Spar-Chef Reisch auf Expansionskurs: "Wir suchen 2.000 Leute"
Hans Reisch spricht über sinkende Preise, schwierige Verhandlungen mit Lieferanten und warum ausschließliche Selbstbedienung mit Kartenzahlung nicht funktioniert.
KURIER: Spar feiert heuer sein 70-jähriges Bestehen. Seit dem Jahr 1954 hat sich die Supermarkt-Landschaft in Österreich maßgeblich verändert. Was sind für Sie heute die größten Herausforderungen?
Reisch: Für uns ist die weitere Expansion im Osten Österreichs die größte Herausforderung. Wir haben insgesamt einen Marktanteil von 36,7 Prozent über ganz Österreich. In Wien sind es unter 30 Prozent. Da sollten wir relativ rasch aufholen.
Von wie vielen zusätzlichen Märkten reden wir da?
Auf jeden Fall von mehr als 20.
Gibt es überhaupt so viel Platz, so viele freie Flächen für neue Märkte? Für uns muss es Platz geben und gibt es auch Platz. Es geht auch um Erweiterung bestehender Flächen. Wir haben erst vor wenigen Tagen am Kärntner Ring einen sehr guten Standort, einen Spar Gourmet-Markt, erweitert und eröffnet. Wir expandieren sehr kräftig in Wien und das müssen wir auch weiter machen, um in die Nähe unseres allgemeinen Marktanteils zu kommen. Das betrifft aber auch Niederösterreich und das Burgenland, wo wir ebenfalls expandieren wollen. Eine weitere Herausforderung sind die Verhandlungen mit den internationalen Markenartikel-Konzernen. Die gehen mit den Preisen nicht so weit zurück, wie wir das wollen.
Bei einer seit Monaten sinkenden Inflation, was führt die Lebensmittelindustrie da ins Treffen?
Wir mussten ja Preiserhöhungen akzeptieren aufgrund der Energiepreissituation – gerechtfertigterweise auch. Aber die Energiepreise gehen wieder zurück und natürlich versuchen wir, dass in den Preisen auch wieder unterzubringen.
Wie sehr macht sich bei Ihnen der Arbeits- und Fachkräftemangel bemerkbar?
Wir haben seit der Pandemie mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen gehabt, gerade in der Feinkost haben wir da ein Thema. Die Situation stabilisiert sich aber jetzt, es scheint sich der Arbeitsmarkt etwas zu entspannen. Trotzdem suchen wir im Feinkost- und Bedienungsbereich nach wie vor viele Fachkräfte.
Von wie vielen offenen Stellen reden wir aktuell in Ihrem Unternehmen?
Wir suchen derzeit 2.000 Leute, sind aber von 2.500 hergekommen. Daher sage ich, die Situation stabilisiert sich langsam.
Die Inflation sinkt – auch bei Lebensmitteln. Dennoch verbinden die Menschen höhere Preise fast immer mit Lebensmitteln. Wie erklären Sie sich das?
Vor einem Jahr hatten wir ungefähr zehn Prozent Inflation. Jetzt sind wir in unserem Sortiment sogar bei einer Deflation angekommen. Über unser Sortiment betrachtet, sinken also die Preise. Die Inflation ist es also sicher nicht mehr und wir versuchen, bei unseren großen Lieferanten die entsprechenden Preissenkungen durchzusetzen. Aber wir wissen natürlich auch, dass der Rohstoffmarkt sehr volatil ist. Da spielt natürlich die Wettersituation eine große Rolle, aber auch die Spekulanten, die sich die Preise quasi ausmachen.
Insgesamt sinken also die Preise, diskutiert werden aber vor allem die Ausreißer nach oben, wie Kakao oder Kaffee ... Da haben wir einfach das Problem, dass wir uns dem Markt unterwerfen müssen und nur so einkaufen können, wie wir die Ware auch bekommen. Und hier dominieren, wie gesagt, Spekulanten und Wetterkapriolen das Geschehen.
