Privatkonkurs wird jetzt billiger

Neue Spielregeln für Privatpleitiers.
Ab 1. Juli bekommen auch jene überschuldeten Haushalte eine Chance auf Entschuldung, die nur ganz wenig zurückzahlen können.

Etwa 200.000 Personen sind hierzulande bis über beide Ohren verschuldet, davon nehmen knapp 59.000 Privatpleitiers die Hilfe von Schuldnerberatungen in Anspruch. Aber nur rund 8000 Pleitiers schaffen es pro Jahr, sich über einen Privatkonkursverfahren zu entschulden. Das soll sich jetzt ändern. Mussten sie bisher zumindest zehn Prozent der Schulden zurückzahlen, so fällt diese Hürde ab Juli 2017 weg. Zugleich wird das sogenannte Abschöpfungsverfahren von sieben auf drei Jahre verkürzt.

Die Gläubigerschutzverbände fürchten, dass viele Privatpleitiers künftig gar nichts zurückzahlen. Die Schuldnerberater wollen beruhigen.

Arge Schicksale

Bei vielen Betroffenen ist die Misere nicht hausgemacht. Rund 37 Prozent schlittern wegen des Verlusts des Jobs in die Insolvenz, weitere 21 Prozent sind gescheiterte Selbstständige und Kleinstunternehmer. Doch oft ist das Schicksal noch härter.

"Zu unseren Klienten zählen Menschen, die erkrankt sind, die eine Scheidung hinter sich haben, oder einen andere Schicksalsschlag erlitten haben", sagt Clemens Mitterlehner von Dachverband der Schuldnerberatungen zum KURIER. "Oder sie sind nicht mehr arbeitsfähig." Sie waren bisher von einer Schuldenregulierung ausgeschlossen, weil die Mindestquote von zehn Prozent für sie eine zu hohe Hürde ist. Mitterlehner: "Von den Leuten, die zu uns kommen, haben fast 30 Prozent ein Einkommen unter dem Existenzminimum von 880 Euro." Bei diesen Personen ist selbst für einen Gerichtsvollzieher oft nichts mehr zu holen.

Diese Schuldner sind die Gewinner der neuen Regelung. Auch wenn sie nichts oder nur wenige Euro pro Monat zurückzahlen können, bekommen sie nun eine Chance zur Entschuldung.

Aber auch viele Alt-Schuldner, die schon einmal knapp an der Mindestquote gescheitert sind, können nun ein neues, zweites Insolvenzverfahren beantragen.

Motivation wichtig

"Das Wichtigste dabei ist, dass diese Leute eine Perspektive haben, ein Ziel, auf das sie hinarbeiten können", sagt Mitterlehner. Generell gelte aber, dass sich nur motivierte Betroffene ins Zeug legen, um die Schulden abzutragen.

Dazu muss man wissen, dass ein ehemaliger Kleinstunternehmer im Schnitt rund 111.000 Euro Schulden hat, ein Privater 60.000 Euro. "Letzterer hat aber nur 20.000 Euro aufgenommen, der Rest sind Zinsen und Gebühren", sagt Mitterlehner. "Die Schulden verdoppeln sich innerhalb von fünf Jahren, daran haben die Inkassokosten einen wesentlichen Anteil."

Fakt ist auch: Nur in wenigen Fällen wird auch künftig der Konkurs gratis sein. In rund 70 Prozent der Pleiten schließen die Schuldner schon heute mit ihren Gläubigern einen sogenannten Zahlungsplan ab. Hier liegen die angebotene Zahlungen meist deutlich über der bisherigen Mindestquote. Denn: Einem Zahlungsplan muss die Mehrheit der Gläubiger zustimmen – das bleibt so.

"Es wird auch weiterhin zuerst das Vermögen des Schuldners verwertet", sagt Mitterlehner. "Und es wird künftig noch strenger geprüft, ob die Schuldner redlich und für ein solches Verfahren geeignet sind."

Private Überschuldung in Zahlen

7855 Insolvenzverfahren wurden im Vorjahr eröffnet – um 9,9 Prozent weniger als im Jahr davor.

129.000 Privatkonkurse gab seit der Einführung dieser Möglichkeit zur Entschuldung im Jahr 1995.

36,6 Prozent – der Abstand am häufigsten genannte Grund für die Überschuldung ist Arbeitslosigkeit bzw. die Verschlechterung des Einkommens. Dahinter rangieren eine gescheiterte Selbstständigkeit (21,4 Prozent) und der Umgang mit Geld bzw. falsches Konsumverhalten (17,9 Prozent). Scheidung oder Trennung werden in 13,6 Prozent der Fälle genannt.

1,1 Prozent der Klienten der Schuldenberatungen sind bis zu 20 Jahre alt. Überschuldung ist damit kein Thema der Jungen, sondern findet eher im mittleren Alter statt. 26,8 Prozent sind 31 bis 40 Jahre alt, 24,6 Prozent 41 bis 50. In der Altersgruppe 60+ ist Überschuldung dann beinahe kein Thema mehr.

41,9 Prozent jener, die im Vorjahr zu Erstberatungen kamen, hatten als höchste abgeschlossene Ausbildung einen Pflichtschulabschluss. 45,5 Prozent entfielen auf Klienten mit einer Ausbildung in berufsbildenden Schulen. Matura hatten nur 8,8 Prozent, Ausbildungen über Maturaniveau nur 3,7 Prozent.

40,2 Prozent der Klienten der Schuldenberatungen sind arbeitslos. Sie sind etwa sieben Mal häufiger vertreten als in der Gesamtbevölkerung.

10 staatlich anerkannte Schuldenberatungen mit 18 dazugehörigen Regionalstellen gibt es in Österreich. Dort suchten im Vorjahr knapp 59.000 Personen Unterstützung.

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