Schwein gehabt: Wie sich Bauern über die Corona-Zeit retten

Schwein gehabt: Wie sich Bauern über die Corona-Zeit retten
Im Lockdown hat Regionales beim Konsumenten an Bedeutung gewonnen, aber die Gastronomie fehlt vielen Bauern als Abnehmer.

Man riecht sie, bevor man sie sieht: 500 Schweine, aufgeteilt in zwölf Boxen in einem teils offenen Stall, mitten in der Landschaft, etwas außerhalb von Sitzenberg-Reidling im Bezirk Tulln, Niederösterreich.

Die in den vorderen Boxen galoppieren im Kreis, dass das Stroh nur so fliegt, und stecken neugierig ihre Rüssel durch die Gitterstäbe, als fremder Besuch kommt. 30 Kilo wiegen sie, wenn sie hierher, zu Schweinebauer Franz Rauscher kommen.

Jene in den hinteren Boxen drücken sich ebenfalls neugierig gegen die Stäbe, aber behäbig. Sie galoppieren nicht. Nach etwa 220 Lebenstagen, wie es Rauscher im Fachbegriff nennt, wiegen sie rund 120 Kilo und kommen bald zum Schlachter.

Zu den 500 Schweinen hier in der „besonders tierfreundlichen Haltung“ (wieder ein Fachbegriff) kommen rund 1.500 Schweine, die Rauscher in konventioneller Tierhaltung hat. Konventionell heißt: weniger Platz, klassischer Schlitzboden statt Stroh. Rauschers Betrieb, Teil der Erzeugergemeinschaft Gut Streitdorf, hat seit 2016 ein AMA-Gütesiegel.

Feines, teures Fleisch

Die Tierfreundlichkeit samt gentechnikfreiem Futter verursacht dem Bauer extra Ausgaben. Jetzt, in der Corona-Krise, ist das nicht kostendeckend. Pro Schwein, rechnet Rauscher vor, fehlen 20 bis 30 Euro.

Bei den braunen Schweinen, die sich unter den rosafarbenen tummeln, sogar noch mehr. Das sind Duroc-Schweine, Rassetiere. Feines, intramuskuläres Fett, ein ganz besonderer Geschmack, schwärmt Rauscher. Etwas für die gehobene Gastronomie.

Schwein gehabt: Wie sich Bauern über die Corona-Zeit retten

Generell habe die Schließung der Gastronomie im März 2020 zu „schweren Marktverwerfungen“ geführt, sagt er. Dass der Lebensmittelhandel im Lockdown um rund 20 Prozent zugelegt hat, könne das „nicht ansatzweise kompensieren“.

Die Gastro-Schließung trifft jene besonders hart, die rund ums Wirtshaus-Schnitzel produzieren: Das sind Schweinebauern, Rinderbauern, Erdäpfelbauern, Weinbauern und Brauereien, weiß der Bauernbund. Die Bundesregierung stellt Betrieben, die von Oktober 2020 bis März 2021 betroffen waren, einen Verlustersatz mit einem Volumen von 60 Millionen Euro zur Verfügung.

Klauen und Rüssel für China

„Das ist eine wertvolle Hilfe“, sagt Rauscher. Aber das Problem, das durch die Gastro-Schließung entstand, löst es nur begrenzt. Bis zu 35  Prozent Preisverfall verzeichnet seine Branche aktuell.

Schweinebauer Rauscher produziert wegen der Gastro-Schließung und der prekären Preislage nicht weniger Schweinefleisch – das gehe auch gar nicht, erklärt er: Von der Ferkelzucht über das Aufziehen bis zur Schlachtung sei die Produktion ein durchgetaktetes System, das pro Durchlauf rund zehn Monate dauert. Die Gastronomie könnte jederzeit wieder aufsperren, dann braucht man rasch die gewohnten Mengen. „Und wenn ich nicht in der Lage bin das anzubieten, kommt jemand anderes“, sagt Rauscher.

