Wir erleben heuer das zweite Rezessionsjahr, 2025 ist auch kein echter Aufschwung in Sicht. Wie sehr spürt das die Post?
Wir sind Gott sei Dank nicht besonders konjunktursensitiv. Uns bewegen vor allem zwei Megatrends. Die Digitalisierung der Kommunikation, die dazu führt, dass das Briefgeschäft rückläufig ist. Und die Digitalisierung des Handels, die dazu führt, dass die Paketvolumina wachsen. Da versuchen wir uns in einem beinharten Wettbewerb erfolgreich zu behaupten, was auch gelingt. Diese Trends überwiegen und auch in den großen Krisen der vergangenen 15 Jahre – Finanzkrise, Pandemie, Inflation, Ukraine-Krieg – konnten wir zeigen, dass wir in schwierigen Zeiten ein stabiles Geschäftsmodell haben.
Sie wünschen sich eine Regierung, die große Reformen angeht, welche?
Um zwei Beispiele zu nennen, die für uns als Unternehmen besonders wichtig sind. Zum einen braucht es eine strukturelle Arbeitsmarktreform. Wir haben einen Arbeits- und Fachkräftemangel, der sich durch den demografischen Wandel auch noch zuspitzen wird. Es braucht Maßnahmen, die Leistung und Arbeit wieder attraktiver machen. Ich denke an den Unterschied zwischen Arbeitseinkommen und arbeitsfreiem Einkommen, den Schritt von der Teilzeit zur Vollzeit oder Anreize für längeres Arbeiten im Alter. Und es braucht den kontrollierten Zuzug in den Arbeitsmarkt, idealerweise auch am hoch qualifizierten Ende.
Und das zweite Beispiel? Mir scheint ein Zurückdrehen der Überregulierung besonders wichtig. Da kommt sehr viel aus Brüssel, da wird aber in Österreich noch einiges drauf gelegt, vergoldet, und von Behörden noch dazu intensiv ausgelegt. Die Themen Wirtschaftsfreundlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Standortes müssen wieder wesentlich mehr Beachtung bekommen.
Ihr Vorgänger hat einmal gesagt, unsere internationalen Wettbewerber lachen sich schief über die Regulierungswut in Europa ...
Auf Englisch gibt es den Ausspruch: America innovates, China replicates, Europe regulates. Das trifft es ganz gut, wenn man beispielsweise an den Datenschutz denkt. Wir haben uns da aus Geschäften zurückgezogen oder zurückziehen müssen. Wo sind die Geschäfte gelandet? Bei Google, Meta und zunehmend TikTok.
Die Lohnabschlüsse werden von Arbeitgeberseite oft als zu hoch bezeichnet. Wie sehen Sie das?
Wir haben in Summe in drei KV-Runden fast 22 Prozent Lohnzuwachs zu verdauen, obwohl wir relativ maßvolle Abschlüsse hatten. Also Inflation plus kleinere Zuschläge. Ein Teil davon kommt erst, der Abschluss von 2024 wird erst 2025 voll wirksam. Ja, es ist wichtig und gut, dass die Inflation jetzt sinkt, denn wir konnten nicht alles in den Preisen unterbringen und weitergeben. Aber wir haben mit Einsparungen und Wachstum darum gekämpft, die Kostensteigerungen, die allein auf der Personalseite mehr als einen Jahresgewinn ausgemacht haben, zu kompensieren.
Wie geht es 2025 weiter? Liegt der Fokus auf der weiteren Auslandsexpansion oder eher im Inland?
Aus meiner Sicht gibt es zwei Wachstumsplattformen, die wir parallel bearbeiten. Das ist E-Commerce und damit verbunden das Paketgeschäft in unserer Region – Österreich, Osteuropa und Türkei – mit 150 Millionen Einwohnern. Dazu kommt das Ökosystem Post im Inland. Da reden wir von den Themen Filiale, Zustellung, Bank. Die bank99 wächst schneller als der Markt, sowohl auf der Kunden-, wie auf der Einlagenseite. Ich erwarte weiterhin bei der Bank den Break-even im Laufe des Jahres 2025 zu erreichen.
Haben Sie genügend Mitarbeiter, um all ihre Pläne umzusetzen?
Wir sind ein Dienstleistungsbetrieb, der in Österreich für 20.000 Menschen einen sicheren Arbeitsplatz bietet. Immer ausreichend Mitarbeiter zu finden, ist in einem engen Arbeitsmarkt eine Herausforderung. Durch die Rezession 2023 und 2024 hat sich die Lage etwas entspannt, aber wir tun weiterhin sehr viel, um ein attraktiver Arbeitgeber mit einer positiven Unternehmenskultur zu sein. Aktuell suchen wir rund 600 Mitarbeiter vom Zusteller bis zum IT-Experten. Das ist ein Ergebnis der normalen Fluktuation, aber auch ein positives Kontrastprogramm zur Pleitewelle, von der man ständig liest.
Jetzt beginnt bald das Weihnachtsgeschäft. Rechnen Sie mit einem neuen Paket-Rekord in 2024?
Abgerechnet wird am 31. Dezember. Aber wir sind bisher mit einem zweistelligen Wachstum im österreichischen Paket-Geschäft unterwegs. Also ja, ein neuer Rekord zeichnet sich ab.
Abschlussfrage: Gibt es etwas in Ihrem Unternehmen, das Ihnen schlaflose Nächte bereitet?
Ich schlafe Gott sei Dank gut, aber Faktum ist natürlich, wir sind in einem herausforderndem Markt. Wenn man sich europaweit umschaut, ist eine gesunde, moderne, erfolgreiche Post keine Selbstverständlichkeit. Die britische Post wird gerade von einem tschechischen Milliardär übernommen. In Dänemark hat man den Universaldienst abgeschafft. Ich schaue zuversichtlich in die Zukunft, aber es gibt genug Herausforderungen.
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