"Sozialwirtschaft wird heuer 2.000 Euro Mindestlohn erreichen“

"Sozialwirtschaft wird heuer 2.000 Euro Mindestlohn erreichen“
Gewerkschaften fordern 15 Prozent mehr Lohn und Gehalt, Arbeitgeber bieten bisher nur 8,8 Prozent.

Die erste Verhandlungsrunde für den Kollektivvertrag für die rund 110.000 Beschäftigten im privaten Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich ist am Dienstag ohne Ergebnis verlaufen. Die Gewerkschaften GPA und vida fordern 15 Prozent mehr Lohn bzw. zumindest 400 Euro mehr im Monat.

Indes hat die Arbeitgeberseite, die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), die 600 Organisationen umfasst, nur die Abgeltung der Inflation der vergangenen zwölf Monate in Höhe von 8,8 Prozent angeboten. Gestern, Mittwoch, erklärte SWÖ-Chef Erich Fenninger (Volkshilfe) die Lage aus seiner Sicht.

„Wir haben manchmal das Gefühl, dass die Pflege in der Berichterstattung so stark dominiert, aber wir sind deutlich breiter aufgestellt. Hundert Berufsgruppen sind in der Sozialwirtschaft repräsentiert – von der Pflege über die Heimhelfer bis hin zu den Elementarpädagogen“, sagt Fenninger. „Auch der Behindertenbereich, die Betreuung psychisch erkrankter Menschen, bis hin zur Wohnungslosen-Hilfe und zur Migrationsarbeit gehören dazu.“

Ausbildungsplätze

Die meisten Organisationen seien gemeinnützig, viele dieser Dienstleistungen könnten sich die Betroffenen selbst nicht leisten. „Wir brauchen immer die öffentliche Hand. Diese ist dafür verantwortlich, dass die Rahmenbedingungen nicht so sind, wie wir sie gerne hätten“, sagt Fenninger. „Das betrifft die Finanzierung und die Versorgungssicherheit. Wir sehen im Gesundheits- und Sozialbereich, dass es immer mehr Versorgungslücken gibt.“ Nachsatz: „Wir sehen, dass wir in Krisen kommen, weil es ein Versagen der Politik gegeben hat.“

Die SWÖ habe schon vor 20 Jahren davor gewarnt, dass es zu wenige Ausbildungsplätze gibt. Es gibt in den Bundesländern mittlerweile massive Probleme in Sachen Ausbildung. Dabei sei die Branche attraktiv und verzeichne ein Riesen-Wachstum. Die Zahl der Pflegebedürftigen steige pro Jahr um zwei Prozent.

Aber die Rahmenbedingungen seien „nicht ausreichend gut“. So habe der Druck auf die Beschäftigten zugenommen. „In der Praxis haben wir zum Beispiel Teams, die personell nicht ausreichend besetzt sind“, sagt Fenninger. Sein Verband nehme die Arbeitnehmer ernst und wolle bestmögliche Arbeitsbedingungen für Mitarbeitenden schaffen.

Pflegekräfte

„Wir hatten in den vergangenen drei Jahren ähnliche Lohnsteigerungen wie die Metaller und höher als der Handel“, sagt SWÖ-Geschäftsführer Walter Marschitz. „Wir werden heuer in den Verhandlungen auch die 2.000 Euro Mindestlohn erreichen.“ Pflegekräfte erhalten neben dem KV-Lohn auch noch staatliche Zuschüsse.

„Das Angebot über 8,8 Prozent Lohnerhöhung wurde gemacht, obwohl es noch nicht in trockenen Tüchern ist, dass wir das von den Fördergebern zurückbekommen“, sagt Marschitz. „Die maximale Forderung der Gewerkschaften wird aber am Ende des Tages nicht das Verhandlungsergebnis sein können.“ Die nächsten KV-Verhandlungen finden am 15. November und am 27. November statt.

Bereits diesen Freitag verhandeln die Metaller in dritter Runde. Es werden schwierige Gespräche, fordern die Gewerkschaften doch 11,6 Prozent mehr Lohn. Indes bieten die Arbeitgeber bisher nur 2,5 Prozent Lohnerhöhung plus eine Einmalzahlung in Höhe von 1.050 Euro. Sollte keine Lösung erzielt werden, haben die Gewerkschaften Betriebsversammlungen angekündigt.

Der Verband

Die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) ist die größte  Interessensvertretung der sozialen Dienstleister. Rund 600 Organisationen mit 85.000 Beschäftigten gehören zur SWÖ. Diese umfasst rund 100  Berufsgruppen.

Acht Milliarden Euro

Die Betriebe der SWÖ setzen im Jahr 5,3 Mrd. Euro um, rechnet man alle vom KV umfassten Beschäftigten dazu, kommt man auf acht Mrd.  Euro. Es gibt laut dem Verband keine Personalfluktuation. Im Gegenteil. Von 2008 auf 2022 ist die Zahl der Beschäftigen um 64 Prozent und in Pflegeheimen um 78 Prozent gestiegen. Der Mindestlohn beträgt derzeit 1.893 Euro

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