USA-Abkommen: Und ewig blecht der Steuerzahler

Laiki-Bank im März 2013: Sparer wollen Zugriff auf ihr Geld. Die Bank wurde zerschlagen, ein Grieche fordert nun von Zypern Schadenersatz.
Bei Bankpleiten rasierte Investoren könnten Schadenersatz erstreiten.

Im Zuge der Bankenunion wurde es hoch und heilig versprochen: Wenn künftig in der EU eine Pleitebank abgewickelt werden muss, sollen nicht mehr die Steuerzahler zahlen. Denn zuerst würden die Aktionäre, Bankgläubiger und Großanleger und letztlich über den Abwicklungsfonds die Finanzbranche insgesamt zur Kasse gebeten.

So ist es geplant. Durch die Hintertür könnte aber erst recht der Steuerzahler blechen müssen: Nämlich dann, wenn ein Großanleger den Schutz seiner Investitionen verletzt sieht, vor ein internationales Schiedsgericht zieht und Schadenersatz erstreitet. Genau diese Möglichkeit könnten die Handelsabkommen, die die EU mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) ausverhandelt, eröffnen. "Es ist nicht gesagt, dass ein Schiedsgericht so entscheiden würde. Aber es ist vorstellbar, dass ein Investor solche Ansprüche geltend machen könnte", sagt Michael Waibel zum KURIER.

Rechtsstreitigkeiten rund um Staatspleiten sind das Spezialgebiet des Vorarlbergers, der an der Elite-Uni Cambridge lehrt. Er hat alle verfügbaren Entscheidungen von Schiedsgerichten analysiert und kommt zum Schluss: Die EU müsse in den Handels- und Investitionsabkommen extra dafür sorgen, dass solche Klagsfälle ausgeklammert werden. Eigentlich sollen diese Abkommen Unternehmen vor staatlicher Willkür und Enteignung schützen. Mittlerweile werden aber Staaten oft aus dubiosen Gründen geklagt – die Definition von "fairer Behandlung" lässt sich recht frei auslegen. Könnten Investoren spekulieren, ihr bei Bankpleiten verlorenes Geld über Schiedsgerichte zurückzuholen, wäre das ein fatales Signal: Risiko würde belohnt – es wäre attraktiver, Geld in kaputte Banken zu stecken.

Dass Konzerne Staaten fernab regulärer Gerichte vor Sonderjurys – etwa jene, die der Weltbank in Washington angeschlossen ist (ICSID) – zerren können, ist wild umstritten. Weil die Proteste sogar die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA an den Rand des Scheiterns brachten, hat die EU-Kommission im März eine 90-tägige Nachdenkphase verordnet. Kritiker dürfen nun Einwände vorbringen.

Kommission beruhigt

Man dürfe keine falschen Rückschlüsse auf Basis früherer Streitfälle ziehen, kalmiert der Sprecher von EU-Handelskommissar Karel De Gucht. Die Kommission wolle die Streitschlichtung zwischen Investoren und Staaten verbessern: "Unser Ziel ist es auf jeden Fall, dass politische Maßnahmen zur Krisenbekämpfung nicht angefochten werden können", heißt es auf Anfrage des KURIER. Das umfasse Zahlungsbilanzprobleme von Staaten, aber auch Notenbank- oder Wechselkursgeschäfte, etwa zum Schutz des Euro. In den Verträgen der EU mit den USA und Kanada solle es Ausnahmen geben, falls staatliche Eingriffe nötig sind, um Spareinlagen oder die Stabilität des Finanzsystems zu schützen.Sogar in der Eurozone wird schon prozessiert. Zwei pikante Fälle harren der Entscheidung: Die slowakische Poštová Bank geht gegen Griechenland vor, weil sie beim Schuldenschnitt mit Staatsanleihen Geld verloren hat. Und ein griechischer Ex-Aktionär will 820 Mio. Euro von Zypern, die er bei der Notverstaatlichung der Laiki-Bank verloren habe.

Warum räumen Staaten den Investoren überhaupt Sonderklagerechte ein? Weil sie hoffen, attraktiver für Investoren zu werden. Studien sehen dafür aber keine Belege. Neun osteuropäische EU-Staaten haben schon Investitionsabkommen mit den USA; zehn US-Firmen haben auf deren Basis Klagen wegen ungerechter Behandlung eingebracht. Nur eine behielt bis dato Recht: Dem US-Agrarriesen Cargill wurde 2008 Schadenersatz zugesprochen, weil Polen mit Zuckerquoten seine Geschäfte geschädigt habe.

Warum sind die Schiedsverfahren so umstritten? Die Zahl der Klagen hat sich in zehn Jahren verfünffacht: Anwälte finden immer neue Gründe, warum Staaten Investoren geschädigt haben sollen. So zieht Tabakkonzern Philip Morris gegen Länder zu Felde, die Zigarettenpackerl ohne Logo (Australien) oder mit Schockfotos (Uruguay) verlangen. Der schwedische Konzern Vattenfall reichte wegen des deutschen Atomausstiegs Klage ein. Meist bleiben die Fälle geheim – das schafft auch nicht gerade Vertrauen.

War Österreich schon von Klagen betroffen? Auf der Anklagebank saß Österreich noch nie. Einige Unternehmen haben allerdings geklagt, etwa die Casinos Austria (gegen Serbien) oder die EVN (Mazedonien, Bulgarien).

Was hat es mit dem elitären Richter-Kreis auf sich? Ein Schiedsgericht besteht aus drei Anwälten oder Juristen, die von den Streitparteien und der Verwaltungsstelle bestellt werden. Der Personenkreis umfasst an die 500 Personen, darunter nur 30 Frauen. Besonders einflussreich sind etwa 20 Schiedsrichter, die alle wichtigen Fälle entscheiden, sagt Experte Michael Waibel. Sie werden dank ihrer Erfahrung besonders oft bestellt.

Stimmt es, dass immer die Konzerne gewinnen? Nein. In 53 Prozent der bekannt gewordenen Fälle gab es keinen Schadenersatz, der Staat hat also gewonnen. Würde man jedoch aussichtslose Klagen ausklammern, könnte dieses Verhältnis kippen.

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