Skurriler Streit um "faule Franzosen"

Parisians enjoy the good weather in the Palais Royal garden in downtown Paris March 13, 2007. REUTERS/Charles Platiau (FRANCE)
"Grizzly" gegen "Rotweintrinker": Ein US-Industrieller schimpft über französische Faulheit.

Nein, die Franzosen sind nicht faul“, titelte das Massenblatt Parisien und rechnete seinen Lesern vor, dass Frankreichs Arbeitnehmer mit durchschnittlich 1476 Arbeitsstunden pro Jahr länger als etwa die Deutschen (1413) werken würden, ja dass die Produktivität pro Arbeitnehmer und Stunde in Frankreich höher als in den USA, Großbritannien und Deutschland liege. Der Anlass: Der Boss des US-Reifenkonzerns Titan, Maurice Taylor, war in einem Schreiben an den französischen Industrieminister, Arnaud Montebourg, in der Vorwoche über Frankreichs „sogenannte Arbeiter“ hergezogen. Diese würden „hohe Gehälter beziehen, aber nur drei Stunden pro Tag arbeiten“ Taylors Prognose: „Bald werden alle nur mehr in den Cafés sitzen, um Wein zu trinken.“

Hickhack

Mit dem barschen Schreiben reagierte Taylor auf die Bemühungen von Minister Montebourg, der den Amerikaner zur Übernahme einer Reifenfabrik in Nordfrankreich bewegen wollte. Der bisherige Werkseigner, die Firma Goodyear, plant die Schließung der Fabrik. Ein Übereinkommen sah ursprünglich die Übernahme des Werks und der Hälfte der 1172 Arbeitnehmer durch Titan vor, scheiterte aber am Veto der CGT, der bedeutendsten Gewerkschaft Frankreichs. Die CGT, vor Ort von einem radikalen Tribun geleitet, beanstandete, dass die Arbeitsplatzgarantie nur für zwei Jahre galt, und forderte fünf Jahre. Tatsächlich wurden in der Gegend immer wieder Fabriken von Betreibern nur kurzfristig übernommen, um Subventionen einzustreifen.

Nach Taylors Schreiben schoss Montebourg in einem offenen Brief scharf zurück: Taylor habe „keine Ahnung“. Frankreich sei in Europa das Land mit „den meisten ausländischen Industrie-Investitionen“. Die Firma Titan von Taylor sei „20-mal kleiner und 35-mal weniger rentabel“ als der französische Reifengigant Michelin, höhnte Montebourg. Und drohte, die französischen Einfuhr-Behörden würden „mit doppeltem Eifer die Import-Reifen (von Titan) überwachen“. Die Drohung mit dem französischen Zoll war eine Antwort auf Taylors Ankündigung, er werde Chinesen und Inder „für weniger als einen Euro“ arbeiten lassen, um mit diesen Reifen den französischen Markt zu überschwemmen.

Taylor, der als rechter US-Republikaner den Spitznamen „Grizzly“ verpasst bekam, reagierte abermals: Minister Montebourg sei „ein Depp“, rief Taylor mehrmals in einem Radio-Interview.

Dieser Schlagabtausch ist ein neuer Höhepunkt in der Polemik, die die französische Staatsführung um SP-Präsident François Hollande durch erste, linkslastige Maßnahmen auslöste. Steuererhöhungen verstärkten die Fluchtbewegung Prominenter in Steuerparadiese, in Konzernetagen erlitt Frankreich einen Imageschaden.

Entgegenkommen

Andererseits hat Hollande einen Einigungsprozess der Sozialpartner eröffnet, der den Forderungen der französischen Unternehmer entgegenkommt, darunter die nach einer erhöhten Arbeitszeit-Flexibilität, Lohnkürzungen und Steuerabschlägen für personalstarke Firmen. Nachdem Hollande auch noch einen gigantischen Sparplan initiiert hat, kam jetzt auch Lob von der Ratingagentur Standard and Poor’s: Die Steigerung der Wettbewerbskraft der Unternehmen sei „zum ersten Mal seit vielen Jahren eine politische Priorität“.

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