Rettungsschirm statt Kanonenboot

Rettungsschirm statt Kanonenboot
Euro-Gipfel im Nationalrat: Experten diskutierten ESM und Fiskalpakt. Zum Gähnen? Weit gefehlt. Die Emotionen gingen hoch.

Während in Brüssel am Donnerstag der große Gipfel der Regierungschefs anlief, fand in Wien ein kleiner Euro-Gipfel statt. Nächste Woche soll der Nationalrat den permanenten Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt, salopp gesagt, den europäischen Sparpakt, beschließen. Aus diesem Anlass wurden am Donnerstag namhafte Experten in den Verfassungsausschuss des Nationalrats geladen.

Die Bandbreite der Expertenmeinungen war so groß wie die der Politiker: Von "mehr Europa" bis zum Ausstieg aus dem Euro. Stark vertreten waren deutsche Apokalyptiker auf Einladung von BZÖ und FPÖ.

In ihrem Einleitungs-Statement sagte Finanzministerin Maria Fekter, die Eurozone brauche den ESM, weil sie bisher keine Kriseninstrumente hatte. Am Anfang der Krise habe man sich mit bilateralen Krediten an Griechenland geholfen, danach mit Provisorien wie den EFSF. Weil die Krise länger dauert als gedacht, brauche man nun aber ein dauerhaftes Kriseninstrument.

Der Chefökonom der Nationalbank, Peter Mooslechner, stützte Fekters Aussagen: "Die Währungsunion, die zehn Jahre tadellos funktioniert hat, ist nicht für Krisenfälle ausgestattet. Das soll der ESM liefern." Für eine kleine, offene Volkswirtschaft, deren Exporte zu 70 Prozent in die EU und zu 57 Prozent in den Euro-Raum gehen, sei Stabilität in den Absatzmärkten wichtig.

Wie wichtig, unterstrich der Ökonom Ulrich Schuh: Die Instabilität in der Eurozone würde bereits auf die Realwirtschaft durchschlagen. Schuh: "Die Verunsicherung der Investoren gegenüber dem Euro-Raum ist hoch. Wir sollten alles tun, was zur Stabilisierung beiträgt. Der ESM kann dazu beitragen, die konjunkturelle Lage zu verbessern."

"Asterix-Dorf-Szenario"

Für Aufsehen sorgte der von der FPÖ nominierte Professor Bernd-Thomas Ramb. Er rechnete vor, dass auf Österreich bis zu 600 Milliarden Belastungen zukämen, wenn Spanien, Italien, Frankreich, Belgien usw. unter den Rettungsschirm müssten. Österreich sei dann verpflichtet zu zahlen.

"Das ist ein Asterix-Dorf-Szenario: Alles bricht zusammen, nur Österreich bleibt übrig und zahlt", spöttelte Mooslechner. Verfassungsrechtler Michael Pontacs korrigierte Ramb: "Österreichs Haftung ist auf 19,4 Milliarden begrenzt. Jede Aufstockung bedarf der Zustimmung des Nationalrats." Die enge Bindung Fekters, der österreichischen Vertreterin im ESM, an die Zustimmung des Nationalrats lobte Pontacs als "vorbildlich für Europa".

Der FPÖ-Forderung nach einer Volksabstimmung über den ESM entgegnete Verfassungsexperte Pontacs: "Der ESM ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Darüber sind Volksabstimmungen laut Verfassung nicht zulässig. Sie müssten zuerst die Verfassung ändern."

Interessant auch der Ökonom Fritz Breuss: "Wir haben in der Eurozone versucht, künstlich die Idee ein Markt/eine Währung durchzudrücken. Es funktioniert aber nur ein Staat/eine Währung."

Der deutsche Professor Wilhelm Hankel nannte den ESM ein "Monstrum" und sieht die Eurozone auf dem Weg zu einer "monetären Sowjetunion".

Mooslechner korrigierte, der ESM sei ein modernes Instrument, Zahlungsunfähigkeiten in "geordneten Bahnen" abzuhandeln: "Heute schießen die Briten nicht mehr wie früher mit Kanonenbooten auf ein Land, das nicht zahlt."

Debatte über Fiskalpakt

Am Nachmittag stellten sich – zum Teil die gleichen – Experten der Debatte über den Fiskalpakt. Wie nützlich oder schädlich ist Sparen?

Hankel vertrat erneut die Idee einer Auflösung der Eurozone. Man müsse den Schuldnerländern die Möglichkeit der Währungsabwertung geben.

Rolf Baron von Hohenau von der europäischen Steuerzahler-Union befürchtet, dass Euro-Länder den Fiskalpakt genau so missachten werden wie die Maastricht-Kriterien: "Da sitzt eine Bande von Sündern am Tisch und macht einen Fiskalpakt." Die Expertin Barbara Kolm fand den Fiskalpakt ebenfalls ungenügend, weil man die Einhaltung er Schuldenbremse von anderen Staaten nicht einfordern könne. Es nütze nichts, wenn Österreich allein spare, ganz Europa müsse den Sparkurs durchziehen.

Das Gegenteil vertritt Alexandra Strickner von Attac. Sie ist gegen den Sparzwang: "Der Fiskalpakt ist ein Angriff auf soziale Rechte, den Sozialstaat und die Demokratie." Die Kosten der Finanzkrise würden den Menschen aufgebürdet, vor allem auch den Jugendlichen, die keine Jobs finden.

Die Ex-Vizepräsidentin der EZB, Gertrude Tumpel-Gugerell sagte: "Wenn die Euro-Länder einander mit Krediten helfen, wie sie das tun, wollen sie auch Kontrollen und Sicherheiten haben. Deshalb der Fiskalpakt."

Insgesamt, resümiert Tumpel-Gugerell, gehe es darum, Vertrauen in die Eurozone zu schaffen.

Mehr zum Thema

  • Hintergrund

  • Hintergrund

Kommentare