Der Handel insgesamt leidet unter der allgemeinen Konsumzurückhaltung, die Banken sprechen von Angstsparen. Wie stark merken Sie im Lebensmittelhandel eigentlich die zweijährige Wirtschaftsflaute? Nicht wirklich, wir haben schon ordentliche Steigerungen zum Vorjahr – obwohl man die Phasen mit zehn Prozent Inflation und jetzt null Inflation bei uns sehr schwer vergleichen kann.
Da muss man also genauer unterscheiden, ob wir vom mengenmäßigen Wachstum oder dem preisbedingten Umsatz sprechen ...
Völlig richtig. Und der Lebensmittelhandel ist natürlich nach oben und nach unten auch nicht so volatil wie andere Bereiche des Handels. Gegessen und getrunken wird immer, eine neue Couch, einen neuen Fernseher braucht man nicht jedes Jahr.
Nach dem Hochwasser sind jetzt viele Felder zerstört, viele Ernten ruiniert. Woher bekommen Sie jetzt die Ware? Gibt es Alternativen?
Es gibt immer Alternativen, es war ja Gott sei Dank nicht das ganze Land überschwemmt. Wir versuchen natürlich, so viel wie möglich im Inland abzudecken, und versprechen den Landwirten, ihre Ware abzunehmen, sobald eine Ernte wieder möglich ist.
Waren Ihre eigenen Märkte auch vom Hochwasser betroffen? Wie groß ist der Schaden?
Da sind wir mit dem berühmten blauen Auge davon gekommen. Wir mussten nur an zwei Standorten je einen Tag schließen. Unsere Mitarbeiter haben auch großartig reagiert und teils das Geschäft sogar dem eigenen Heim vorgezogen.
Mitbewerber M-Preis im Westen Österreichs geht es schlecht, hört man oft. Wären Sie an einer Übernahme interessiert, sollte sich die Frage einmal stellen?
Wir sind immer an Expansionsmöglichkeiten interessiert, das ist ganz klar. Aber bei M-Preis ist das aussichtslos. Das geht kartellrechtlich nicht, dafür ist unser Marktanteil im Westen Österreichs schon zu hoch. Wir sind die Nummer 1 und M-Preis ist die Nummer 2 in Tirol.
Man sieht immer mehr Selbstbedienung und bargeldloses Zahlen in den Supermärkten. Kommt in absehbarer Zeit die reine Selbstbedienungsfiliale, wo nur noch mit Karte bezahlt werden kann?
Nein, das funktioniert nämlich überhaupt nicht. Da gibt es Beispiele aus der Schweiz, wo nach einem Test mit ausschließlich SB-Kassen jetzt wieder Bedienkassen eingeführt werden. Wir bieten immer Bedienkassen und zusätzlich, wo es Sinn macht, auch SB-Kassen. Wichtig sind auch Bargeldmodule, denn nur bargeldloses Bezahlen im SB-Bereich mögen die Österreicher auch nicht.
Am vergangenen Sonntag wurde gewählt. Bis eine neue Bundesregierung steht, kann es freilich noch dauern. Was sind Ihre Wünsche an eine künftige Koalitionsregierung?
Für uns wäre eine Senkung der Lohnnebenkosten sehr wichtig, damit unseren Mitarbeitern mehr netto im Börserl bleibt. Das sollte man unbedingt machen. Und dazu die Entbürokratisierung, vor allem auch der EU-Vorschriften. Manchmal sind die neuen Regeln ja vom Ansatz her gut und durchaus sinnvoll. Aber sie müssen auch umsetzbar sein. In der Praxis ist das oft nur schlimm. Das reicht vom Lieferkettengesetz bis zur Entwaldungsverordnung (siehe Seite 8). Dieser aufgeblasene bürokratische Apparat bindet nur Personal und Ressourcen.