Sorge um Lebensmittel-Standards

Durch die Einfuhr von billigen Lebensmitteln aus den Vereinigten Staaten könnte die Ernährungssicherheit in Europa sinken.
USA drängen auf Zulassung von Gentechnik und Wachstumshormonen in der EU.

Die US-Lobbyisten haben volle Terminkalender. Bei den Verhandlungen über das Freihandels-Abkommen der EU mit den USA (TTIP) wollen die US-Konzerne ihre Interessen auch im Agrarbereich umfangreich gewahrt wissen. Die in der EU höheren Standards bei der Lebensmittelproduktion dürfen US-Agrarexporte nach Europa nicht mehr länger behindern, lautet deren Botschaft. Verhandelt wird etwa über die Zulassung von Gentechnik, Wachstumshormonen für die Schweinezucht oder auch über niedrigere Normen für Bioprodukte.

Der US-Chefverhandler für den Agrarbereich, Islam Siddiqui, war früher Vizepräsident einer Lobbyisten-Organisation der US-Saatgutkonzerne.

Alarm in Europa

Sorge um Lebensmittel-Standards
"Klug soll Entscheidung überdenken, sagt Landesrat Pernkopf.
Kein Wunder, dass in Europa die Alarmglocken läuten. „Es kann nicht sein, dass es bei uns sehr hohe Standards gibt und wir die Märkte für Produkte mit weitaus niedrigeren Standards öffnen müssen “, lautet die Kritik von Stephan Pernkopf, Agrar- und Umweltlandesrat in Niederösterreich sowie Präsident beim Ökosozialen Forum. „Es geht nicht allein um die Landwirtschaft, sondern auch um Tier- sowie Umweltschutz und den Sozialbereich.“

Eines ist klar: Wer mit niedrigeren Standards arbeitet, produziert billiger. Das erzeugt bei einer völligen Marktöffnung Druck auf die EU-Staaten, ihre höheren Standards abzusenken, um so beim Preis mithalten zu können. Sonst droht der Verlust von Marktanteilen und der Versorgungssicherheit aus eigener Produktion.

Ein möglichst hoher Prozentsatz bei der Selbstversorgung ist, so Pernkopf, „auch wegen der Ernährungssicherheit notwendig“. Die US-Lebensmittelaufsicht begutachtet nicht nach dem in der EU üblichen Vorsorgeprinzip. Auch wenn eine mögliche schädliche Wirkung nicht hundertprozentig nachgewiesen werden kann, ist in Europa ein Verbot möglich.

Verschlossene Türen

Dass die Verhandlungen mit den USA auch noch hinter verschlossenen Türen stattfinden, sorgt für massiven Unmut. Pernkopf spricht von „Geheimnistuerei“. Kein Wunder, dass die Rechtfertigung der EU-Kommission, man achte ohnehin auf die Sicherstellung der höheren Standards, von Konsumentenschützern als Beschwichtigungs-Politik verstanden wird.

Am Montag ist das Freihandelsabkommen im Austria Center in Wien ein Schwerpunkt der Wintertagung vom Ökosozialen Forum. Mit dabei ist auch der EU-Chefverhandler des Freihandelsabkommens, Ignacio Garcia Bercero. Er wird wohl mehrere kritische Fragen zu beantworten haben.

Es war kein großer Auftritt, wie es sie normalerweise gibt, wenn EU-Kommissare Reformen verkünden. Und es war auch kaum mehr als ein Nebensatz, den Agrarkommissar Dacian Ciolos bei seiner Rede zur Eröffnung der „Grünen Woche“ Donnerstagabend in Berlin fallen ließ. Der Inhalt ist nichtsdestotrotz brisant: Ciolos will endgültig Schluss machen mit den umstrittenen EU-Subventionen für europäische Agrarexporte nach Afrika.

