Salzburger Trilog: "Radikal umdenken"

Salzburger Trilog: "Radikal umdenken"
In der Bevölkerung, aber auch bei Politikern und Wirtschaftsexperten geht die Angst um, dass sich die Krise noch weiter verschärft.

Scharfe Analysen und eine klare Botschaft gehen von einem Treffen hochrangiger Politiker, internationaler Wirtschaftsbosse, Ökonomen und Zukunftsforscher in Salzburg aus: Wenn die politischen Eliten der Welt nicht rasch die Wirtschafts- und Finanzkrise bändigen, werden die Menschen ihr Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik vollends verlieren, das demokratische System infrage stellen, zu Radikalismen neigen und mit noch stärkeren Unruhen, als Europa und Nordafrika bisher erlebt haben, reagieren.

Dass die Angst vor der Krise die Bevölkerung ergreift, beweist eine aktuelle Umfrage der Bertelsmann-Stiftung: 71 Prozent der Österreicher und 77 Prozent der Deutschen meinen, dass eine Wirtschaftskrise "unmittelbar vor der Türe steht". Rund 80 Prozent in beiden Ländern sind äußerst skeptisch, dass Politiker es schaffen, die Krise zu lösen.

Die Daten wurden beim Trilog in Salzburg präsentiert, einer Veranstaltung, die vom Außenministerium und der Bertelsmann-Stiftung organisiert wird. Heuer ist sie dem Thema "Global Governance und die Folgen der Weltwirtschaftskrise" gewidmet. Auch die Schuldenkrise der EU wurde angesprochen. "Die Beschlüsse von Merkel und Sarkozy reichen ganz bestimmt nicht, das Problem zu lösen. Kein Land lässt sich vorschreiben, wie die Fiskal- und Steuerpolitik auszusehen hat", betont im KURIER-Gespräch Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

Umdenken

Vorschläge wie eine Wirtschaftsregierung oder ein EU-Finanzminister würden der EU nicht helfen: "Für eine stärkere Integration der EU und einen Ausbau der Transferunion fehlt derzeit der ausgeprägte politische Wille. Wir brauchen ein System, das es Ländern ermöglicht, ihre Schulden verlässlich zurückzuzahlen."

Snowers Vorschlag: Schaffung einer Europäischen Schuldenkommission. Jedes Land, das Zugang zum EU-Rettungsschirm hat, solle einen Finanzplan erstellen. Dieser zeigt auf, wo die Schuldenquote liegt (Maastricht-Kriterien: maximal 60 Prozent des BIP) und wie sie abgebaut wird. Die unabhängige Schuldenkommission würde Umsetzung und Einhaltung der Regelungen kontrollieren.

Snower warnt davor, die EU zu einer Transferunion werden zu lassen. "Wenn wir so weitermachen und wenn die Schuldenberge nicht abgebaut werden, schlittern wir passiv in eine Transferunion. Die Wähler heißen das aber nicht gut." Der weltweit lehrende US-Ökonomieprofessor lehnt derzeit auch Euro-Bonds ab, "weil nicht glaubhaft gewährleistet ist, dass Länder ihre Schulden auch zurückzahlen".

Einen radikalen Kurswechsel fordert der malaysische Zukunftsforscher Chandran Nair: "Die ganze Welt lebt über ihre Verhältnisse, wir müssen radikal umdenken." Wie? "Es kann nicht sein, dass die Menschen in Asien mehr Handys haben als Toiletten. Gemeinsame Wohlfahrt geht über individuelle Freiheit."

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