Heinrich Schaller gehört als Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich zu den einflussreichsten Bank-Managern der Republik. Der KURIER sprach mit ihm über die wirtschaftlichen Aussichten, die Zinsentwicklung und die Energiekrise.
Droht 2023 eine Rezession?
Das ist zu befürchten.
Sie haben in viele Unternehmen Einblick. Wie geht es denen?
Bei einigen Klein- und Mittelunternehmen wird die Bonität schwächer. Und in der Industrie gehen die Auftragseingänge zurück. Aber vielen Unternehmen geht es nach wie vor gut. Allerdings haben die Auswirkungen von Inflation und Energiekrise noch nicht bei allen Unternehmen voll durchgeschlagen. Das wird erst im ersten Quartal spürbar werden.
Droht eine Pleitewelle?
Eine Welle sehe ich nicht. Aber ein kontinuierliches Ansteigen der Insolvenzen.
Was heißt das für die Banken?
Wie immer in schlechten Zeiten, treffen die Banken Risikovorsorgen bzw. haben dies bereits getan. Da wird es also keine Auswirkungen geben. Die Banken in Österreich sind sicher.
Wie wird sich die Inflation entwickeln?
Wir werden in den nächsten ein bis zwei Jahren weiterhin eine Inflation im höheren einstelligen Bereich sehen. Aber sie wird langsam sinken. Die Zinserhöhungen werden wirken und die Konsumnachfrage wird zurückgehen.
Das Wachstum auch...
Ja. Das wird wehtun. Aber vorrangiges Ziel muss die Bekämpfung der Inflation sein.
Hat die Europäische Zentralbank alles richtig gemacht?
Die EZB scheint mir hoch nervös. Sie hat jedenfalls viel zu spät reagiert.
Sehen Sie weitere Erhöhungen?
Ich kann mir durchaus noch heuer eine Erhöhung um 0,50 Prozentpunkte vorstellen. Und dann wird es wohl noch weitere Erhöhungen im ersten Quartal geben.
Warum steigen die Sparbuchzinsen nicht?
Sie beginnen schon zu steigen. Aber man darf nicht vergessen, dass Sparbücher oft zeitlich gebunden sind und erst nach Ablauf dieser Bindung die Zinsen erhöht werden.
Themenwechsel: Hat die EU ihre Sanktionspolitik zu Ende gedacht?
Die Sanktionen sind ohne Alternative, hätten aber gerade im Energiebereich etwas sensibler umgesetzt werden können.
Jetzt pilgert die europäische Politik in so Länder wie Katar, Saudi-Arabien oder Algerien und so weiter, um von dort verstärkt Öl und Gas zu bekommen. Ist das nicht Ausdruck einer gewissen Doppelmoral?
Wenn die europäische Wirtschaft nicht zusammenbrechen soll, dann gibt es da in Wahrheit keine Alternativen. Vorrangiges Ziel muss aber die Energiewende sein?
Schaffen wir die Energiewende überhaupt?
Sie ist notwendig. Ich verstehe aber nicht, warum es nur den Zug Richtung Elektromobilität gibt und damit andere Technologien möglichweise verhindert werden.
Was halten Sie von einem Gaspreisdeckel?
Mir ist nicht klar, wie der funktionieren soll. Wenn die EU-Energieunternehmen Gas nur noch zu einem gedeckelten billigeren Preis einkaufen dürfen, werden die Anbieter ihr Gas halt woanders verkaufen. Oder die EU-Energieunternehmen kaufen zum üblichen Preis und müssen es dann billiger an ihre Kunden verkaufen. Dann müssen für die Differenz aber die Steuerzahler aufkommen, weil die Energieversorger sonst extrem hohe Verluste schreiben.
Im ersten Halbjahr schrieb die RLB-Oberösterreich wegen des Ukrainekriegs Verluste. Weil vor allem die beiden größten Beteiligungen, voestalpine und Raiffeisenbank International, vom Krieg stark betroffen sind.
Die Fundamentaldaten der beiden Unternehmen sind aber nach wie vor sehr gut. Die volatilen Ergebnisse ergeben sich ja aus Bewertungsthemen. Und es ist abzusehen, dass das Gesamtjahresergebnis deutlich besser als das Halbjahr sein wird.
Sie reduzieren aktuell das Filialnetz der RLB Oberösterreich um 60 Filialen. Wie läuft es?
Gut. Zu Beginn des Jahres waren es 392, jetzt sind es 366 Filialen.
Sind die Kunden verärgert?
Wenn man es richtig vorbereitet, wird es auch verstanden.
Werden jetzt so alle zwei bis drei Jahre Filialschließungen in großem Stil durchgeführt?
Nein. Wo es Sinn macht, wird es kontinuierlich zu Reduzierungen kommen. Das ist ein normaler Prozess.
Viele Menschen hierzulande sorgen sich, dass das Bargeld verschwindet.
In der Pandemie hat der digitale Zahlungsverkehr stark zugenommen. Aber das Bargeld bleibt.
Nach der Pleite der Krypto-Börse FTX erlebt die Szene einen schweren Rückschlag. War es das mit den Kryptos?
Wir haben immer vor der Spekulation mit Krypto-Assets gewarnt. Und solange dieser Markt nicht reguliert ist, kann man davor nur warnen. Wir sind aber nicht gegen die Blockchain-Technologie, die dahinter liegt. Die ist vielseitig verwendbar und wird bleiben.
Wer wird Weltmeister?
Spanien oder Frankreich. Die Spanier wirken jung und hungrig. Und die Franzosen sind ein Star-Ensemble.
Heinrich Schaller wurde 1959 in Linz geboren und absolvierte an der Johannes Kepler Universität Linz das Jus-Studium. Schaller ist seit März 2012 Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.
Er gehörte bereits von 2000 bis 2006 dem Vorstand der Bank an. Von 2006 bis 2012 war er Chef der Wiener Börse.
Der Gewinn (nach Steuern) der Bank ging von 2020 auf 2021 um 302 Mio. Euro auf 464,9 Mio. Euro nach oben.
Das Betriebsergebnis stieg erneut um knapp 19 Prozent auf 429,9 Mio. Euro an. Und die Konzernbilanzsumme überschritt erstmals mit 51,4 Mrd. Euro die 50-Mrd-Euro-Schwelle.
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