Ringen um den EU-Schutzwall

Ringen um den EU-Schutzwall
Brüssels EU-Spitze fordert eine Banken- und Fiskalunion. Europas Sozialdemokraten wollen zusätzlich auch einen Wachstumspakt.

Kommt es kurz vor dem EU-Gipfel zu einem Clash der Konzepte im Kampf gegen die Schuldenkrise? Leicht möglich.

Am Montag will Ratspräsident Herman Van Rompuy seine Pläne für eine EU-Fiskalunion und Bankenunion vorlegen. Zuvor schnürten Europas Sozialdemokraten ihre Reformpläne unter Federführung von Frankreichs Staatspräsidenten François Hollande und Bundeskanzler Werner Faymann.

Brüsseler Diplomaten zufolge umfassen die Vorstellungen Van Rompuys drei große Bereiche: erstens eine stärkere Integration der Banken mit einem europäischen Bankenaufseher (das könnte die Europäische Zentralbank werden, Anm.), ein gemeinsames System der Einlagensicherung sowie einen europäischen Banken-Rettungsfonds, der sich aus Beiträgen der Kreditinstitute speisen soll. Der Hintergedanke: Künftig sollen nicht mehr die Steuerzahler für die Bankenrettung aufkommen. Von 2008 bis Ende 2011 genehmigte die EU-Kommission 4.500 Milliarden Euro zur Rettung großer Banken.

Zweitens will der Ratspräsident eine Fiskalunion, wobei die Vergemeinschaftung von Risiken und Schulden bis zur Einführung von Eurobonds noch umstritten ist; Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel ist strikt dagegen. Drittens fordert Van Rompuy eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik.

Aufregung lösten die sozialpolitischen Empfehlungen Van Rompuys aus. So will er den Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters vorschlagen.

Krise managen

Bezüglich der Debatte um weitreichende institutionelle Reformen, wie der Bildung der politischen Union oder eines europäischen Staatsgebildes, zeigt Ratspräsident Van Rompuy keine Eile: "Das hat jetzt keine Priorität. Zuerst müssen wir die Krise managen."

Zwischen Van Rompuy und der Initiative der Sozialdemokraten steht Angela Merkel. Sie will ein stärkeres Europa und eisern sparen. Die CDU-Politikerin weiß aber, dass Sparen alleine Europa nicht aus der Krise führt. Auch Merkel will Wachstumsinitiativen auf Basis von mehr Wettbewerbsfähigkeit, vor allem der Schuldenländer.

Europas Sozialdemokraten lehnen Sparen nicht ab, sie wollen den Fiskalpakt um eine Wachstums- und Jobinitiative ergänzen. Im Papier der Sozialdemokraten, das dem KURIER vorliegt, werden keine Projekte auf Pump gefordert. "Das Ziel ist eine nachhaltige Konsolidierung der Staatshaushalte", heißt es im Text. Dazu Faymann: "Investitionen in Wachstum und Beschäftigung müssen auf einer sozial ausgewogenen und disziplinierten Haushaltspolitik aufgebaut sein. Mehr Europa ist nur mit mehr Haushaltsdisziplin möglich." Hier decken sich die Positionen der Sozialdemokraten mit jenen von Merkel.

Große Differenzen gibt es bei Eurobonds oder Eurobonds-light ebenso wie bei Steuervorhaben. Die Sozialdemokraten wollen mehr Geld für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Sie verlangen auch eine Angleichung der Unternehmenssteuern sowie eine -Abgabe für Produkte aus Drittstaaten mit niedrigeren Standards als in der EU. Das träfe vor allem Importe aus China.

Schäuble ließ Euro-Crash-Szenario berechnen

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Ein düsteres Euro-Crash-Szenario malt das deutsche Finanzministerium. Das Nachrichtenmagazin Spiegel zitiert aus internen Berechnungen, wonach im Falle eines Auseinanderbrechens der Euro-Zone das Wirtschaftswachstum in Deutschland im ersten Jahr um bis zu zehn Prozent einbrechen könnte. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland könnte demnach wieder auf mehr als fünf Millionen Menschen steigen.

Im Spiegel-Interview warnt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble daher eindringlich davor, den Euro aufs Spiel zu setzen. "Sollte die gemeinsame Währung auseinanderbrechen, wovon ich nicht ausgehe, besteht die Gefahr, dass vieles von dem, was wir erreicht und liebgewonnen haben, in Frage gestellt würde – vom gemeinsamen Binnenmarkt bis hin zur Reisefreiheit in Europa." Gemessen an solchen Szenarien erscheine eine noch so teure Euro-Rettung als kleineres Übel, so Schäuble im Interview.

Wegen der geplanten stärkeren politischen Integration der EU-Mitgliedsstaaten rechnet Schäuble damit, dass die Deutschen in wenigen Jahren über ein neues Grundgesetz abstimmen müssen.

Wenn zentrale Kompetenzen nach Brüssel verlagert werden, könnte dies die Grenzen der deutschen Verfassung sprengen. Wann dies so weit sein wird, vermochte der CDU-Politiker jedoch nicht zu konkretisieren. Schäuble will unter anderem die EU-Kommission zu einer echten Regierung weiterentwickeln, den Präsidenten durch alle europäischen Bürger direkt wählen lassen und das europäische Parlament stärken.

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