Unbeantwortet bleibt bei allem Prozess-Wirbel allerdings die Frage, ob Kurz bei den Bestellungen denn überhaupt hätte mitreden dürfen?
Ja, der Bundeskanzler darf das, lautet dazu die klare Antwort von Susanne Kalss, Österreichs bekanntester Unternehmensrechtlerin. Der Aufsichtsrat der Staatsholding, welche die Unternehmensbeteiligungen der Republik Österreich an OMV, Telekom Post etc. managt, „war die bedeutendste gesellschaftsrechtliche Position, die damals zu vergeben war“, sagt die Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien im Gespräch mit dem KURIER. Die ÖBAG halte schließlich die größten und wertvollsten Beteiligungen der Republik.
„Naheliegend“
Es sei daher naheliegend, dass diese Besetzung der Finanzminister nicht alleine gemacht habe, ohne sich mit dem Bundeskanzler abzusprechen. Chef in der Himmelpfortgasse war damals Hartwig Löger (ÖVP), seit dem Sommer Vorstandsvorsitzender des VIG-Konzerns, Österreichs größter internationaler Versicherungsgruppe, und einer der zahlreichen Beschuldigten im Casinos-Verfahren.
Formal ist zwar der Finanzminister für die ÖBAG zuständig. Doch die Regierung sei insgesamt Eigentümer-Vertreter, da sei es klar, dass sich Bundeskanzler und Finanzminister akkordieren, argumentiert Kalss.
„Das passt auch“, sagt die Expertin, „es gibt kein Verbot, sich zu bereden“.
Im Gegenteil. „Die Abstimmung mit dem Finanzminister gehört zum Job eines Kanzlers“, betont Kalss. Der Bundeskanzler trage mit der Regierung schließlich auch die Verantwortung für diese Besetzung und sei in letzter Konsequenz für die Verwaltung des Staatseigentums zuständig.
Was wäre, wenn sich ein Bundeskanzler nicht einbringt?
Diese Annahme hält Kalss für einigermaßen weltfremd. Sollte sich ein Kanzler tatsächlich nicht für den Aufsichtsrat der Staatsholding interessieren, „würde mich das sehr wundern. Denn das würde infrage stellen, ob er deren Bedeutung überhaupt richtig gewichtet“.
Nachdem der Wunschkandidat von Kurz, der Russland-Unternehmer Siegfried Wolf, wie berichtet an den US-Sanktionen gescheitert war, wurde der Krankenhaus-Manager Helmut Kern Chef des Aufsichtsrates.
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Aufsichtsräte seien längst keine Frühstücksdirektoren mehr, die Anforderungen und die Qualität der Arbeit hätten sich stark verändert, beobachtet Kalss. Die Professorin kennt die Staatsholding gut, sie arbeitete in der Vergangenheit immer wieder für sie, hat derzeit aber kein Mandat. Sie ist als Vorständin des Instituts für Unternehmensrecht an der WU Wien die führende Expertin zu Aufsichtsrats-Themen und veranstaltet seit 13 Jahren den alljährlichen Aufsichtsratstag.
hodoschek.andrea@gmail.com
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