Schmiergeld: Prozessstart um ÖBB-Tochter Rail Cargo

Schmiergeld: Prozessstart um ÖBB-Tochter Rail Cargo
Rund 6,66 Millionen Euro sollen unrechtmäßig an ungarische Agentur geflossen sein. Vorwürfe bestritten.

Der Fall liegt nun schon fast neun Jahre zurück, auf der Anklageschrift hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren eine ordentlich dicke Staubschicht gebildet und einer der drei Angeklagten, Ex-ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker, ist mittlerweile verstorben. Die Mühlen der österreichischen Justiz mahlen sehr sehr langsam. Am Freitag beginnt im Landesgericht in St. Pölten der Schmiergeldprozess gegen Gustav Poschalko, früher Chef der ÖBB-Güterverkehrs-Tochter Rail Cargo Austria (RCA), und einen ehemaligen Prokuristen.

Oberstaatswalt Wolfgang Handler von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft den zwei Pensionisten in der 28 Seiten starken Anklage Untreue vor. Die Strafdrohung beträgt bis zu zehn Jahre Haft.

Laut Anklage sollen sie rund um den Kauf der ungarischen Güterbahn MAV Cargo unrechtmäßig rund 6,66 Millionen Euro an die ungarische Lobbying- und Medienberatungs-Agentur Geuronet KG gezahlt haben. Oder anders gesagt: Es sollen bei diesem Deal über diese Agentur Schmiergelder von der Rail Cargo nach Ungarn geflossen sein – an wen, ist unklar. Im Fall eines Untreue-Tatverdachtes muss der Verbleib der Gelder vom Gericht auch nicht aufgeklärt werden - sondern nur die Schädigungsabsicht.

Den Kontakt zu der engagierten Agentur Geuronet soll Pöchhacker, der auch Aufsichtsrats-Chef der Rail Cargo Austria war, persönlich hergestellt haben. Doch der kann dazu nicht mehr befragt werden. Pöchhacker starb fünf Wochen nach Anklageerhebung im August 2014. Ankläger und Gericht müssen sich nun mit den Einvernahme-Protokollen Pöchhackers begnügen.

Keine Leistung?

Zurück zum umstrittenen Agenturvertrag mit Geuronet. Vor diesem Vertrag hatte die ÖBB-Tochter bereits mit einer anderen ungarischen Lobbying-Agentur einen Vertrag in Sachen Privatisierung der staatlichen MAV Cargo abgeschlossen. Die erste Agentur sollte „marktrelevante Informationen“ in Ungarn für die Österreicher beschaffen. Welche Leistung die zweite Agentur Geuronet erbracht hat, ist für Ankläger Wolfgang Handler ganz klar: nämlich keine. Selbst der Geuronet-Chef bestritt laut Anklage, „Lobbying-Tätigkeiten vorgenommen zu haben“.

Keine Unterlagen

Laut Staatsanwalt soll „in Nachhinein fieberhaft versucht worden sein, angeblich erbrachte Leistungen durch die Geuronet zu konstruieren“. Weder eine Leistungsaufstellung noch ein Leistungsverzeichnis seien von dieser Agentur vorgelegt worden. Mit einer Ausnahme: Der Agentur-Chef sei als Dolmetscher für die Rail Cargo tätig gewesen. Das soll belegt sein. Indes seien die Agentur-Verantwortlichen aber während des gesamten Privatisierungsverfahrens der MAV Cargo nie in deren Firmenräumlichkeiten anwesend gewesen, noch hätten sie damals im zuständigen Budapester Wirtschaftsministerium vorgesprochen.

Wirtschaftlich nicht vertretbar

„Aufgrund des Wesens des Vertrages seien keine Unterlagen verfasst worden“, soll eine Geuronet-Mitarbeiterin den ungarischen Behörden zu Protokoll gegeben haben. Ein anderes Mal meinte sie, die Unterlagen seien dem Auftraggeber (Anmerkung: RCA) zur Verfügung gestellt worden. Für den Ankläger gibt es „keinen erkennbaren Bedarf für die Einschaltung“ der Agentur Geuronet". Der Vertrag sei „wirtschaftlich nicht vertretbar“ gewesen. Und der Rail Cargo sei dadurch ein Schaden in Höhe von 6,661.955,72 Euro entstanden. Außerdem sei dieser Vertrag am Gesamtaufsichtsrat der RCA vorbei abgeschlossen und damit rechtlich nicht abgesegnet worden.

Ein Erfolgshonorar

„Mein Mandant wird sich nicht schuldig bekennen, an den Vorwürfen ist nichts dran“, sagt Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer, Verteidiger von Gustav Poschalko, zum KURIER. Poschalko war 2007 Vorstandsdirektor der ÖBB-Tochtergesellschaft Rail Cargo Austria AG (RCA). Deren Aufgabe war und ist es, das Transportgeschäft des ÖBB-Konzernes abzuwickeln.

„Im Zuge des Erwerbes der gleichartigen ungarischen Eisenbahntransportgesellschaft MAV Cargo beauftragte Poschalko zur Sicherstellung des Erwerbes des für die ÖBB wichtigen und wesentlichen ungarischen Transportmarktes ein ungarisches Beratungsunternehmen Geuronet Consulting und Dienstleistungs KG“, heißt es in einer Stellungnahme der Anwaltsanzlei Böhmdorfer & Schender. „Aufgabe dieser ungarischen Gesellschaft war es, den beabsichtigten Erwerb der MAV Cargo zu unterstützen.“

Kein Nachweis einer Schuld?

Im Gegensatz zur Ansicht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sei besagter Beratervertrag sehr wohl „wirtschaftlich vertretbar“ gewesen. Bei der Zahlung an die Agentur Geuronet habe es sich um „ein Erfolgshonorar“ gehandelt. Letztlich sei die MAV Cargo „mit Bewilligung der RCA-Gremien um rund 400 Millionen Euro gekauft worden“. Weiter heißt es dazu: „Der Vertrag mit Geuronet wurde von allen zuständigen Gremien, auch der ÖBB-Holding AG, geprüft, für rechtlich korrekt und wirtschaftlich richtig befunden.“

Starke Ansage

Böhmdorfer legt noch nach: „Die nachträgliche Betrachtung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, dass dieser Beratungsvertrag „wirtschaftlich unvertretbar“ gewesen wäre, entspricht nicht praxisgerechten Gegebenheiten. Die WKStA wird den ihr obliegenden Schuldbeweis der ‚Unvertretbarkeit‘ des Vertragsabschlusses mit absoluter Sicherheit nicht führen können.“ Diese Vorlage Böhmdorfers verspricht schon jetzt einen brisanten Prozessverlauf.

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