Richterliche Befangenheit?

Für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Wien wäre der Bau von enormer Bedeutung.
Anwälte prüfen bereits. Bodenverbrauch - Widerspruch zu Gutachten.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegen den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien sorgt auch in der Regierung für Verwunderung. Verkehrsminister Jörg Leichtfried sprach in der ZiB24 von einer "bemerkenswerten, sehr, sehr ungewöhnlichen juristischen Entscheidung". In hochrangigen Juristenkreisen wird bereits die Frage diskutiert, ob der Richtersenat befangen gewesen sei.

Die drei Richter stellen sich in ihrem Erkenntnis selbst ein Unbefangenheits-Zeugnis aus. Irgendwie klar, sonst hätten sie in der Causa ja gar nicht an Bord bleiben können. Eine mögliche Befangenheit hätten sie dem Präsidenten des BVwG anzeigen müssen. Den Vorwurf hatten verschiedene Beschwerdeführer zuvor in der mündlichen Verhandlung geäußert.

Derzeit prüfen Anwaltskanzleien diese Frage. Sehr wahrscheinlich, dass dieses Thema in der außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof vorgebracht wird. Eine BVwG-Sprecherin erklärt, das Gericht wolle und dürfe dazu keinen Kommentar abgeben. Eine mögliche Revision bleibe abzuwarten.

Christian Pilnacek, Sektionschef im Justizministerium, stellt dazu fest, das Ministerium sei nicht für das BVwG zuständig. "Fragen der Dienstaufsicht", so Pilnacek, "unterliegen dem Gerichtspräsidenten". Die Oberbehörde in dienstaufsichtlichen Angelegenheiten sei das Bundeskanzleramt. Dort hüllt man sich in Schweigen.

Gutachten

Die Richter hebelten das Großprojekt am Flughafen mit dem Klimaschutz und dem Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen aus. Beim Bodenverbrauch steht das für die Umweltverträglichkeitsprüfung bestellte Sachverständigen-Gutachten jedoch im Widerspruch zur Meinung der Richter.

Sie zitieren im 128 Seiten dicken Erkenntnis ausführlich aus dem Gutachten. Am Ende begründet der Senat seine Entscheidung damit: "Auch ist die Erhaltung wertvollen Ackerlands für zukünftige Generationen zur Nahrungsmittelversorgung dringend geboten."

Nur: Diese Argumentation findet sich so im gesamten Gutachten nicht wieder.

Sachverständiger Helmut Schretzmayer listet zwar den Verlust von Ackerflächen in den Flughafen-Gemeinden in der Vergangenheit auf, stellt aber fest: "Die Bedeutung der regionalen Versorgung hat durch intensiven Handel und Transport erheblich abgenommen."

Konkret würden für das Großprojekt 661 Hektar Agrarfläche verbraucht. Das Problem sei aber nicht der einmalige, konkrete Verbrauch dieser Fläche, sondern der Verbrauch von 4200 Hektar jährlich in ganz Österreich. Eine Lösung könne daher, meint der Gutachter, "nicht im einzelnen Anlassfall gefunden werden, sondern muss in strategischer Planung erfolgen".

Bei der Frage des öffentlichen Interesses spielt der Sachverständige den Ball an die Politik weiter. Im Spannungsfeld zwischen landwirtschaftlichen Nutzflächen und dem Flughafenausbau "verbleibt die Notwendigkeit der Abwägung durch Politik und Raumplanung, welcher Nutzung die höhere Bedeutung beigemessen wird". Was wiegt mehr? Die Sicherung und der Ausbau des Flughafens oder die Erhaltung von Flächen für die landwirtschaftliche Produktion?

Ebenso wie beim Klimaschutz, der KURIER berichtete, begründet der Senat seine Entscheidung politisch.

Einer der drei Richter müsste bei landwirtschaftlichen Themen fachlich ohnehin bestens beschlagen sein. Werner Andrä stand, wie der KURIER berichtete, von 2000 bis 2005 als Generalsekretär im Dienst der "Land & Forst Betriebe Österreichs", einer Interessensvereinigung der großen Agrarier und Forstwirte.

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