So wird das Jahr 2023 an den Börsen
2022 konnte man eigentlich ohnehin nur verlieren. Zumindest, was die Performance an den Kapitalmärkten angeht. 2021 war ein fantastisches Börsenjahr, schon an seinem Ende prophezeiten Analystinnen und Analysten, dass 2022 da nicht mithalten kann. Sie behielten mehr denn recht, wie auch Bernd Maurer, Head of Equity Research bei der Raiffeisenbank International (RBI), jetzt im Gespräch mit dem KURIER bilanziert.
„Weitreichende Effekte“
Immerhin habe man bereits vor Jahresbeginn gesehen, dass sich der Makrozyklus dem Ende zuneigte und zunehmende Inflationszahlen für 2022 erwartbar waren. Den Einmarsch Russlands in die Ukraine habe vor einem Jahr niemand erwartet – und der damit einhergehende Energiepreisanstieg habe „weitreichende Effekte“ gehabt. Niedrige Wachstumsraten, eine rückläufige Makrodynamik, höhere Energiekosten, die auf die Kostenstruktur der Unternehmen schlägt, und gesunkene verfügbare Einkommen der Haushalte seien die Bilanz daraus, sagt Maurer. Dass die Notenbanken gezwungen waren, an der Zinsschraube zu drehen, hat sein Übriges getan.
Aufwärtsbewegung
Die gute Nachricht: Man müsse die Kirche im Dorf lassen. Heuer stehe der ATX trotz Einbußen von 19 Prozent auf Jahressicht höher als bei der Jahreswende 2020/2021. Man werde im vierten Quartal des laufenden und im ersten Quartal des kommenden Jahres eine Industrierezession sehen, aber „keinen großen Konjunktureinbruch“. In Richtung zweites Halbjahr rechne man mit einer Aufwärtsbewegung. „Die Börse läuft grundsätzlich sechs Monate voran. Es könnte also im Lauf des ersten Halbjahres besser werden“, fasst er zusammen.
„Die nächsten Wochen und Monate werden noch etwas zackig, und dann – vorausgesetzt, die Umfeldbedingungen bleiben und es gibt keine Kriegseskalation und kein China, das komplett der Pandemie zum Opfer fällt – wäre es angerichtet für ein ganz gutes Umfeld für Aktien.“ Denn: „Es sind so viele Risiken und negative Umfeldfaktoren bereits eingepreist, dass das grundsätzliche negative Überraschungspotenzial begrenzt ist.“
Wo wird es die größten Ausschläge geben? „Die Nasdaq ist stark im Minus. Da ist die Erholungsbewegung dann natürlich am größten. Auch der österreichische Markt hat heuer aufgrund seiner Small- & Mid-Cap-Charakteristik underperformed und könnte in einer generellen Aufwärtsbewegung vorne mit dabei sein. Die, die sich stabil gehalten haben, werden auch 2023 nicht outperformen.“
Inflationsprognose
Was die Inflation angeht, erwartet die RBI eine Inflationsrate von heuer 8,1 Prozent, 2023 von 6,0 Prozent und 2024 von 3,1 Prozent.
Die Experten der Zürcher Kantonalbank halten das jetzige Umfeld für günstig, um auch neu einzusteigen. Zwar wisse man nie, ob man schon bei den Tiefstwerten angelangt ist, aber „für eine mittel- bis langfristige Perspektive haben wir eine viel bessere Ausgangsposition als noch vor 12, 18 oder 24 Monaten“, erklärt Vorstand Christian Nemeth. Vorausgesetzt, man geht von einem klassisch-gemischten Portfolio aus.
Sein Kollege und Vorstandsvorsitzender Herbert Wonnebauer beobachtet, dass es eine gewisse Versuchung gebe, aktuell in Zinspapiere mit schlechter Bonität anzulegen, weil die Rendite relativ hoch sei. Tut man das, vergesse man aber, dass man ein hohes Risiko tragen müsse und eine „breite Diversifikation“ wichtig sei. Wo man einsteigen sollte, wenn man jetzt Geld zur Verfügung hat? „Wir sehen, dass europäische Aktienwerte im Moment sehr attraktiv und günstig bewertet sind“, sagt Nemeth. Generell sei Qualität wichtiger als die Branche.
Der Chef der Wiener Börse, Christian Boschan, rechnet für das Jahr 2023 und auch die Folgejahre übrigens mit vermehrten Börsegängen. Die Zinswende der EZB mache Börsegänge gegenüber Fremdfinanzierungen wieder attraktiv, so Boschan zur APA.
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