Sprit-Märchen: Autofirmen tricksen auch beim Verbrauch

Sprit-Märchen: Autofirmen tricksen auch beim Verbrauch
Nicht nur bei Schadstoffen wird manipuliert - Pkw schlucken um 40 % mehr Kraftstoff als angegeben.

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen hat mittlerweile die gesamte Branche erfasst. Zwar dürften andere Hersteller nicht so dreist vorgegangen sein wie die Wolfsburger. Jedoch wird quer durch die Bank der Ausstoß von Schadstoffen, aber auch der Verbrauch schön gerechnet. Das zeigt in bisher ungeahntem Ausmaßeine gestern, Montag, veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts ICCT (International Council of Clean Transportation).

Demnach verbrauchen Neuwagen im realen Fahrbetrieb im Durchschnitt um 40 Prozent mehr Sprit als die Hersteller versprechen. Bei 15.000 gefahrenen Kilometern im Jahr bedeutet das laut Studie zusätzliche Spritkosten von 300 Euro. "Seit dem Jahr 2001 hat sich die Abweichung zwischen Normverbrauch und tatsächlichem Verbrauch verfünffacht", heißt es. Bei Diesel-Pkw sei die Abweichung sogar noch höher als bei Benzin-Pkw.

"Das ist für Österreich besonders relevant", sagt Christian Gratzer, Sprecher des Verkehrsclub Österreich (VCÖ), zum KURIER. Denn hier zu Lande sind fast 2,7 Millionen Diesel-Pkw zugelassen, das ist ein Anteil von rund 57 Prozent. 1990 waren es erst 14 Prozent. "Für den Diesel spricht die um 8,5 Cent geringere Besteuerung gegenüber Super", sagt Arbö-Sprecher Sebastian Obrecht. Und der offiziell geringere Verbrauch bedeute auch einen geringeren CO2-Ausstoß, was sich wiederum positiv auf die Normverbrauchsabgabe (NoVA) auswirke. "Nicht zuletzt ist Österreich ein VW-Land. Und VW baut unabhängig vom Skandal grundsätzlich gute Dieselmotoren", sagt Obrecht. Wer einen Diesel im Durchschnitt 15.000 Kilometer im Jahr fahre, habe die höheren Anschaffungskosten nach rund fünf bis sechs Jahren herinnen. Zwei Drittel der Zulassungen lauten auf Firmen oder Behörden.

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Diesel für Lkw

Dass Diesel steuerbegünstigt ist, hat laut VCÖ historische Gründe. Man wollte die Wirtschaft begünstigen, da Diesel lange Zeit fast ausschließlich von Lkw getankt wurde. In den 90er-Jahren wurde die Mineralölsteuer zunächst nur auf Benziner erhöht, so dass auch Private verstärkt zum Diesel griffen. Später stieg auch die Steuer auf Diesel, doch ein Gleichziehen mit Super scheitert laufend an der Transportwirtschaft, aber auch unter Verweis auf den Tanktourismus.

Laut Studie ist die Abweichung bei Premium-Fahrzeugen besonders hoch und bei allen großen Herstellern festzustellen. "Vor allem dann, wenn eine neue Modellreihe auf den Markt kommt, gibt es einen sprunghaften Anstieg bei der Abweichung", sagt Gratzer. Dies betrifft auch den CO2-Ausstoß. So dürfen die durchschnittlichen Emissionen der Neuwagenflotte eines europäischen Herstellers heuer höchstens 130 Gramm CO2/km ausmachen. Auf dem Papier gelingt dies quer über alle Hersteller mit durchschnittlich 123 Gramm. Tatsächlich emittiert würden aber 160 Gramm. Bis Ende 2020 gibt die EU einen Zielwert von nur 95 Gramm vor. Wie sich das vor einer bevorstehenden Verschärfung der Testbedingungen ausgehen soll, ist unklar. Die deutsche Regierung plant ein neues Verfahren für 2017, wie sie am Montag verlautbarte.

Winterkorn

Unterdessen geht im VW-Diesel-Skandal die Aufarbeitung weiter. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat Ermittlungen gegen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn aufgenommen. Die Behörde leitete nach mehreren Strafanzeigen ein Verfahren wegen des Verdachts auf Betrug ein. Von den elf Millionen betroffenen Autos, die mit der manipulierten Software ausgerüstet sind, handelt es sich in 2,1 Millionen Fällen um Audi. 62.000 davon sind in Österreich zugelassen. Wie viele Fahrzeuge insgesamt hierzulande betroffen sind, ist nach wie vor offen. Ein Verkaufsstopp von betroffenen Neuwagen wie in der Schweiz ist in Österreich laut Verkehrsministerium rechtlich nicht möglich. Man gehe in der Causa gemeinsam mit Deutschland vor.

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