnahme. Deutschland bezeichnet die Zölle als "rechtswidrig".

Trotz der Warnungen vor einem Handelskrieg aus dem In- und Ausland hat US-Präsident Donald Trump Schutzzölle für die amerikanische Stahl- und Aluminiumindustrie erlassen. Von ihnen ausgenommen sind zunächst Kanada und Mexiko. Allerdings ist dies mit Fortschritten bei dem von Trump geforderten Umbau des NAFTA-Handelsabkommens verknüpft.

International stieß Trump erneut auf scharfe Kritik. China fordert eine Rücknahme der Zölle und drohte mit Gegenmaßnahmen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte vor einer Vergeltungsspirale. Die EU, Japan und Südkorea forderten ebenfalls, von den Zöllen ausgenommen zu werden. Südkorea drohte zudem, die Welthandelsorganisation WTO einzuschalten. Die deutsche Wirtschaft fürchtet eine Eskalation des Handelsstreits mit unabsehbaren Folgen.

Die Arbeiter in der US-Stahl- und Aluminiumbranche seien "das Rückgrat des Landes", erklärte Trump. Es habe aber "einen Angriff auf unser Land" durch Billig-Importe gegeben. Die Zölle seien wichtig, um die Wirtschaft zu schützen, aber auch aus Gründen der nationalen Sicherheit notwendig. "Ohne Stahl hat man keinen Staat", sagte er. "Wer keine Steuern zahlen will, soll sein Werk in die USA bringen." Neben Kanada und Mexiko könnten andere Länder Ausnahmen beantragen, sagte er weiter. Dabei würden unter anderem die Verteidigungsausgaben der Verbündeten berücksichtigt. Trump hat wiederholt NATO-Staaten kritisiert, die - wie Deutschland - weniger für Rüstung ausgeben als von der Allianz vereinbart. Die US-Regierung hatte zunächst angedeutet, gegen alle Staaten Zölle verhängen zu wollen.

Retourkutschen voraus

Die Maßnahmen sollen frühestens in 15 Tagen greifen. Aber bereits kurz nach der Verkündigung regte sich international Kritik und Widerstand. IWF-Chefin Christine Lagarde befürchtet weltweit eine Retourkutsche nach der anderen zum Schaden der globalen Wirtschaft.

Mexiko und Kanada kündigten an, sich durch die angebotene Schonfrist bei den NAFTA-Verhandlungen nicht unter Druck setzen zu lassen. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire äußerte sich enttäuscht von Trumps Dekret. In einem Handelskrieg gebe es nur Verlierer, sagt er. Gemeinsam mit seinen EU-Partnern werde Frankreich die Folgen für die heimische Industrie abschätzen und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Die EU-Kommission prüft bereits neue Importabgaben auf US-Waren wie etwa Whiskey, Orangensaft und Erdnussbutter. Insgesamt stehen Produkte im Wert von 2,8 Milliarden Euro im Visier.

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström forderte ebenso wie Vize-Kommissionspräsident Jyrki Katainen Ausnahmen auch für die Europäische Union. Die EU sei ein enger Verbündeter der USA. Gelegenheit für Gespräche bietet sich beim Besuch des US-Handelsbeauftragen Robert Lighthizer am Samstag in Brüssel. Die EU plane eine Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO), sagte Malmström weiter. Außerdem würden Schutzmaßnahmen für den eigenen Stahl- und Aluminiumsektor geschaffen werden. Und schließlich sei die bekannte Liste mit US-Produkten in Arbeit, auf die Zölle verhängt werden könnten. "Wir hoffen, das wird nicht nötig." Die EU-Kommission sei dabei führend und koordinierend zuständig, sie spreche sich jedoch ununterbrochen mit den EU-Staaten ab, erklärte Malmström. Beratungen seien noch nötig. "Wir haben starken Rückhalt."

Japan schloss sich dem an. Schließlich täten die japanischen Lieferungen viel für die Beschäftigung und die Industrie in den Vereinigten Staaten, sagt Kabinettsminister Yoshihide Suga. China forderte eine Rücknahme der Zölle und kündigte an, seine Rechte und Interessen fest entschlossen zu verteidigen.

Ifo-Chef kritisiert "gefährlichen Irrweg"

Ifo-Chef Clemens Fuest hat die Strafzölle als "gefährlichen Irrweg" bezeichnet. "Die EU sollte mit begrenzten Strafzöllen antworten, aber gleichzeitig auf die USA zugehen und anbieten, bei einem Verzicht auf US-Strafzölle über eine weitere Öffnung des EU-Marktes für US-Produkte zu verhandeln", sagte der Fuest am Freitag.

Außerdem sollte die EU ihrerseits keinesfalls Zölle auf Stahlimporte aus China oder Indien einführen, selbst wenn jetzt mehr Stahl aus diesen Ländern in Europa angeboten werde. "Es ist wichtig, den Freihandel außerhalb der USA aufrechtzuerhalten. Sonst droht eine weltweite Ausbreitung des Protektionismus."

