So geht es der Ukraine wirtschaftlich

So geht es der Ukraine wirtschaftlich
Schaden auch ohne Krieg. Österreich ist sechstgrößter Investor.

"Bisher läuft das Leben hier in Kiew relativ normal, aber das kann sich schnell ändern“, sagt Österreichs Handelsdelegierte Gabriele Haselsberger zum KURIER.

Eine russische Invasion wäre ein Super-GAU für die ukrainische Wirtschaft. Doch es gibt auch viele Szenarien ohne direkte kriegerische Auseinandersetzungen, beispielsweise eine Blockade der wichtigen Schwarzmeerhäfen oder ein russischer Stopp der Gaslieferungen, sodass es unseriös wäre zu spekulieren, was jetzt wirklich droht, sagt die Wirtschaftskennerin. Sie meint jedoch: „In den vergangenen zwei Wochen hat sich die Stimmung verschlechtert, aber bisher gibt es keine Panik, keinen Run auf die Banken oder Hamsterkäufe.“

Experten sind sich einig, dass schon allein die Bedrohung durch die russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine der Wirtschaft schweren Schaden zugefügt hat. Ausländische Investoren sind verschreckt und ziehen Kapital ab; es kam zu einer Abwertung der Landeswährung Hrywnja (Griwna); weitere Auslandshilfe in Milliardenhöhe ist nötig.

Knotenpunkt Odessa

Dabei zählt die Ukraine zu den weltweit größten Agrarexporteuren (z.B. Sonnenblumenöl, Gerste, Mais, Weizen etc.), profitiert von einer Rekordernte 2021 und bei der hohen Nachfrage aus China von kräftig gestiegenen Rohstoffpreisen. Über den Hafen Odessa laufen fast 50 Prozent der Exporte und Importe des Landes. Kommt es zu einer Blockade, hätte das fatale Folgen. Das gilt auch für mögliche Einschränkungen der Gaslieferungen aus Russland oder Schäden an Transit-Pipelines. Darunter würden auch die Gaslieferungen in den Westen massiv leiden und die ohnehin stark gestiegenen Energiepreise weiter anheizen.

Laut Ukraine-Expertin Olga Pindyuk vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) sind die Gasspeicher der Ukraine gut gefüllt. Bei einer vollständigen Unterbrechung der Lieferungen könnten Haushalte und die kritische Infrastruktur des Landes aber nur fünf bis sieben Tage problemlos versorgt werden. Ein Krieg würde die Ukraine zweifellos in die zweite Rezession nach 2020 stürzen, als die Wirtschaft coronabedingt um vier Prozent einbrach. Noch prognostiziert das WIIW ein Wachstum für heuer von 2,5 % – trotz Leitzinsen von 10 Prozent dank einer ebenso hohen Inflation.

Eng mit Österreich verbunden

Österreich ist mit rund 1,5 Milliarden Euro der sechstgrößte Investor in der Ukraine – darunter große Finanzdienstleister (vor allem Raiffeisen Bank International) sowie 20 Produktionsstätten (zum Beispiel Agrana, Pfanner, Blizzard) und 200 Niederlassungen mit in Summe 20.000 Beschäftigten.

Wichtige Exportgüter Österreichs sind Arzneiwaren und Maschinen, die Ukraine liefert zum Beispiel Eisenerz und Holz. Nach der Krim-Annexion 2014 hat der Handel mit Russland stark an Bedeutung verloren, die EU ist der wichtigste Handelspartner. Seit 2017 gibt es ein Assoziierungsabkommen – der bisher wichtigste Schritt in der EU-Annäherung der Ukraine.

Kommentare