Reiseaktien: Lust auf Urlaub, Frust an der Börse
Das Reisen liegt im Trend. Das war schon vor der Corona-Pandemie so und nach zwei Jahren Covid hat sich viel Urlaubs-Hunger angestaut. Nicht nur in Österreich natürlich, sondern international. Reiseanbieter und Hotelbetreiber bejubeln bereits einen grandiosen Reise-Sommer mit kaum Corona-Beschränkungen.
An den Börse-Performances von Airlines, Hotel- und Kreuzfahrt-Anbietern sowie Buchungsplattformen ist diese Entwicklung aber noch nicht zu spüren. Sie haben seit Jahresbeginn zum Teil stark geschwächelt. Einige Beispiele: Die Lufthansa hat etwa knapp fünf Prozent verloren. Bei TUI sind es minus 37 Prozent, bei Airbnb minus 42 Prozent. Kein Wunder: Die Unsicherheiten sind groß. Ukraine-Krieg. Die Angst vor weiteren Pandemie-Wellen. Hohe Treibstoff- und Energiekosten. Hohe Inflation und Angst vor einer Rezession.
Personalproblem
„Die Reisebranche ist relativ groß und hat viele Subsektoren: Flug, Hotels, Reiseanbieter, Kreuzfahrten, Buchungsplattformen“, fasst Gabriela Tinti, Leiterin Aktienfonds bei Erste Asset Management, zusammen. Was die Hotels angeht, sei man in etwa bei 70 Prozent der Auslastungsniveaus von 2019. „Aufgrund der Inflation sind die Hotelpreise schon über dem Niveau von 2019. Hotels sind sehr preissensitiv und können die Inflation sehr stark weitergeben.“
2020 und 2021 haben die Hotels wegen der Pandemie stark gelitten. Was teilweise nach wie vor direkte Nachwirkungen hat: Weltweit haben die Hotelbetreiber Staatshilfen bezogen, Personal musste entlassen werden. „Jetzt werden händeringend Arbeitskräfte gesucht. Das drückt auf die Unternehmensgewinne“, sagt Tinti.
Das Personalproblem haben auch die Flughäfen. „Die Leute haben sich umorientiert und sind in anderen Branchen unterkommen. Gleichzeitig ist die Branche nicht sehr hoch bezahlt. Jetzt sieht man, dass Flüge storniert werden, bei Billigairlines wie den teureren Anbietern wie Lufthansa.“ Auch die Preise der Flugtickets haben stark angezogen. „Will man kurzfristig buchen, sind die Preise momentan sowieso jenseits von gut und böse. Die Nachfrage ist sehr hoch. Die Lust auf Urlaub hat sich angestaut.“
Spezielle Faktoren
Wie immer können es natürlich auch spezielle Faktoren sein, die Kurse treiben oder schwächen. Im Falle des Flughafens Wien war es Mitte Juni das Pflichtangebot des australischen Fonds IFM, das dieser für alle Flughafen-Wien-Aktien gelegt hat. Dieser Fonds hatte schon knapp unter 40 Prozent am Flughafen Wien gehalten, durch Zukäufe am Markt stieg die Beteiligung auf über 40 Prozent, wodurch ein Pflichtangebot für alle Aktien gelegt werden musste. Unmittelbar nach der Ankündigung schnellte die Aktie um 24 Prozent nach oben.
Zurück zu den aktuellen geopolitischen Risiken – die sind wie erwähnt hoch. „Hotels und Fluggesellschaften müssen das weitergeben – der Konsument muss das zahlen. Das mag im Sommer noch positiv aussehen, aber im Herbst kann sich das ändern, wenn es vielleicht wieder eine Covid-Welle gibt oder Rezessionsängste zunehmen und die Leute sparen. Deswegen sehen wir den Reise-Bereich mit Vorsicht. Und wir sehen auch große Unterschiede.“
Ausnahme Spanien
All diese Entwicklungen spiegeln sich in der Performance der Reise-Unternehmen wieder. Als eine Ausnahme hat sich der spanische Markt besser entwickelt, sagt die Expertin des Erste Asset Management – konkret verweist sie auf die spanische Hotelgruppe Melia und auch die NH-Gruppe, ebenfalls in Spanien beheimatet. „Hier ist die Kursentwicklung seit Jahresbeginn nach wie vor im positiven Bereich“, so Gabriela Tinti.
Viele Unsicherheiten bringt natürlich auch der Ukraine-Krieg mit sich. Zum einen fehlen die Touristinnen und Touristen aus der Ukraine und Russland. Jene aus Russland würden heuer wohl eher in die Türkei bzw. den arabischen Raum für ihre Urlaube ausweichen. „Unternehmensgruppen, die da Geschäft haben, können Ausfälle etwa in Europa so natürlich kompensieren“,sagt sie. Auch Asien dürfte man nicht unterschätzen – immerhin seien diese Touristinnen und Touristen ebenso kaufkräftig. „Auch der chinesische Tourist lässt viel Geld im Land – und diese Touristen waren ja noch gar nicht da. Hier wird viel davon abhängen, wie weit China Schritte zulässt.“ Noch herrscht in China ja eine nach wie vor recht strenge Null-Covid-Strategie. All das belastet natürlich viele Unternehmen. Trotz der vielen Unsicherheiten gebe es aber auch beim Kongresstourismus positive Entwicklungen, sagt Gabriela Tinti.
