KURIER: Herr Stieger, viele Betriebe wollen wegen des Fachkräftemangels jetzt ihre Pensionisten zurückholen, aber das funktioniert nicht so recht. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Leopold Stieger: Das wundert mich nicht. Viele Betriebe haben ihre Mitarbeiter so behandelt, dass sie nicht zurückwollen. Es gibt Firmen, die haben in den letzten Jahren ganze Teams mit Sozialplänen abgebaut und jetzt wachen sie auf und sehen, dass ihnen die Fachkräfte fehlen. Die Expertise geht mit 60 oder 65 bei der Tür hinaus und kommt nicht wieder. Keiner hält sie zurück. Keiner fragt, ob sie vielleicht stunden- oder tageweise weitermacht. Wenn sie weg ist, ist es zu spät.
Wie viele wollen nach der Pensionierung überhaupt weiterarbeiten?
Laut unserer letzten Umfrage wollen 66 Prozent in irgendeiner Form weiterarbeiten. Der Prozentsatz steigt mit der Lebenserwartung. Die Menschen sind heute im Schnitt noch 20 Jahre fit und aktiv. Wer in der Pension nichts zu tun hat, keine Herausforderung mehr hat, dem fehlt der Lebenssinn.
Zusätzliches Geld ist kein Anreiz?
Mit dem Argument Geld lässt sich niemand zurückholen, der früher, vor allem in den letzten Arbeitsjahren, nicht wertgeschätzt wurde. Es geht nicht um ein paar Euro zusätzlich, sondern darum, etwas zu tun und gebraucht zu werden.
Was sollen die Betriebe besser machen?
Es braucht eine bessere Verabschiedungskultur. Es ist eine Schande, wenn dem Personalchef zur Pensionierung nix Besseres einfällt, als mit der Abrechnung zu warten. In manchen Betrieben wird einem schon mit 60 oder 63 signalisiert, nicht mehr gebraucht zu werden. Da gibt es dann plötzlich keine Weiterbildung mehr und solche Sachen. Da passiert die geistige Kündigung schon einige Jahre früher. Da ist viel zu tun.
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