Rettberg droht neuer Strafprozess

Rettberg droht neuer Strafprozess
Der inhaftierte Ex-Libro-Chef wird durch ein Gutachten zur Libro-Online-Tochter lion cc. belastet.

André Rettberg, Ex-Chef des 2001 gestrauchelten Medienhandelskonzerns Libro, sitzt in der Justizvollzugsanstalt Wien-Simmering seine achtmonatige Haftstrafe aus dem ersten Libro-Prozess ab. Seine Hoffnung: vom Bundespräsidenten im Zuge der Weihnachtsamnestie begnadigt zu werden. Im zweiten Libro-Prozess 2011 wurde Rettberg zusätzlich zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Doch es gibt ein drittes Ermittlungsverfahren (Aktenzahl 612 St 16/10h) bei der Staatsanwaltschaft Wien. Im Mittelpunkt: der Zusammenbruch der Libro-Online-Tochter Lion.cc AG. Rettberg, Ex-Finanzchef Johann Knöbl, die Ex-Aufsichtsräte Kurt Stiassny und Christian Nowotny und drei frühere Lion.cc-Geschäftsführer stehen im Verdacht des schweren Betruges, der Untreue und der Bilanzfälschung. Die Vorwürfe werden bestritten. Jetzt liegt in der Causa „Libro III“ ein 287 Seiten starkes Gutachten des Sachverständigen Martin Geyer vor. Geyer hatte zu prüfen, „ob bei Lion.cc Vermögen beiseitegeschafft bzw. zur Libro AG verschoben wurde, und ob dadurch die finanzielle Befriedigung zumindest eines Lion-Gläubigers vereitelt oder geschmälerte wurde“.

Dubiose Geldflüsse

„Aus betriebswirtschaftlicher Sicht konnten wir Verdachtsmomente im Sinne der betrügerischen Krida feststellen – im Zusammenhang mit der Weiterleitung der Gelder aus dem Verkauf des Internet-Serviceprovider-Geschäftes der Lion.cc an die Libro AG“, heißt es im Gutachten. Vom Erlös aus dem Verkauf an die Telekom-Austria-Tochter jet2web (9,37 Millionen Euro) flossen 9,04 Millionen Euro nicht an Lion.cc, sondern an die Mutter Libro. Das war aber vertraglich so vereinbart worden.

„Aus dem Verkauf konnte Lion.cc über keine Mittel verfügen, diese dienten dazu, um Altschulden bei der Mutter Libro abzubauen“, schreibt Geyer. „Die Überweisung der Gelder stellt möglicherweise eine verbotene Einlagenrückgewähr dar.“ Sollte das zutreffen, so ist die Mutterfirma gegenüber anderen Gläubigern begünstigt worden.

Zwar sei den Gläubigern letztendlich kein Schaden eingetreten, weil Lion.cc erfolgreich liquidiert wurde, heißt es weiter, „wobei die Lieferanten auf eine vollständige Rückzahlung ihrer Forderungen verzichten mussten“. Der Nachlass soll fast 50 Prozent betragen haben.

Zu hohe Verrechnung?

Zugleich soll auch das Beteiligungskapital, das die deutsche Verlagsgruppe WAZ AG bei Lion.cc eingebracht hatte, zum Teil für die Tilgung der Altschulden (67 Millionen Euro) bei Libro verwendet worden sein. Außerdem soll die Internet-Tochter in einem Jahr (2000/’01) rund 12,5 Millionen Euro an Werbeaufwand und Konzern¬umlagen an die Libro AG gezahlt haben. Der Lion.cc-Umsatz betrug damals nur rund 11,77 Millionen Euro. Ob dafür tatsächlich entsprechende Leistungen erbracht wurden, konnte Geyer aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen nicht überprüfen.
Detail am Rande: Die WAZ (sie hält 49 Prozent der Anteile am KURIER), hat das Strafverfahren mit einer Anzeige wegen des Verdachts überhöhter Verrechnungen erst ins Rollen gebracht.

Rettberg weist den Verdacht zurück, sagt sein Anwalt Werner Sporn zum KURIER. Dem schließt sich Ex-Libro-Aufsichtsratschef Stiassny an. Der will „das Gutachten inhaltlich nicht kommentieren“, teilt sein Anwalt Thomas Kralik mit. „Der Verdacht entbehrt jeder Grundlage“, kontert Wolfgang Brandstetter, Rechtsbeistand von Ex-Aufsichtsrat Nowotny. Und auch Ex-Libro-Vorstand Knöbl stellt durch Anwalt Stefan Prochaska die Vorwürfe in Abrede.

1999 wurde die Buchhandelskette Libro (3000 Mitarbeiter) an die Börse gebracht, im Geschäftsjahr 2000/’01 rutschte sie in die roten Zahlen und im Juni 2001 in die Pleite. Die Gläubiger forderten 240 Mio. Euro. Ende 2002 kaufte die MTH-Gruppe von Josef Taus Libro aus dem Konkurs heraus und startete erfolgreich durch. Indes wurden Rettberg & Co. ein Fall für den Staatsanwalt. 2008 wurde Rettberg rechtskräftig wegen betrügerischer Krida zu acht Monaten Haft verurteilt. Ende Juni 2011 wurde Rettberg wegen Untreue und Bilanzfälschung zu 3,5 Jahren , Knöbl zu vier Jahren und Stiassny und ein Wirtschaftsprüfer zu je einem Jahr Haft verknackt. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Der Ball liegt beim OGH.

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