Für Anlegerinnen und Anleger in der Reisebranche ist es jetzt natürlich schwierig. „Bei jedem Unternehmen ist die Situation eine andere“, sagt die Expertin. Bei TUI etwa gebe es ein gewaltiges Verschuldungsproblem. „Hier bin ich auf der Bremse.“ Hätte sie hier Aktien, würde sie aber weiter veranlagt bleiben, sagt sie. Hotels und Fluglinien müsse man sich generell sehr genau ansehen. Ein positiver Kandidat sei beispielsweise Do&Co. „Auch sie hat stark unter Covid gelitten und haben jetzt einen guten Ausblick“, erklärt Tinti.
Für Kreuzfahrt-Anbieter steht für die Zukunft natürlich auch stark der Nachhaltigkeitsaspekt im Raum. Es ist fraglich, ob diese Unternehmen an alte Zeiten anknüpfen können. „Die Reedereien hatten aber in der Pandemie den großen Vorteil, dass sie sehr hohe Cashbestände hatten, sie waren nicht so hoch verschuldet wie TUI oder das eine oder andere Hotel.“
Fokus auf Reise-IT
Bei der Bank Gutmann ist man generell sehr zurückhaltend, was die Geldanlage in Reise- bzw. Tourismusaktien angeht. „Wir sind bei unseren Investments sehr langfristig orientiert. Wir wollen am langfristigen Erfolg eines Unternehmens beteiligt sein“, sagt Christoph Olbrich, Leiter Aktienfondsmanagement bei der Gutmann KAG. Vor der Pandemie, zur Zeit des Booms der Tourismusbranche 2019, habe man sich intensiv mit der Reisebranche auseinandergesetzt. Und sei zu dem Schluss gekommen, dass man „die Eigenschaften, die wir suchen“, bei Aktien von Hotels, Fluggesellschaften, Cruise-Lines und Co. nicht sehe.
„Das heißt aber nicht, dass es nicht kurzfristig gute Ergebnisse geben und man den Trend nicht spielen kann“, ergänzt Olbrich – „Bei zyklischen Aktien ist eine langfristige Sichtweise aber schwierig.“ Was man bei der Gutmann KAG aber sehr wohl mit ins Auge gefasst hat, ist das Thema Reise-IT. „Wir investieren generell sehr gerne in die Infrastruktur dahinter.“
Im Bereich Reise habe man daher die Aktie der Amadeus IT Group ins Portfolio aufgenommen. Dieses Unternehmen stellt die Schnittstelle zwischen Fluglinien und Reisebüros dar. Hier pflegen die Fluglinien ihre Flugdaten ein, auf die Reisebüros und auch Online Travel Agencies dann zugreifen. Unternehmen wie die Amadeus IT Group erhalten dann pro Flugbuchung eine Gebühr.
Weniger Wettbewerb
„Das ist ganz spannend“, betont Olbrich, „als Unternehmen, das keinen hohen Kapitaleinsatz hat.“ Denn das ist sowohl den Kreuzfahrt-Anbietern als auch Airlines und auch den Hotelbetreibern gemein: Der Kapitaleinsatz ist ein vergleichsweise hoher. „Viele Reise-Unternehmen haben einen sehr hohen Wettbewerb mit teilweise bis zu einem gewissen Grad sehr austauschbaren Produkten“, fasst er zusammen. Nur zwei nennenswerte Unternehmen hätten ein ähnliches Geschäftsmodell wie die Amadeus IT Group.
„Natürlich ist auch dieses Geschäft in der Pandemie eingebrochen“, bestätigt Christoph Olbrich. „Allerdings ist das ein Markt, der nicht so wettbewerbsintensiv ist wie etwa im Flug- oder Hotelmarkt. Es ist eine Nische, in der man von der Erholung der Reisevolumina indirekt beteiligt ist.“ Der Experte betont aber: „Das ist aber nicht als Kaufempfehlung zu sehen, sondern immer nur im Kontext unseres gesamten Portfolios zu betrachten.“ Generell seien die kurzfristigen Trends für die Reisebranche „nicht so schlecht“, sagt Olbrich – man wisse aber nicht, wie der Herbst aussehen wird. Was man außerdem eben nicht vergessen dürfe: „Das ein oder andere Unternehmen hat sich deutlich stärker verschulden müssen“, sagt Klaus Kumper, Aktienfondsmanager bei der Gutmann KAG.
"Irgendwann kommt der Herbst"
Wie die Zukunft nach dem Sommer weitergeht, steht in der Reisebranche noch in den Sternen – und damit auch für die Anlegerinnen und Anleger, die überlegen, hier zu investieren. Zwar habe Gabriela Tinti bereits Prognosen für die Reisebranche gesehen, die von „zehn Prozent Wachstum per anno für die kommenden fünf Jahre“ ausgehen. „Aber ich bin damit sehr vorsichtig. Anfang Februar hätte auch noch niemand gedacht, dass in der Ukraine ein Krieg ausbricht.“ Ziemlich sicher scheint: „Wir werden einen super Sommer zum Reisen haben. Aber irgendwann kommt auch der Herbst“, sagt Tinti.
Es heißt also: Genau abwägen, in welche Aktie welches Unternehmens in der Reisebranche man investieren will. Die Einstiegspreise mögen jetzt attraktiv sein – die Risiken aber weiter hoch, und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben.
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