Schwein gehabt: Wie sich Bauern über die Corona-Zeit retten

Die Österreicher essen pro Kopf und Jahr rund 36 Kilo Schweinefleisch, es ist das mit Abstand beliebteste Fleisch (dahinter Geflügel mit rund 13 Kilo). Heimische Betriebe produzieren mit 102 Prozent mehr, als verbraucht wird. Es wird viel importiert, aber auch exportiert.

Zum Beispiel in den asiatischen Raum – und das hilft gerade in der Krise, sagt Rauscher. In China wütete im Sommer 2020 die Schweinepest, der eigene Bestand wurde dezimiert. Deshalb kauft China auf der ganzen Welt Schweinefleisch ein. Auch da herrscht ein Preiskampf, dafür seien Teile vom Schwein, die in Österreich kaum Abnehmer finden, in China extrem beliebt: Schweif, Pfoten (mitsamt Klauen), Rüssel oder gleich der ganze Kopf.

Nische profitiert sogar

Während Betriebe wie jene von Bauer Rauscher, der vor allem für größere Verarbeitungsbetriebe und die Gastronomie produziert, in der Corona-Krise massiv kämpfen, geht es manchen Kollegen erstaunlich gut: den Direktvermarktern.

Klaus Bauernfeind vom Köglerhof im Mühlviertel, Oberösterreich, wagt sogar zu sagen: „Wenn wir Direktvermarkter uns etwas wünschen dürfen, wäre es: Bitte noch ein bissl mehr Corona-Krise. Jetzt sind unsere Qualitäten besonders gefragt.“

Wie ein Haushaltspanel der AMA zeigt, haben die Konsumenten im Corona-Jahr 2020 vermehrt auf Regionalität und Frische geachtet, Ab-Hof-Verkäufe und Bauernmärkte boomen (siehe Kasten unten).

Freitags hat Bauernfeind seinen Hofladen immer offen. Zum Plaudern mit den Kunden kommt er kaum, der Andrang ist riesig.

Warum gerade die Corona-Krise den Ab-Hof-Verkauf beflügelt hat, erklärt sich Bauernfeind so: „Durch den Lockdown ist der persönliche Lebenskreis der Menschen enger geworden. Viele befinden sich auf Sinnsuche, machen sich mehr Gedanken über sich selbst, ihre nähere Umgebung und eben auch darüber, was sie essen.“

Schwein gehabt: Wie sich Bauern über die Corona-Zeit retten

Bauernfeind hält ebenfalls Schweine – wenn auch weit weniger als sein Kollege Rauscher –, dazu Lämmer, Rinder, Masthühner und Gänse. Kaum geschlachtet, seien sie „sofort weg“, sagt er.

Auch ihn lässt die Schließung der Gastronomie nicht kalt. Er hat am Hof ein Lokal, wo sich gerade zur warmen Jahreszeit normalerweise Gästegruppen scharen, und auch die fehlen ihm jetzt. Sein Glück ist die Stammkundschaft: Die holt das Essen jetzt eben ab und speist zu Hause. „Wir kochen so viel wie vor dem Gastro-Lockdown“, sagt der Köglerhof-Chef.

"Wir sind unser eigener Markt"

Seinem Unternehmen gehe es auch deshalb so gut, weil er lange vor Corona auf eine möglichst bunte Palette gesetzt habe. Neben Fleisch gibt es bei ihm auch Most, Säfte und Brot – alles bio.

Die Gemüsebauern aus der Umgebung, die ihm zuliefern, seien in der Corona-Krise ebenfalls gut gebucht. „Wir sind nicht abhängig vom österreichischen Markt oder vom Weltmarkt. Wir haben unseren eigenen Markt.“ Der vergangene Freitag war wieder ein guter Markttag für ihn.

Kollege Rauscher hat sich in der Krise übrigens auch etwas überlegt: Aus seinen Schweinen, die er vom Schlachter wieder retour bekommt, produziert der Bauer Lardo. Dieser besonders fette Speck auf feine, italienische Art lässt sich bis zu sechs Monate aufbewahren. Bis dahin, hofft der Bauer, werde die Corona-Krise hoffentlich vorbei sein.

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