RWA-Chef Wolf: "Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln wird leiden"
Reinhard Wolf, Generaldirektor der Raiffeisen Ware Austria (RWA), plädiert im KURIER-Gespräch dafür, dass sowohl Klimaschutz als auch die Interessen von Bauern und Konsumenten nicht zu kurz kommen.
KURIER: Auch die Landwirtschaft bekommt den Klimawandel zu spüren. Die EU will in diesem Zusammenhang Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Das hört sich doch eigentlich ganz gut an, oder?
Reinhard Wolf: Das hört sich zweifelsohne sehr, sehr gut an. Der erste Seismograf beim Klimawandel ist die Landwirtschaft. Niemand verspürt ihn schneller und direkter. Wir haben aber gerade im Zusammenhang mit der Landwirtschaft hier zwei sehr unterschiedliche Anforderungen.
Welche?
Auf der einen Seite werden wir 2050 möglicherweise 10 Milliarden Menschen sein. Wir wollen auch aus den fossilen Energien raus. Das heißt, irgendjemand muss hier neue Energierohstoffe liefern. Das wird die Land- und Forstwirtschaft sein. Daher haben wir mit Sicherheit deutlich mehr Nachfrage nach landwirtschaftlichen Gütern. Auf der anderen Seite gibt es aber getrieben durch den Klimawandel, aber auch durch gesellschaftliche Anforderungen, mehr Druck auf die Produktionsmethoden.
Das zeigt sich beim Tierschutz, durch Verbot von Pflanzenschutzmitteln, mehr biologischen Anbau, Landschaftsschutz. Wir können von der Landwirtschaft nicht verlangen, produziert deutlich mehr und hält auch die Preise auf dem Niveau, das wir bisher gewohnt sind. Und zugleich geben wir ihr ein enges Korsett für die Produktion. Wir müssen für die Landwirtschaft umsetzbare Vorgaben machen, sodass sie diesen Veränderungsprozess, den sie selbst will, weil sie ja Opfer des Klimawandels ist, realistisch mitgehen kann.
Wie sieht so ein realistischer Weg aus?
Beispiel Kartoffel. Da wurden in den letzten Jahren einige Mittel verboten, die dazu führen, dass die Kartoffel nicht mehr vom Wurm zerfressen werden. Die österreichische Landwirtschaft muss jetzt ohne diese Produkte durchhalten.
Wir haben hohe Produktionsausfälle, stehen aber trotzdem in Wettbewerb von importierten, zum Beispiel aus Ägypten kommenden Kartoffeln, wo niemand mehr nachfragt, wie diese Kartoffeln produziert worden sind. Und da müssen wir einen Weg finden, wie wir der Landwirtschaft trotzdem helfen, wettbewerbsfähig österreichische Kartoffel ausreichend zur Verfügung stellen zu können.
Business Gespräch: Reinhard Wolf
Wie könnte das gehen?
Zum Beispiel, dass man längere Übergangsfristen für bestimmte Pflanzenschutzmittel macht oder dass man Zulassungsprozesse beschleunigt. Jetzt dauert es bis zu zehn Jahre. Klar ist, dass viele Produzenten von Pflanzenschutzmitteln um Europa mittlerweile einen Bogen machen, weil sie sagen, für diesen kleinen Markt ist uns das zu aufwendig.
Das sind übrigens Pflanzenschutzmittel, die nicht nur den konventionellen Anbau betreffen. Sondern die im biologischen Landbau dann nicht mehr zur Verfügung stehen in einzelnen Fällen.
Aufgabe
Die Raiffeisen Ware Austria (RWA) ist das Großhandels- und Dienstleistungsunternehmen
der Lagerhaus-Genossenschaften
Segmente
Verkauft werden landwirtschaftliche Produkte in den Bereichen Energie, Baustoffe, Produkte rund um Haus, Hof und Garten sowie Dienstleistungen.
Die RWA ist auch über Beteiligungen
im Ausland engagiert
4,03 Milliarden Euro
betrug der Umsatz der RWA 2022
54,2 Millionen Euro
machte der Gewinn vor Steuern aus
Was sind die Folgen von all dem?