„Ich bin bereit, ein für alle Mal auf die Erstattung für Ausfuhren in diese Entwicklungsländer vollständig zu verzichten – selbst in Krisenzeiten, wenn dieses Instrument noch angewendet werden könnte“, sagte Ciolos. „Diese Entscheidung wird unsere Agrarpolitik und unsere Entwicklungspolitik vollständig miteinander in Einklang bringen.“

Seit Jahresbeginn gibt es schon neue EU-Rechtsvorschriften, laut denen Export-Erstattungen als Instrument zur systematischen Unterstützung eines Wirtschaftssektors wegfallen. Die Subventionen dürfen nur noch in Krisenzeiten gezahlt werden.

Kritik an Preispolitik

Dem Kommissar ist das nicht genug: Er will „im Rahmen der präferenziellen Partnerschaftsabkommen mit den afrikanischen Ländern noch einen Schritt weiter gehen“.

Die Subventionen sind seit Langem umstritten: Kritiker führen seit Jahren an, dass durch die Unterstützung der europäischen Produzenten afrikanische Märkte mit EU-Ausfuhren überschwemmt würden. Mit den Billigpreisen, die durch die Subventionen möglich werden, könnten lokale Kleinbauern unmöglich mithalten und würden so ihre Existenzgrundlage verlieren.

Wann und ob Ciolos Worten Taten folgen werden, ist noch nicht klar. „Hierbei handelt es sich zunächst um die persönliche Meinung des Kommissars, eine gemeinsame Entscheidung der Kommission gibt es noch nicht“, sagte seine Sprecherin am Freitag zum KURIER.

Berlin ist im Jänner ein Fixpunkt für Agrarwirtschaft. Grund dafür ist die Grüne Woche, die größte Landwirtschaftsmesse der Welt, bei der sich auch die politischen Entscheidungsträger ein Stelldichein geben.

Bilder: Die Grüne Woche ist eröffnet

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GERMANY CHEESE WHEELS
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GERMANY INTERNATIONAL GREEN WEEK
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Worker walks through plant and flower pavilion dur
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BELGIUM EU AGRICULTURE COUNCIL
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A worker creates an artificial cornfield at the Ad
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GERMANY GREEN WEEK
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Cattle stand in an enclosure at the Adventure Farm
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Staff wearing traditional clothes poses for pictur
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Woman packages traditional roast almonds at Estoni
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Various bread creations are displayed at Russia pa
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GERMANY CHEESE WHEELS
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Man piles up hams at Portugal pavilion during prep
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A man arranges tulips at the Dutch pavilion during
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An artist puts finishing touches to sand sculpture
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Goats stand in animal pavilion during preparations

Noch vor dem offiziellen Messeauftakt dachte EU-Kommissar Dacian Ciolos laut über einen Stopp der Förderungen von Exporten nach Afrika nach (siehe oben), Tierschützer protestierten pünktlich zur Eröffnung gegen Massentierhaltung und Minister diverser Länder statten sich gleich in den ersten Messestunden Besuche an Messeständen ab. Die Bedeutung der Politiker korrespondiert dabei mit der Zahl der sie flankierenden Bodyguards und Kamerateams. Ihnen ist gemeinsam, dass sie nach dem obligatorischen Handshake-Foto von ihren Presseleuten zum nächsten Termin getrieben werden.

Gerhard Wlodkowski, Präsident der Österreichischen Landwirtschaftskammer, gab in Berlin offiziell seinen Nachfolger – den Präsidenten der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer, Herrmann Schutes – bekannt.

Bauernbundpräsident Jakob Auer forderte bei der Grünen Woche die Gründung von landwirtschaftlichen Fachhochschulen, weil die Uni-Ausbildungen zu wenig praxisorientiert seien. Auf die 35.000 österreichischen Milchbauern sieht Auer mit dem Fall der Milchquote nächstes Jahr schwierige Zeiten zukommen. „Wir werden mehr Milch haben und brauchen mehr Marketing“, machte Auer klar.

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