Deutsche Regierung sieht Zölle als "rechtswidrig"

Die deutsche Regierung hat die von US-Präsident Donald Trump verhängten Schutzzölle als "rechtswidrig" bezeichnet. Die Maßnahme habe nichts mit der nationalen Sicherheit der USA zu tun, sondern diente rein wirtschaftlichen Interessen, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Freitag in Berlin. Sie seien mit WTO-Recht nicht vereinbar. Die EU werde eine gemeinsame, deutliche Antwort finden. "Wir sind dabei, die Antwort zu finden." Eine "Eskalationsspirale" könne allen schaden. "Zölle treffen in erster Linie die Verbraucher."

Auch die deutsche Wirtschaft zeigte sich besorgt. Außenhandelspräsident Holger Bingmann äußerte sich "bitter enttäuscht" von Trump. "Jetzt kann man nur hoffen, dass niemand überreagiert", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Wir raten dringend zur Besonnenheit." Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, forderte EU auf, gemeinsam mit internationalen Partnern bei der WTO Klage zu erheben, aber auch WTO-konforme Gegenmaßnahmen. "Dabei ist Augenmaß wichtig", warnte Wansleben. Auch die scheidende deutsche Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries brachte bereits eine Klage vor der WTO ins Spiel.

Trump unterzeichnete seinen Erlass faktisch zeitgleich mit dem Ende des Handels an den New Yorker Börsen. Die Wall Street schloss leicht im Plus. Am Markt hätten die Ängste vor einem weltweiten Handelskrieg etwas nachgelassen, sagten Marktteilnehmer.

In ersten Reaktionen kritisierten auch Parteifreunde Trumps die Zölle. Senator Jeff Flake kündigte umgehend eine Gesetzesvorlage an, um sie aufzuheben. Der ranghöchste Republikaner im Repräsentantenhaus, Paul Ryan, zeigte sich besorgt wegen möglicher "unbeabsichtigter Konsequenzen" der Entscheidung. Er werde die Regierung dazu drängen, die Maßnahmen enger zu fassen. Ähnlich äußerte sich der republikanische Senator Orrin Hatch, Vorsitzender des Finanzausschusses. Er wolle der Regierung dabei helfen, "den Schaden zu begrenzen".

"Guardian" (London):

"Trump meint, Handelskriege seien gut und leicht zu gewinnen, doch er geht größere Risiken ein, als er zu glauben scheint. Wenn Zölle in den USA zu höheren Verbraucherpreisen führen, könnte das eine höhere Inflation bewirken und einen stärkeren Anstieg der Zinsen der US-Zentralbank. Die Verkündung von Strafzöllen erfolgt zu einer Zeit, da Steuersenkungen die Nachfrage in einer Wirtschaft ankurbeln, in der nahezu Vollbeschäftigung herrscht. Wenn die Importpreise steigen und damit das Handelsdefizit der USA, wird Trump versucht sein, darauf mit weiteren protektionistischen Maßnahmen zu reagieren. (...)

Doch das Gerede über einen ausgewachsenen Handelskrieg - oder gar eine Rückkehr zu den düsteren Zeiten der 30er Jahre - ist völlig übertrieben. Erstens machen Stahl und Aluminium nur zwei Prozent des Welthandels aus, so dass die Folgen der Strafzölle bescheiden ausfallen werden. Zweitens scheinen die anderen großen Akteure im Welthandel bisher zurückhaltend zu reagieren. Die EU und China sind auf Export angewiesen. Trump geht davon aus, dass Brüssel und Peking bei direkten Konfrontation als erste einlenken. Damit hat er wohl recht."

"De Tijd" (Brüssel):

"Es geht um viel mehr als nur um Stahl und Aluminium. Es geht um das nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene System von Absprachen über den Welthandel. Und diese Absprachen wurden aus guten Gründen getroffen. Sie sollten eine Wiederholung des tödlichen Protektionismus der 30-er Jahre verhindern. Mit den Proklamationen, unter die Trump jetzt seine Unterschrift setzte, drohen wir erneut in ein brutales Machtspiel abzugleiten, das völlig unnötig ist, wirtschaftlichen Schaden verursacht und von dem zu befürchten ist, dass wir bislang nur den Anfang gesehen haben."

"Le Figaro" (Paris):

"(US-Präsident) Donald Trump ist manchmal unvorhersehbar und unerklärlich, wenn er amerikanische Diplomatie betreibt. Das ist er deutlich weniger, wenn es um die Wirtschaft geht. Sein protektionistischer Kreuzzug kann natürlich allgemeines Protestgeschrei auslösen, aber er stand in Großbuchstaben in seinem Wahlprogramm. (...) Nach dieser Feststellung bleibt eine Frage: Verbessert sich der Gesundheitszustand eines Landes, wenn seine Grenzen einmal geschlossen und die ausländischen Produkte mit einem Steueraufschlag belegt sind? Die Erfahrung zeigt, dass dem nicht so ist, ganz im Gegenteil. In einer vollständig verflochtenen und digitalisierten Wirtschaftswelt bleibt der Protektionismus eine Illusion, die wirklich mehr zerstört als sie beschützt."

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