Wir werden teurer produzieren, und die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln wird leiden. Sie haben vor wenigen Wochen die Bilder gesehen, wie plötzlich England, das in manchen Bereichen keine eigene Produktion hat, dann leere Supermarktregale hat. Wir haben es auch beim Thema Öl im vergangenen Jahr gesehen. Diese Situation wird deutlich öfter eintreten.
Wie sieht die Lage bezüglich Rapsöl derzeit aus?
Die Preise sind deutlich angestiegen. Wir haben 2015 in Österreich 58.000 Hektar Raps angebaut. Heute sind es unter 30.000. Unsere Produktionsbedingungen haben sich deutlich verschlechtert. Die wenigen verfügbaren Mittel sind aufwendiger, teurer geworden. Der Anbau ist aus Österreich daher abgewandert. Ein großer Teil in die Ukraine. Und wo wir im vergangenen Jahr gesehen haben, was es bedeutet, wenn ein wichtiger Lieferant nicht mehr da ist und das Rapsöl in dem Ausmaß liefert, wie wir es brauchen.
Die Preise sind ja auf allen Ebenen gestiegen.
Wir haben mittlerweile einen deutlichen Trend in die andere Richtung in den letzten Monaten in der Landwirtschaft. Die Getreidepreise etwa sind nach unten gegangen.
Aber noch nicht auf Vorkrisenniveau.
Gott sei Dank nicht. Dort wollen wir nicht wieder hin. Das waren zum Teil nicht kostendeckende Preise. Wir haben uns jetzt auf einem Niveau eingependelt, wo alle ihr Auslangen finden sollten. Ich glaube aber auch, dass es langfristig nicht gut ist, wenn die Preise über ein bestimmtes Maß hinausschießen. Das führt zu Veränderungen im Konsumverhalten und zu verständlicher Verärgerung bei Konsumenten. Wir brauchen ein vernünftiges Maß, mit dem alle das Auslangen finden. Der Landwirt, der sein gerechtes Einkommen haben möchte, und der Konsument, der auch in der Lage sein soll, das entsprechend noch sich leisten zu können.
Und in Ihrem Konzern merken Sie ein verändertes Kaufverhalten bei den Kunden?
Was wir merken, ist, dass in vielen Bereichen günstigere Ware gekauft wird. Einkauf ist ja nicht immer nur rational, da ist auch sehr viel Stimmung dabei. Und die Stimmung in den letzten Monaten führt dazu, dass der eine oder andere sagt: „Na, dann greife ich zum günstigeren Produkt.“
Dieser Prozess erinnert ein wenig an die Verbrennungsmotoren-Diskussion.
Die Automobilindustrie ist eine Großindustrie, da gibt es große Forschungsapparate dahinter, die werden es auch das eine oder andere von sich aus lösen und regeln können. Das kann man der Landwirtschaft so nicht.
Kommen wir zum Thema Mercosur. Der geplante Handelspakt zwischen Europa und einigen lateinamerikanischen Staaten ist ja sehr umstritten, zumindest in Österreich. Was ist das Problem der Landwirtschaft mit diesem Vorhaben?
Wenn wir der Landwirtschaft in Europa Rahmenbedingungen vorgeben, dann können wir die Landwirtschaft nicht in einen Wettbewerb schicken, wo wir wissen, dass die Rahmenbedingungen dort anders sind. In Südamerika hat man im Moment nicht die Absicht der Landwirtschaft, diese Produktion Auflagen zu erteilen, die wir hier in Europa haben. Ich rede jetzt gar nicht vom Thema Regenwald. Das setzt noch eines drauf.
Sehen Sie in der EU momentan dem Klimaschutz zu hoch bewertet im Vergleich zur Ernährungssicherheit?
Das möchte ich so nicht sagen. Ich glaube, wir können den Klimaschutz nicht hoch genug bewerten. Ich möchte das Thema überhaupt nicht kleinreden und wegschieben. Wir brauchen das. Wir müssen uns in alle Richtungen bemühen. Wir haben nur diese eine Erde, wir haben nur dieses eine, auf das wir aufzupassen haben.
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