Starker Einbruch bei Einzelhandelsimmobilien
Die wochenlange, behördlich verfügte Schließung von Geschäften zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie hat dem Einzelhandel extrem zugesetzt. Augenfälligste Folge dieser desaströsen Rahmenbedingungen sei eine Häufung von Insolvenzen gewesen, wie sie seit langem nicht mehr zu verzeichnen gewesen sei, heißt es im aktuellen EHL-Branchenbericht zu den Wiener Einzelhandelsimmobilien.
Unter den Insolvenzen, Schließungen oder radikalen Filialreduktionen finden sich prominente Namen wie Esprit, Stefanel, Runners Point, Dressman und Tally Weijl, in der Systemgastronomie seien Vapiano und Maredo die bekanntesten Krisenopfer gewesen.
Robuste Nahversorger
Zu den Krisengewinnern gehört der Lebensmittelhandel. Die großen Vier - Rewe, Spar, Hofer und Lidl - sind dem Bericht zufolge weiterhin expansiv und auch Nischenanbieter wie Bio-Supermärkte hätten sich gut gehalten und hätten intakte Wachstumsperspektiven. Generell hätten sich "alle Nahversorgungsbranchen wie Drogerie- oder Baumärkte in der Krise als robust erwiesen", auch Sportgeschäfte hätten nach Ende des Shutdowns sehr zufriedenstellende Umsätze erzielt.
Einzelne Branchen, die von der Krise sogar profitierten, wie etwa Gartenmärkte, blieben aber die große Ausnahme. Branchenübergreifend schnitten auch Diskonter überdurchschnittlich ab, was auf das steigende Preisbewusstsein der Konsumenten in dem sehr schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zurückzuführen ist.
Sinkende Mieten
Aufgrund der herausfordernden Situation im Handel und in der Gastronomie werden die Mieten nun zum Teil sinken, insbesondere in teuren Lagen mit hohem Tourismusanteil. Stabil bleiben dürften die Zahlungen in Einkaufsstraßen sowie in Shopping- und Fachmarktzentren mit primärer Nahversorgungsfunktion sowie an den Top-Standorten. In innerstädtischen Toplagen wie der Inneren Mariahilfer Straße, aber auch in einem großen Teil der Einkaufszentren werde das derzeitige Mietniveau laut EHL-Bericht bestenfalls stagnieren.
Es sei bereits ein Trend zu einer stärkeren Differenzierung der Mieten entsprechend der Branchen- und Unternehmensbonität festzustellen. Es werde also zu einer stärkeren Flexibilisierung der Mietzahlungen kommen - an Bedeutung gewinnen dürften umsatzabhängige Mieten bzw. Mischformen mit niedriger Fixmiete plus umsatzabhängige Zahlungen, heißt es in dem Branchenbericht weiters. Die Laufzeit neuer Mietverträge werde tendenziell sinken.
Vermieter seien noch mehr als bisher bereit, nachhaltig erfolgreiche Ketten, insbesondere aus der Lebensmittelbranche, mit attraktiven Konditionen langfristig zu binden, um sich Mieter zu sichern, die eine langfristige Verwertung ohne nennenswertes Ausfallrisiko versprechen.
Konkurrenz Onlinehandel
Die Krise hat aber auch bereits bestehende Schwächen in der Branche spürbar gemacht - wesentliche Teile des filialgebundenen Einzelhandels litten bereits vor Corona unter der immer stärker werdenden Onlinekonkurrenz, was schon seit längerem trotz guter Konjunktur weitgehend stagnierende Umsätze zur Folge hatte. Der längerfristige Wandel im filialgebundenen österreichischen Einzelhandel werde nun "deutlich beschleunigt". Filialbereinigungen, insbesondere im Textil- und Schuhbereich, würden schneller und konsequenter umgesetzt werden, als das noch im Vorjahr zu erwarten gewesen sei.
Nach fünf aufeinanderfolgenden Jahren mit rückläufigem Flächenbestand sei es 2018 und 2019 noch zu einer Stabilisierung der Einzelhandelsflächen gekommen. Diese leichte Erholung wurde nun durch Coronakrise und Konjunktureinbruch abrupt gestoppt. Ein Teil der Leerflächen infolge von Insolvenzen und Filialschließungen dürfte dem Einzelhandelsimmobilienmarkt mangels wirtschaftlicher Perspektiven "wohl dauerhaft entzogen werden". Im Gegensatz zu den Vorjahren kämen auch aus den Branchen, die bisher in größerem Ausmaß freiwerdende klassische Einzelhandelsflächen absorbierten, also etwa Gastronomie und Gesundheitsdienstleister, derzeit nur recht vereinzelt Impulse.
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