Beim Cloud-Computing befindet sich SAP aber in einer Zwickmühle. Mangels ausreichend eigener Cloud-Rechenzentren ist man auf Partnerschaften mit Google, Amazon, Microsoft und neuerdings auch Alibaba angewiesen. Die Tech-Giganten haben inzwischen die halbe Welt vernetzt und an ihre Cloud-Datenzentren angebunden.
„Wir haben im Cloud-Bereich Zukäufe getätigt, um unser Portfolio zu ergänzen“, sagt Thomsen zum KURIER. Rund 30 Mrd. Euro wurden dafür ausgegeben. Auf die Frage, warum es in Europa keine gleichwertige Konkurrenz zu den US-Tech-Riesen gibt, zuckt Thomsen mit den Schultern. „Das Potenzial wurde in Europa wahrscheinlich nicht erkannt, die Entwicklung daher verschlafen.“ Die US-Konzerne hätten auch weniger Regulierung, mehr Innovationsgeist und Milliarden an Investitionskapital.
SAP, Deutsche Telekom und Siemens sind Treiber für den Aufbau einer europäischen Cloud-Infrastruktur namens Gaia-X, doch das Projekt kommt wegen der US-Abhängigkeiten nicht in die Gänge. „Wir waren und sind als SAP immer sehr offen, weil unsere Business-Lösungen auf unterschiedliche Plattformen und Hardware laufen müssen. Auch wenn es keine einfache Beziehung ist: Wir können uns gar nicht erlauben, den einen oder anderen Hyperscaler (Google, Microsoft, Anm.) auszuschließen.“
Um sich von den US-Tech-Riesen zu emanzipieren, bietet SAP das gesamte Business-Portfolio inzwischen auf einer eigenen Plattform an.
„Um unsere Lösungen weiterzuentwickeln, wollen wir ein eigenes Ökosystem aufbauen“, erläutert Hartmut Thomsen. Man könne auch von einer Art „Apple-Store für die Industrie“ sprechen. Davon verspricht sich der Manager auch mehr Wachstum, das bei SAP zuletzt etwas unter den Branchen-Erwartungen lag.
Der Strategieschwenk in das neue Wachstumsfeld birgt aber auch Risiken. Zum einen schrumpfen die Umsätze im bisher recht lukrativen Lizenz- und Wartungsgeschäft und müssen mit Neukunden kompensiert werden. Zum anderen scheuen viele Bestandskunden, insbesondere die öffentliche Verwaltung, die Cloud aus Gründen der Datensicherheit und beharren auf die eigene Infrastruktur.
Die Corona-Pandemie habe vielen Betrieben die Notwendigkeit von raschen Cloud-Lösungen vor Augen geführt und so „wie ein Katalysator gewirkt“, berichtet der Manager. Er verweist auf die Stopp-Corona-App oder die rasche Abwicklung der Corona-Hilfsgelder. „Ohne Cloud hätte so etwas erst nach Monaten funktioniert.“
Bei der Cloud-Nutzung sei Europa im Vergleich zu den USA generell noch hinten nach, insbesondere Deutschland, Österreich sowie Osteuropa. Einzig die Schweiz sei hier – auch dank ihrer vielen Global Player – ein Vorreiter. SAP-Österreich-Chefin Christina Wilfinger sieht hierzulande vor allem im Mittelstand noch Aufholbedarf: „Österreich hat eine große Zulieferindustrie. Wenn ich nicht ausreichend vernetzt bin und just in time liefern kann, hat das negative Auswirkungen auf das Geschäft.“ Die Pandemie habe aber auch in Österreich dazu geführt, dass einige IT-Projekte beschleunigt worden sind.
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