Steuertricks: EU verschärft Kampf gegen Windmühlen
Die Europäer wollen der Welt signalisieren: Wir meinen es ernst. "Die EU steht an vorderster Front im Kampf gegen Steuervermeidung", sagte der maltesische Finanzminister Edward Scicluna am Dienstag. Die 28 EU-Finanzminister hatten sich in Brüssel auf ein Paket geeinigt, das Steuerschlupflöcher schließt.
Bisher konnten multinationale Unternehmen die Körperschaftsteuer umgehen, indem sie Unterschiede in den Steuersystemen von EU-Staaten und Staaten außerhalb ausnutzten. Dem wird ein Riegel vorgeschoben – aber erst ab 2020. Ein Kompromiss, denn in Steuerfragen müssen alle 28 Mitglieder zustimmen. Dennoch sei das ein "mutiger Schritt", sagte Scicluna. Dieser werde einige Staaten treffen, die um ihre steuerliche Wettbewerbsfähigkeit bangen.
Von Saulus zu Paulus
Tatsächlich war Skepsis angebracht, wie ernsthaft der Vorstoß ausfallen würde. Denn Malta, das derzeit den EU-Ratsvorsitz führt, steht bei aggressiven Steuerpraktiken EU-intern selbst auf Platz vier, ergab eine Kommissionsstudie aus dem Vorjahr (siehe Grafik). Und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat das Steuerthema zwar ganz oben auf die Agenda gesetzt. Glauben wollten ihm Kritiker das aber nur bedingt, weil er früher als Finanzminister und Premier in Luxemburg genau jene Maßnahmen vorangetrieben hatte, denen er jetzt den Kampf ansagt.
Ominöse "schwarze Liste"
Wie schwierig es ist, einen Trennstrich zwischen intensivem Steuerwettbewerb und verpöntem Dumping zu ziehen, zeigt das Ringen um eine "schwarze EU-Liste" für unkooperative Steueroasen. Die Finanzminister einigten sich zwar auf Kriterien, diese fielen aber äußerst weich aus.
EU-Experten hatten kürzlich an gut 90 Länder Briefe wegen steuerrechtlicher Bedenken geschickt. Diese können nun reagieren; die finale Liste soll bis Ende 2017 stehen. Laut Schätzungen entgehen den öffentlichen Kassen in der EU wegen Steuertricks von Unternehmen 50 bis 70 Milliarden Euro pro Jahr.
Börsensteuer vertagt
Einen langsamen Tod droht die Finanztransaktionssteuer zu sterben, die zehn EU-Länder einführen wollten. Wegen des Ausscheidens der Briten aus der EU (Brexit) sei das Umfeld nicht günstig, erklärte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble. Etliche EU-Länder wollen britische Großbanken zu sich locken. Dabei wäre eine zusätzliche Börsensteuer eher hinderlich.
Apple greift die milliardenschwere Steuernachzahlung in Irland in seiner Klage beim EU-Gericht auf breiter Front an. In den erstmals veröffentlichten Informationen zur Klageschrift listet der iPhone-Konzern 14 Gründe für den Gang vor Gericht auf.
So habe die EU-Kommission unter anderem das irische Recht nicht richtig ausgelegt und Fehler bei der Bewertung der Tätigkeit von Apple gemacht. Weiters habe sie "keine sorgfältige und unparteiische Untersuchung durchgeführt".
Apple will erreichen, dass die Entscheidung der Kommission, wonach der Konzern in Irland 13 Mrd. Euro an Steuern plus eventuelle Zinsen nachzahlen muss, annulliert wird.
Unerlaubte Beihilfe
Die Brüsseler Wettbewerbsaufsicht hatte nach jahrelanger Prüfung Ende August befunden, dass die Steuervereinbarungen von Apple in Irland eine unerlaubte staatliche Beihilfe darstellen. Apple habe deutlich weniger als den für alle geltenden Satz von 12,5 Prozent gezahlt. Grund dafür war demnach unter anderem, dass das Land den Konzern als Arbeitgeber gewinnen wollte. Apple wickelt in Irland über Tochterfirmen große Teile seines internationalen Geschäfts ab.
Der Konzern kontert, dass das Geld eigentlich in den USA zu versteuern sei und in Irland nur bis dahin aufbewahrt werde. Auch habe Apple in dem Land keine Vergünstigungen erhalten, die nicht für andere Unternehmen verfügbar gewesen wären.
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